Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Analyse zur Saarland-Wahl 2022: Wer ist schuld am CDU-Debakel?

Analyse zur Landtagswahl

Wer ist schuld am CDU-Debakel im Saarland?

    • |
    Tobias Hans gibt seine Stimme in Münchwies ab.
    Tobias Hans gibt seine Stimme in Münchwies ab. Foto: Oliver Dietze, dpa

    Zwei Monate ist der neue CDU-Herrscher Friedrich Merz im Amt und hat seinen ersten Erbhof schon krachend verloren: Bei der Landtagswahl im beendete die SPD eine 22-jährige Regentschaft der Christdemokraten, die 1999 mit Ministerpräsident Peter Müller begann und durch Annegret Kramp-Karrenbauer sowie Tobias Hans fortgesetzt wurde. Den Stab übernimmt mit einem historisch guten Ergebnis die bisherige Wirtschaftsministerin und SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger. Ein glaubwürdiger Wahlkampf sei belohnt worden, freute sich die 45-Jährige. Sie holte mit ihrer Partei laut vorläufigem Endergebnis 43,5 Prozent der Stimmen und erreichte damit die absolute Mehrheit. Das löste Freudentaumel in der Berliner Parteizentrale aus. Mit einem Sieg hatten sie im Willy-Brandt-Haus gerechnet – die letzten Umfragen sprachen dafür –, mit einem so hohen allerdings nicht.

    Die Genugtuung der SPD ist mit Blick auf das Saarland doppelt groß. 2017 knallte hier der „Schulz-Zug“ gegen die Wand, damals wollten die Partei mit ihrem Kanzlerkandidaten Martin Schulz einen Wahlsieg verbuchen und dann bei der Bundestagswahl im Herbst direkt ins Kanzleramt einfahren. Es kam anders. Die Saarland-CDU holte mit 40,7 Prozent den Sieg, die SPD kam nur auf knapp 30 Prozent Zustimmung, am Ende blieb Angela Merkel (CDU) Kanzlerin.

    Kanzler Scholz wird das Ergebnis als Bestätigung seiner Politik verkaufen

    Für ihren Nachfolger Olaf Scholz und die SPD insgesamt ist das Ergebnis der ersten Landtagswahl in diesem Jahr ein starker Rückenwind. Die letzten Umfragen hatten der führenden Regierungspartei Ansehensverluste attestiert, die CDU unter ihrem Vorsitzenden Friedrich holte bis zum Gleichstand auf. Kanzler Scholz wird das Ergebnis im Saarland als Bestätigung seiner Politik verkaufen und dies wohl auch zu Recht. Der SPD-Kursschwenk in der Verteidigungspolitik nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine, der Zick-Zack-Kurs seines Gesundheitsministers Karl Lauterbach in der Corona-Pandemie hätten schließlich auch Stimmen kosten können.

    SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert freute sich denn im ZDF darüber, dass Rehlinger einen „gordischen Knoten“ durchschlagen habe. Von einem „unglaublich toller Abend“ sprach Kühnert, von einem „Erdrutschsieg für die Saar-SPD“. Bei der CDU, die im Saarland seit Jahrzehnten nicht unter 30 Prozent gerutscht war, setzte der erwartete Abwehrreflex ein. Man habe es hier, erklärte CDU-Vize Andreas Jung im ZDF, mit einer Landtagswahl zu tun, die über „landespolitische Themen“ gewonnen worden sei. Diese Themen hätten „im Mittelpunkt gestanden und den Ausschlag gegeben“, sagte der baden-württembergische Bundestagsabgeordnete.

    Saar-CDU-Chef Tobias Hans blieb im Wahlkampf blass

    Die CDU hatte schon früh alle Hoffnung auf einen Wahlsieg im Saarland fahren lassen. Parteichef Merz schaltete sich nur ein Mal in den Landeswahlkampf ein, Anfang März kam er zur Klausurtagung nach St. Ingbert und offenbarte wie nebenbei die größte Schwäche der Saarland-CDU: Bei einer Diskussionsveranstaltung überstrahlte Merz den ebenfalls anwesenden Spitzenkandidaten und Saar-CDU-Chef Tobias Hans um ein Mehrfaches, er musste sich dafür noch nicht einmal anstrengen. Hans hingegen blieb so blass wie sein gesamter Wahlkampf. Mehrfache Ermahnungen aus der Berliner Parteizentrale fanden keinen Widerhall, im Konrad-Adenauer-Haus machte bald der böse Vorwurf die Runde, die Saarländer seien nicht mal ansatzweise kampagnenfähig.

    Merz konzentriert sich nun voll auf die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am 8. Mai sowie eine Woche später in Nordrhein-Westfalen, er will den Umfragevorsprung unbedingt verteidigen. Im Norden liegt die CDU mit Ministerpräsident Daniel Günter an der Spitze laut einer Umfrage von Infratest-Dimap 13 Punkte vor der SPD. In Nordrhein-Westfalen hat sich mit ihrem Spitzenkandidaten Hendrik Wüst gerade knapp an SPD-Spitzenmann Thomas Kutschaty vorbeigeschoben.

    Die Linke fliegt aus dem Landtag

    Für die Linken im Saarland ist das Ergebnis, sie verfehlten den Einzug in den Landtag, ein noch größeres Desaster als für die CDU. Immerhin war das kleine Bundesland einmal die stabilste rote Burg im Westen der Republik. Nachdem die Linkspartei schon im Osten nicht mehr verankert ist, gerät sie nun immer mehr in Existenznot. Die Saar-Linken hatten sich zuletzt tief zerstritten gezeigt, dass der ehemalige saarländische Ministerpräsident (damals noch mit SPD-Parteibuch) und spätere Linkspartei-Chef Oskar Lafontaine kurz vor der Wahl seinen Austritt erklärte, war nur das Ende einer langen Reihe an schädlichen Entwicklungen. 

    Das schlechte Abschneiden der Grünen, die laut vorläufigem Endergebnis den Einzug in das Parlament verpassen, muss wohl zunächst vor allem auf saarländische Besonderheiten zurückgeführt werden. Ein Drittel der rund 2100 Parteimitglieder bündelt sich im Ortsverband Saarlouis, der wiederum kochte ein eigenes Süppchen aus Intrigen, Skandalen und anderen unappetitlichen Zutaten. Die Wählerinnen und Wähler wollten das nicht schlucken.

    Die FDP steht bei etwa 5 Prozent

    Bei den Liberalen markiert das miese Ergebnis das Ende eines langen, dornigen Weges, der 2012 begann. Damals löste AKK die Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen im Saarland auf und versetze den Gelben einen Schlag, von dem sie sich seither nicht erholt haben. Bemerkenswert ist das Abschneiden der AfD. Ihr Landesverband ist sogar der Bundespartei zu nah an den Nazis, trotzdem reichte es laut vorläufigem Endergebnis zufolge für den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

    Falls Rehlinger in einer Großen Koalition mit der CDU weiterregiert, hätte die Wahl keine Auswirkungen auf den Bundesrat. Dort gilt die Regel, dass sich Koalitionspartner der Stimme enthalten, wenn sie sich nicht einig sind. Der Wahlsieg stärkt allerdings die sogenannten A-Länder, also die SPD-geführten Länder, was sich unter anderem auf die Beschlusslage in der Ministerpräsidentenkonferenzen auswirken kann.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden