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Foto: Nicolas Armer, dpa
Foto: Nicolas Armer, dpa

Alexander Dobrindt (links) und Markus Söder setzen die Grünen in der Debatte um die Atomkraft vehement unter Druck.

Analyse
25.07.2022

Warum sich die CSU so in das Thema Atomkraft verbeißt

Von Michael Stifter

Offiziell will die CSU „ganz unideologisch“ alle Möglichkeiten ausschöpfen, um das Land mit Energie zu versorgen. Hinter dem Kampf um die Kernkraftwerke steckt auch Kalkül.

Wo auch immer Markus Söder, Alexander Dobrindt und andere einflussreiche CSU-Politiker gerade hinkommen, dauert es meist nur ein paar Minuten, bis sie auf das Thema kommen, um das sich in diesen Tagen ihre Welt dreht: die Atomkraft. Genauer gesagt: die Verlängerung der Laufzeit für die verbliebenen deutschen Kernkraftwerke. Die CSU ist dafür, die Bundesregierung – noch – dagegen. Dass sich Söder und seine Truppe derart in das Thema verbissen haben, liegt nicht allein daran, dass sie überzeugt davon sind, man müsse im Kampf gegen die Energiekrise jede Kilowattstunde Strom und jeden Kubikmeter Gas nutzen, den man kriegen kann. Es liegt auch an der Landtagswahl in Bayern.

Landtagswahl in Bayern: CSU will mit Debatte um die Atomkraft die Grünen treffen

Für die CSU ist längst klar, dass sie es im kommenden Jahr vor allem mit den Grünen aufnehmen muss, wenn sie in Bayern erfolgreich sein will. Vorbei sind die Zeiten, in denen Söder kameratauglich Bäume umarmt und für Schwarz-Grün geworben hat. Seinem konservativen Strategen Dobrindt war das alles ohnehin immer fremd gewesen. Nun sind die Grünen also wieder der erklärte Gegner – und da lässt sich das Thema Atomkraft gewinnbringend einsetzen.

Für die Bevölkerung spielt die Angst vor dem Stromausfall eine wichtige Rolle

Zumal in der CSU Umfragen kursieren, nach denen Umwelt und Klimaschutz auf der Liste der Themen, die den Menschen am meisten Sorgen machen, nach hinten gerutscht sind. Angst vor dem Krieg, um den eigenen Wohlstand, um den Job – und eben die Energieversorgung, treiben viele Deutsche momentan mehr um. Auch eine vorübergehende Laufzeitverlängerung der Atommeiler ist für die Mehrheit kein Teufelszeug mehr. Diese Stimmung greifen CSU und CDU auf, wenn sie „ganz unideologisch“ dafür werben, die Kraftwerke nicht abzuschalten.

Die Botschaft hinter dieser Formulierung ist klar: Die Grünen riskieren aus rein ideologischen Motiven, dass wir im Winter in kalten Wohnungen sitzen und Fabriken stillstehen. Dieser Vorwurf mag etwas kurios wirken, wenn man bedenkt, dass die Union mit gleicher Vehemenz gegen ein Tempolimit als Energiesparmaßnahme kämpft – ganz unideologisch natürlich. Aber fest steht: Mit ihrer Atomkraft-Penetranz setzt die CSU die Grünen unter Zugzwang.

Wie sollen die Grünen ihren Wählern die Laufzeitverlängerung erklären?

Zumal nun auch noch das Argument hinzukommt, dass die Bundesregierung ja schlecht die EU-Nachbarn bei drohenden Energieengpässen anpumpen kann, wenn sie gleichzeitig ohne Not eine wichtige Stromquelle vom Netz nimmt. Die CSU-Strategen gehen davon aus, dass die Grünen irgendwann einknicken werden. Doch zumindest bis dahin wollen sie das Thema spielen so gut es geht.

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Denn es macht den Grünen ja nicht nur nach außen und innerhalb der Bundesregierung argumentativ zu schaffen. Es könnte für die Partei, die ihre Wurzeln in der Anti-Atomkraft-Bewegung hat, auch intern zur Belastungsprobe werden. Die friedensbewegte grüne Basis musste schon die Waffenlieferungen an die Ukraine verkraften. Verhilft die eigene Parteispitze nun auch noch der Atomenergie vorerst zum Überleben, dürfte das für hitzige Diskussionen sorgen.

Und wenn die Grünen trotz allem der Laufzeitverlängerung zustimmen? Dann wird ihnen die CSU eher nicht Respekt dafür zollen, dass sie über ihren Schatten gesprungen sind, sondern argumentieren, dass man eine Partei, die ihre eigenen Grundsätze (die hübsche Schwester der Ideologie) so einfach über Bord wirft, ja wohl nicht ernsthaft wählen kann.

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