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Analyse: Nach Meuthen-Aus: Wird die AfD endgültig rechtsextremistisch?

Analyse

Nach Meuthen-Aus: Wird die AfD endgültig rechtsextremistisch?

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    Alice Weidel und Björn Höcke gehören zu den mächtigsten Leuten in der AfD.
    Alice Weidel und Björn Höcke gehören zu den mächtigsten Leuten in der AfD. Foto: Hauke Christian Dittrich, dpa

    Manchmal sind es vermeintlich unbedeutende Personalentscheidungen, die echte Einblicke in das Innenleben einer Partei zulassen. Klar, Jörg Meuthen hat der AfD den Parteivorsitz vor die Füße geworfen, weil sie ihm zu radikal geworden ist. Doch nach ein paar Tagen der Aufgeregtheit und gegenseitigen Schuldzuweisungen herrscht inzwischen wieder Alltag bei den Rechtspopulisten. Und am Beispiel von Matthias Helferich zeigt sich, wie die Machtverhältnisse in der AfD im Alltag tatsächlich sind.

    Bundestagsabgeordneter bezeichnete sich als "freundliches Gesicht des NS"

    Der 33-jährige Bundestagsabgeordnete ist ein kleines Licht. Doch im Sommer machte er Schlagzeilen. Er hatte sich in einem öffentlich gewordenen Chat selbst als das „freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnet und mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen. Die AfD etikettierte die Äußerungen umgehend als „Satire“, distanzierte sich offiziell davon und nahm Helferich nach der Wahl nicht in die Bundestagsfraktion auf. Er sitzt nun als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament.

    Meuthen wollte den Anhänger des völkisch-nationalen Flügels sogar aus der Partei werfen, konnte sich aber in den Spitzengremien nicht durchsetzen.

    Für seinen Widersacher Meuthen ist das ein weiterer Beleg für die fortschreitende Radikalisierung der AfD. „Das zeigt in erschreckender Deutlichkeit, wer in dieser Partei nicht nur geduldet wird, sondern bei einer Parteitagsmehrheit sogar Unterstützung findet“, sagt er unserer Redaktion. Kann man aus dieser kleinen Personalie tatsächlich auf das große Ganze schließen? Dazu muss man etwas weiter ausholen – und landet ganz schnell beim Anführer des äußersten rechten Flügels, Björn Höcke.

    Björn Höcke treibt die AfD nach rechts - mit mächtigen Verbündeten

    Der Mann, der gerichtlich bestätigt als Faschist bezeichnet werden darf, treibt die AfD seit Jahren vor sich her. Nach rechts. Erst verbündete er sich mit Jörg Meuthen, um die frühere Parteichefin Frauke Petry loszuwerden, dann mit Alice Weidel und Alexander Gauland, um Jörg Meuthen hinauszudrängen. Die regelmäßigen verbalen Entgleisungen des Thüringer Landeschefs – erst vor wenigen Tagen nannte er die Corona-Impfung in einem Atemzug mit Menschenversuchen im Dritten Reich – lösen in der AfD schon lange keine ernsthafte Empörung mehr aus.

    Höckes Leute geben intern den Ton an. Nur öffentlich kann die AfD ihn nicht in die erste Reihe stellen. Zu groß ist die Angst davor, dass der Verfassungsschutz nicht nur den inzwischen zumindest offiziell aufgelösten völkischen „Flügel“, sondern gleich die ganze Partei als rechtsextremistischen Verdachtsfall behandeln darf. Darüber will das Verwaltungsgericht Köln Anfang März entscheiden.

    Lange Zeit hatte auch Meuthen die Rechtsextremisten als Gruppe akzeptiert, die ihren Platz in der AfD haben sollte. Der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland verortete Höcke gar in der „Mitte“ der Partei und bezeichnete den „Flügel“ als „integralen Bestandteil“ der AfD. Und so verschoben sich die internen Kräfteverhältnisse immer weiter nach rechts.

    Der langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen will mit der Partei nichts mehr zu tun haben.
    Der langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen will mit der Partei nichts mehr zu tun haben. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Meuthen hat zu dieser Entwicklung beigetragen – aus purem Kalkül und eigenem Machterhaltungstrieb. Erst als sein Rückhalt immer kleiner wurde und er spürte, dass er die von ihm gerufenen Geister nicht mehr loswird, versuchte er, dagegenzuhalten. Der Wirtschaftsprofessor taugt gewiss nicht als Opfer, doch Fakt ist: Nach seinem Abgang gibt es niemanden mehr mit Gewicht in der AfD, der wenigstens den Anschein erweckt, als strebe man einen gemäßigten Kurs an.

    Ex-Parteichef Jörg Meuthen sagt der AfD Wahlniederlagen vorher

    „Die AfD ist heute eine Partei im schleichenden Niedergang. Den Niederlagen aller jüngeren Wahlen werden weitere folgen“, prognostiziert Meuthen, der intern von vielen nun als Verräter bezeichnet wird. Tatsächlich reichen die Rechtspopulisten allenfalls noch in Teilen Ostdeutschlands an frühere Spitzenergebnisse heran.

    Noch ist nicht sicher, was am Ende dieser Entwicklung stehen wird. In der Partei gibt es seit jeher einen Widerstreit, ob die Menschen trotz oder gerade wegen rechtsnationaler, völkischer und extremistischer Positionen der AfD ihre Stimme geben.

    Die einen wollen raus aus der Anti-Haltung, der destruktiven Fundamentalopposition. Sie wollen die AfD langfristig für bürgerliche Wähler öffnen und dafür sorgen, dass politische Konkurrenten wie Union und FDP eines Tages gar nicht mehr anders können, als mit ihr zu koalieren.

    Die einen würden einen Mann wie Matthias Helferich sofort hinauswerfen, die anderen stellen sich nun demonstrativ an dessen Seite. So nachrangig diese Personalie also auf den ersten Blick erscheinen mag, so lässt sich an ihr doch womöglich ablesen, wohin die Reise gehen könnte.

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