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Analyse: Warum die AfD jetzt allen Grund hat, nervös zu werden

Analyse

Warum die AfD jetzt allen Grund hat, nervös zu werden

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    Unter Verdacht: Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag.
    Unter Verdacht: Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag. Foto: Kay Nietfeld, dpa (Archivbild)

    Die AfD hatte sich zuletzt immer weniger Mühe gegeben, ihren extremistischen Kern zu verschleiern. Waren verbale Entgleisungen von Politikern oder Mitgliedern der Partei einst als bedauerliche Einzelfälle abgetan worden, setzen heute längst auch die Spitzenleute der AfD offensiv auf Spaltung und Provokation. Insofern mag es auf den ersten Blick verwundern, wenn die Partei nun mit der Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts hadert, die es dem Verfassungsschutz erlaubt, die komplette AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall zu behandeln. Doch die AfD-Führung hat tatsächlich gute Gründe, nervös zu werden.

    Die entscheidende Frage lautet: Ist die AfD eine Gefahr für die Demokratie?

    Im Wesentlichen mussten die Richter die Frage beantworten, ob von der rechtspopulistischen Partei eine Bedrohung für die Demokratie ausgeht. Für Teile der AfD galt dieser Verdacht schon lange. Bereits vor zwei Jahren stellte der Verfassungsschutz den völkischen "Flügel" um den Thüringer Landeschef Björn Höcke, der offiziell als Faschist bezeichnet werden darf, unter Beobachtung.

    Hektisch löste die AfD daraufhin das ebenso radikale wie mächtige Netzwerk am äußersten rechten Rand auf - zumindest auf dem Papier. Doch in Wahrheit ist der Einfluss des Höcke-Lagers immens geblieben. Das bekam auch der frühere Parteichef Jörg Meuthen zu spüren. Er sagte den Extremisten in den eigenen Reihen den Kampf an. Und verlor ihn auf ganzer Linie.

    Welche Rolle der Rücktritt von AfD-Chef Jörg Meuthen spielte

    Im Februar trat er nicht nur als Vorsitzender zurück, sondern gleich aus der AfD aus. Damals konstatierte er, Teile der Partei stünden nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Im Gespräch mit unserer Redaktion sprach er von "totalitären Zügen" innerhalb der AfD, die nicht nur geduldet würden, sondern auch Unterstützung auf Parteitagen fänden. Für den Verfassungsschutz waren Meuthens Scheitern und seine Bilanz weitere Belege dafür, wer in der AfD wirklich den Ton angibt.

    Der langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen trat im Februar zurück und aus der Partei aus.
    Der langjährige AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen trat im Februar zurück und aus der Partei aus. Foto: Hauke-Christian Dittrich, dpa (Archivbild)

    Hinter der Vollbremsung des langjährigen Vorsitzenden, der das Höcke-Lager lange selbst gewähren ließ, steckte neben der Angst vor dem eigenen Machtverlust auch die Sorge, dass im Fahrwasser des "Flügels" die ganze Partei ins Visier der Verfassungsschützer geraten könnte. Nach Meuthens Abgang passiert nun genau das - mit weitreichenden Folgen.

    Künftig soll der Staat ohne richterlichen Beschluss heimlich mithören und mitlesen können, wenn AfD-Leute kommunizieren. Außerdem ist es möglich, dass der Verfassungsschutz Mitglieder anwirbt und dafür bezahlt, dass sie Geheimnisse und Aktivitäten aus dem Inneren der AfD verraten. Solche sogenannten V-Leute gibt es schon jetzt in Neonazi-Gruppierungen oder radikal-islamistischen Netzwerken. Diese Informanten sollen eine Art Frühwarnsystem bilden. Eine wehrhafte Demokratie dürfe nicht warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen sei, erklärte das Kölner Gericht.

    AfD-Abgeordnete im Bundestag dürfen trotzdem nicht bespitzelt werden

    Die AfD-Abgeordneten im Bundestag oder in den Landtagen müssen dennoch nicht befürchten, dass sie künftig von den eigenen Leuten bespitzelt werden. Denn in Parlamenten dürfen grundsätzlich keine V-Leute angeworben werden. Das gilt auch für die direkten Mitarbeiter der Politikerinnen und Politiker.

    Diese strengen Vorgaben sind auch eine Konsequenz aus dem Debakel um die NPD. Deren Verbot war nicht zuletzt daran gescheitert, dass einflussreiche NPD-Funktionäre in Wahrheit reihenweise auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes gestanden hatten. Das wurde im Verbotsverfahren zum Problem, denn niemand konnte garantieren, dass es nicht auch vom Staat eingeschleuste V-Leute waren, die zur Radikalisierung der Partei beigetragen hatten.

    Von einem Verbotsverfahren gegen die AfD ist bislang keine Rede. Doch der Staat will keineswegs die Fehler wiederholen, die im Umgang mit der NPD gemacht worden sind.

    Für die AfD-Spitze ist die neue Rechtslage, sofern sie nicht doch noch von der nächsten Instanz gekippt wird, ein Desaster. Zum einen dürften rechtsextremistische Umtriebe und Skandale in den eigenen Reihen nun noch häufiger ans Tageslicht kommen. Die Partei wird künftig auch im jährlichen Verfassungsschutzbericht ein eigenes Kapitel bekommen. Zum anderen kann es in der AfD, die ohnehin von tiefen Gräben und gegenseitigem Misstrauen durchzogen ist, für massive Verunsicherung sorgen, wenn Politiker, Funktionäre und Mitglieder nie sicher sein können, ob sie sich gerade mit einem Spitzel unterhalten, ob in der Chat-Gruppe oder internen Mails nicht doch der Verfassungsschutz mitliest.

    Künftig steht also jeder in der Partei unter Verdacht - so oder so.

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