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Analyse: Zehn Jahre AfD: Der lange Marsch nach rechts und was man daraus lernen kann

Analyse

Zehn Jahre AfD: Der lange Marsch nach rechts und was man daraus lernen kann

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    Björn Höcke, dessen Thüringer AfD-Landesverband als rechtsextremistisch eingestuft wird.
    Björn Höcke, dessen Thüringer AfD-Landesverband als rechtsextremistisch eingestuft wird. Foto: Martin Schutt, dpa (Archivbild)

    Seltsam ist das schon: Die AfD hat den politischen Umgangston seit ihrer Gründung vor zehn Jahren immer weiter verschärft, sich immer klarer auf den rechten Rand ausgerichtet und sich immer weniger Mühe gegeben, ihre Verachtung für demokratische Institutionen zu verbergen – und trotzdem scheinen sich die Deutschen an diese Partei gewöhnt zu haben.

    In Thüringen haben CDU und FDP gerade gemeinsam mit der AfD ein Gesetz gegen die rot-rot-grüne Regierung durchgesetzt. Angeführt von Björn Höcke, einem Mann, der – richterlich bestätigt – als Faschist bezeichnet werden darf, könnte die AfD dort zur stärksten Kraft im nächsten Landtag werden. In Umfragen liegt sie aktuell ganz vorn. Doch was vor ein paar Jahren noch die Republik erschüttert hätte, löst heute kaum noch einen Aufschrei aus. Woher kommt diese Gleichgültigkeit?

    Die AfD wird als Gegenentwurf zu Angela Merkel gegründet

    Wer diese Frage beantworten will, muss erst einmal ein paar Schritte zurücktreten. Als die Alternative für Deutschland am 6. Februar 2013 im Taunus gegründet wird, sitzen dort keine Typen in Springerstiefeln, die rechtsradikale Parolen grölen. Das Etikett "Professorenpartei" macht bald, halb spöttisch, halb bewundernd, die Runde.

    Die Gruppierung ist schon im Namen eine Kampfansage an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die für ihre milliardenschwere Euro-Rettungspolitik das Prädikat "alternativlos" erfunden und die CDU aus Sicht mancher Konservativer zu weit in die Mitte geführt hatte.

    Der frühere Journalist Konrad Adam organisiert einen Gemeindesaal in Oberursel, in dem er gemeinsam mit 17 Gleichgesinnten die neue Partei gründet – und nicht ahnt, dass er schon bald die Kontrolle darüber verlieren wird. Zehn Jahre später bedauert er, was aus der AfD, die er 2020 verlassen hat, geworden ist: ein Sammelbecken für die Wütenden und Frustrierten, für Despoten-Verehrer, Ausländerhasser, für Homophobe, Rechtsradikale und Faschisten. Eine Partei, die der Verfassungsschutz als Verdachtsfall einstuft.

    Ein anderer Mann der ersten Stunde ist Hans-Olaf Henkel. Einst Spitzenmanager und Industrie-Präsident, verleiht er der neu gegründeten Gruppierung Gewicht und Aufmerksamkeit. Und er sorgt, wie erst später bekannt wird, als anonymer Spender dafür, dass die AfD nicht pleitegeht. 2015 wird er austreten und bitter bilanzieren: "Es macht mir Kummer, dass ich mitgeholfen habe, ein Monster zu erschaffen."

    Auch in der ersten Reihe weht ein eisiger Wind. Mit Bernd Lucke, Frauke Petry und Jörg Meuthen lässt die AfD innerhalb eines Jahrzehnts drei Vorsitzende rechts liegen. Alle drei werden vom Hof gejagt, alle drei im Grunde genommen aus demselben Motiv: Weil sie verhindern wollten, dass die Partei noch radikaler wird, noch mehr Hass schürt, noch mehr spaltet.

    Als Parteichefin wollte Frauke Petry den Rechtsaußen-Anführer Björn Höcke (rechts) loswerden. Am Ende musste sie selbst gehen.
    Als Parteichefin wollte Frauke Petry den Rechtsaußen-Anführer Björn Höcke (rechts) loswerden. Am Ende musste sie selbst gehen. Foto: Rainer Jensen, dpa

    Mitleid muss man mit den Entrechteten nicht haben. Sie werden Opfer jener Geister, die sie selbst gerufen hatten. In atemberaubender Selbstüberschätzung hatten Lucke, Petry und Meuthen geglaubt, sie könnten mithilfe von Extremisten an die Macht gelangen oder an der Macht bleiben, ohne diesen einen Teil dieser Macht überlassen zu müssen.

    Zwei Szenarien gibt es für die Zukunft der AfD, beide erweisen sich als falsch

    Politische Konkurrenten, Medien und Wissenschaftler zeichnen schon früh zwei große Szenarien. Beide werden sich nicht erfüllen. 

    • Erstens: Die AfD mäßigt sich und wird eines Tages fähig für bürgerliche Bündnisse mit Union und FDP.
    • Zweitens: Die AfD radikalisiert sich immer weiter und verschreckt damit so viele Wähler (Wählerinnen hat sie ja ohnehin kaum), dass sie eines Tages in der Versenkung verschwindet.

    Auch die Annahme, die meisten Menschen würden den Populisten ihre Stimme geben, obwohl diese immer offener rechtsradikal werden, erweist sich als Trugschluss. Viele Anhänger wählen die AfD nicht trotzdem, sondern gerade deswegen. Und Björn Höcke, Galionsfigur des nur offiziell aufgelösten völkischen Flügels und zwischendurch am Rande des Parteiausschlusses, ist hinter den Kulissen längst der mächtigste Mann in der Partei.

    Die politischen Gegner versuchen mit allerlei Rezepten, der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen. Draufhauen und empören, ist der erste Reflex, der sich aber recht schnell als unwirksam entpuppt. Es folgt das Prinzip Populismus. Doch das plumpe Plagiieren von Stammtischparolen und aggressiver Sprache bringt kaum jemanden auf die Idee, die Kopie zu wählen, wenn er mit der AfD doch auch das Original haben kann.

    Zwischendurch keimt die Hoffnung, die Sache werde sich von allein erledigen, wenn die Flüchtlingskrise überwunden ist. Doch die AfD findet immer neue Themen, mit denen sie aus dem Misstrauen gegen den Staat Kapital schlägt. Ein Misstrauen, das sie selbst aus reinem Selbstzweck seit einem Jahrzehnt ganz bewusst schürt.

    Die demokratischen Parteien müssen bessere Alternativen für Deutschland werden

    Inzwischen verfolgen immer mehr Politikerinnen und Politiker den Ansatz, den krakeelenden Haufen am rechten Rand des Bundestags einfach zu ignorieren. Auch die Bevölkerung scheint sich achselzuckend damit abzufinden, dass es die AfD nun mal gibt. Das macht Sorge und Hoffnung zugleich.

    Sorge, weil sich Demokratinnen und Demokraten nicht daran gewöhnen dürfen, dass mit Hass, Ausgrenzung und Spaltung Politik gemacht wird. Aber eben auch Hoffnung, denn wer zu sehr auf andere schaut, wer in der Politik getrieben oder ängstlich agiert, verliert den Blick und den Mut für eigene, neue, bessere Ideen. Am Ende gibt es nach zehn Jahren mit der AfD nur ein Mittel gegen Populisten und Demokratieverächter: Die demokratischen Parteien müssen bessere Alternativen für Deutschland werden.

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