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Analyse: Wie in Polen Wahlkampf mit antideutscher Stimmung gemacht wird

Analyse

Wie in Polen Wahlkampf mit antideutscher Stimmung gemacht wird

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    Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident von Polen, fühlt sich von Deutschland und Europa bevormundet.
    Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident von Polen, fühlt sich von Deutschland und Europa bevormundet. Foto: Virginia Mayo, dpa

    Wie angespannt die Beziehungen zwischen Deutschland und seinem Land derzeit sind, ließ der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki am Dienstag mit einer äußerst ungewöhnlichen Einladung erahnen. Er lud den deutschen Europapolitiker Manfred Weber, Vorsitzender der Europäischen Volkspartei, zu einem Fernsehduell nach Polen ein. Ursache für den Fehdehandschuh: Der CSU-Politiker hatte in einem Interview mit dem ZDF die polnische Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) kritisiert. Was man in Warschau als deutsche Anmaßung empfand.

    Der Bayer, anfangs im Gespräch über die AfD und deren Europapolitik, sprach von einer „Brandmauer gegen PiS-Vertreter in Polen, die systematisch den Rechtsstaat und freie Medien attackieren“. Hintergrund: Polen ist seit Regierungsantritt der PiS 2015 im Konflikt mit der EU-Kommission, da das Justizsystem mittels Reformen zunehmend dem Staat unterstellt wird. 

    Weber, der sich schon häufiger kritisch zur PiS geäußert hatte, bezeichnete die Partei – wie die AfD – als „Gegner“, den man bekämpfe. Morawiecki übersetzte „Feind“. Dass der Nationalkonservative sofort eine deutsche Einmischung in polnische Angelegenheiten witterte, obwohl Weber als Vertreter der europäischen Volksparteien gesprochen hatte, dürfte einen simplen Grund haben: In Polen herrscht Wahlkampf, vermutlich wird am 15. Oktober gewählt. 

    Die Regierungspartei PiS macht sich Sorgen wegen Donald Tusk

    Die Regierungspartei PiS unter Parteichef Jaroslaw Kaczynski zielt auf den dritten Wahlsieg in Folge, allerdings holt das Parteienbündnis „Bürger Koalition“ unter Donald Tusk in Umfragen auf. Der ehemalige Premierminister und Vorgänger Webers als EVP-Vorsitzender will die Justizreform auflösen und das Land wieder an Brüssel annähern. 

    Der 66-jährige Danziger wird von der Regierung gefürchtet, denn er ist in der Lage, die Massen zu mobilisieren. Das hat er Anfang Juni bei einem Protestmarsch demonstriert, das zeigt er bei seinen Wahlkampfveranstaltungen und das will er mit einem Marsch von einer „Million Herzen“ am 1. Oktober in Warschau unter Beweis stellen. Nicht von ungefähr schlägt Morawiecki vor, sich mit Weber einen Tag darauf zur deutsch-polnischen Auseinandersetzung im Fernsehstudio zu treffen. 

    Tusk wird von der PiS vorgeworfen, sowohl Moskau wie Berlin zu Diensten zu sein, ein Argument ist die Zusammenarbeit von Tusks „Bürgerplattform“ mit der CDU, da beide Parteien der EVP im Europaparlament angehören. Webers Worte passten somit in die nationalkonservative Erzählung. Viele PiS-Politiker reagierten empört auf die vermeintliche Einmischung aus Deutschland. 

    Das TV-Duell zwischen Weber und Morawiecki wird kaum stattfinden

    Das angestrebte TV-Duell, das wohl kaum stattfinden wird, soll der Wählerschaft in Polen vermitteln, dass Weber der eigentliche Entscheider der Opposition sei und es sich gar nicht lohne, mit Tusk zu reden, sondern gleich mit dessen „Chef“ in Brüssel. In einem rasch gefertigten Video der PiS wurde suggeriert, der Liberale hoffe auf die Unterstützung seiner „fremden Machthaber“. Da schwingt die Unterstellung mit, Deutschland würde via Brüssel seine eigenen Interessen gegen Polen durchsetzen.

    Damit werden viele polnische Ängste aktiviert – deutsche Dominanz, deutsche Belehrung und die Gefahr einer ausländischen Macht, welche in die Geschicke des Landes eingreift, das im 18. Jahrhundert unter Preußen, Russland und Österreich geteilt worden war und erst nach dem Ersten Weltkrieg seine Unabhängigkeit erlangte. 

    Webers Kampfansage in Trachtenjacke kommt somit passend für den PiS-Wahlkampf und könnte das deutsch-polnische Verhältnis weiter belasten - zumal Polen auf Reparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro für Verluste im Zweiten Weltkrieg pocht und mit antideutscher Stimmung Wahlkampf betrieben wird. 

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