1. Der Machtanspruch: Die K-Frage kann nicht gegen die CDU entschieden werden
Armin Laschet hat lange gebraucht, nun hat er endlich seinen Machtanspruch deutlich formuliert. Zu sehr hat er sich in den vergangenen Wochen von CSU-Chef Markus Söder in die Enge treiben lassen. Auch jetzt gibt Söder nicht einfach klein bei, sondern erklärt ebenfalls seine Bereitschaft. Doch die politischen Regeln sprechen für Armin Laschet. Würde er sich nun auch noch die Kanzlerkandidatur vor der Nase wegschnappen lassen, wäre sein Ansehen schwer beschädigt, die CDU könnte sich nach Annegret Kramp-Karrenbauer gleich den nächsten neuen Parteichef suchen. Ein düpierter Vorsitzender der brav Wahlkampf macht für die kleine CSU? Kaum vorstellbar! Die CDU lebt seit Jahrzehnten in dem Bewusstsein, dass sie in der Union das Sagen hat und die CSU eben nur die Schwesterpartei ist. Die Christsozialen dürfen gerne mal einen Minister stellen, aber nach dem Selbstbild der CDU hat es sich damit dann auch. Der Kanzler oder die Kanzlerin wird selbstverständlich von den Christdemokraten gestellt. Ausnahmen wie der CSU-Spitzenkandidat Edmund Stoiber bestätigen diese Regeln nur. Auch deshalb, weil Stoiber 2002 gegen den SPD-Herausforderer Gerhard Schröder unterlag. Söder ist das durchaus bewusst. Nur wenn sich eine Mehrheit der CDU-Landesverbände für Söder aussprechen würde, hätte der Bayer eine Chance. Einzelne Stimmen in diese Richtung gibt es zwar. Doch die Mehrheit der CDU steht derzeit hinter Laschet - auch wenn das Herz einiger sicher für Söder schlägt.
2. Parteivorsitz und Kanzleramt müssen in einer Hand liegen
Wie schwierig es ist, wenn Parteivorsitz und Kanzleramt nicht in einer Hand liegen, hat die Union in den vergangenen Monaten bereits erlebt. Seit Angela Merkel das Amt als CDU-Chefin im Jahr 2018 aufgeben musste, tut sich die Partei merklich schwer. Wer hat das Sagen: Parteichef oder Kanzlerin? Und was, wenn sich beide nicht einig sind? Schon Annegret Kramp-Karrenbauer hatte es schwer, ihre Rolle zu finden. Auch Laschet hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder entscheiden müssen, wie er zu Merkel stand. Kaum vorstellbar, dass die Union diesen Zustand über die Wahl hinaus verlängern will, das passt nicht zum Verständnis der Partei, die die Ding gerne geklärt hat. Die SPD mag sich an Reibereien gewöhnt haben, die Union verabscheut sie. Ihr Mantra war stets: Kanzleramt und Parteivorsitz sind untrennbar. Armin Laschet hat sich in einem zähen Verfahren als CDU-Chef durchgesetzt. Dass er zum Hilfssheriff eines Kanzlers Söders würde, dürfte einigen in der Union wie ein ewiger Albtraum erscheinen.
3. Armin Laschet ist zäh und gut vernetzt
Armin Laschet hat bereits enorme Anstrengungen unternommen, um die erste Etappe auf dem Weg an die absolute Spitze erfolgreich hinter sich zu bringen. Als es um die Nachfolge der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer ging, hatten viele dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten kaum Chancen eingeräumt, neuer Parteichef zu werden. Doch Laschet bewies Machtinstinkt und setzte sich am Ende auch gegen den Hauptkonkurrenten Friedrich Merz durch. Laschet nutzte dabei die Tatsache aus, dass er in viele wichtige Parteigremien auf Bundes- und Landesebene bestens vernetzt ist.
Wer so weit gegangen ist, der macht nicht kurz vor dem Ziel schlapp und steigt aus dem Rennen aus. Laschet will die Krönung. Es ist dieser absolute Wille zur Macht, den Beobachter in Berlin bei Laschet sehen - auch, wenn sein Image das des netten Onkels ist. Und: Laschet weiß aus Erfahrung, wie schnell sich Umfragen drehen können. Als er in Nordrhein-Westfalen gegen die beliebte SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft angetreten war, sprachen alle Zahlen gegen ihn. Im sozialdemokratischen Stammland galt die CDU als chancenlos. Doch Laschet konnte die Stimmung auf den letzten Metern drehen, eroberte das Bundesland für seine Partei.
4. Laschet entspricht dem Politik-Stil Merkels
Es vergeht kaum eine Woche, in der sich CSU-Chef Markus Söder nicht als engster Vertrauter von Kanzlerin Angela Merkel inszeniert. Das liegt sicher daran, dass die beiden tatsächlich einen ähnlichen Blick auf die aktuelle Corona-Pandemie haben. Aber auch daran, dass Merkel nach wie vor die beliebteste Politikerin im Land ist. Seit Söder seinen eigenen Regierungsstil geändert hat, konzilianter, ruhiger geworden ist, steigen auch seine eigenen Umfragewerte.
Doch wahr ist auch: Söder bleibt unberechenbar. Er ist weit weniger pragmatisch als Merkel, kann sich selbst nicht zurücknehmen, will in gutem Licht erscheinen – während Merkel eher im Hintergrund moderiert und dort die Dinge lenkt. Das kann auch Armin Laschet. Der Ministerpräsident aus Nordrhein-Westfalen gilt als unaufgeregter und verlässlicher Politiker, das hat er in all den Jahren in seinem eigenen Bundesland bewiesen. Er geht fair mit seinem Koalitionspartner FDP um, polarisiert nicht, sondern lässt auch anderen Raum zum Wirken. Wie Merkel. Mit ihm könnte die Union daher die Wähler halten, die der Kanzlerin schon jetzt hinterhertrauern.
5. Eine Niederlage ist möglich
Man kann Söder sicher vieles vorwerfen – aber nicht, dass er ein Feigling wäre. Als er vor vier Jahren um die Macht in Bayern kämpfte und Horst Seehofer von der Parteispitze verdrängte, ging er in die Vollen. Er ließ keinen Zweifel, worum es ihm ging, kämpfte so hart, dass es manchen in der eigenen Partei schwummrig wurde. Sein Ruf war angekratzt, doch das störte ihn nicht. Der Unterschied zu heute: Söder wusste damals, dass er gewinnen würde. Zwar gibt es auch jetzt immer wieder Stimmen innerhalb der Union, die ihn anflehen, er solle doch nach Berlin kommen. Doch würde Deutschland am Ende wirklich einen Bayern wählen?
Es sind wohl deshalb nur einzelne Abgeordnete aus der CDU, die ihn stützen, der große Rückhalt fehlt ihm. Klar, er liegt in den Umfragen vorn, aber die sind nur ein Ausschnitt, eine Momentaufnahme. Und für einen Wahlkampf, wie er dem Land in diesem Jahr bevorsteht, braucht Markus Söder volle Rückendeckung. Der Abtritt von Merkel ist so etwas wie ein historischer Einschnitt – noch nie ist eine amtierende Kanzlerin, ein amtierender Kanzler, freiwillig abgetreten. Meist waren es die Wähler, die diesen Schritt erzwungen haben.
Ständig schwelende innerparteiliche Machtkämpfe, die mit einem Kanzlerkandidaten Söder vorhersehbar wären, könnte die Union nicht gebrauchen. Denn klar ist auch: Selbst wenn sie als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgeht, reichen schon kleine Verschiebungen, um eine Koalition gegen CDU/CSU möglich zu machen. Dass ausgerechnet Markus Söder die Union in eine Niederlage führen könnte, dass er als Wegbereiter einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP gelten würde – diese Vorstellung dürfte ihm schwer zusetzen. Und von einer Kandidatur abhalten.
6. Söders Abgang als Ministerpräsident würde die CSU schwächen
In der CSU werden sie nicht müde zu betonen, dass es für die CSU einen unglaublichen Schub bedeuten würde, würde einer der ihren zum Kanzler gewählt. Das mag für eine erste kurze Phase gelten – doch dann muss sich der Nachfolger beziehungsweise die Nachfolgerin von Markus Söder in Bayern beweisen. Wer das sein könnte? Das ist offen. Und zwar aus gutem Grund: Es gibt niemanden, der wirklich bereitsteht. Ilse Aigner, amtierende Landtagspräsidentin, könnte die erste Frau im Amt werden. Ein Zeichen des Aufbruchs.
Doch hat sie wirklich das Zeug dazu, könnte sie sich durchsetzen? Selbst Parteifreunde sagen, dass ihr der letzte Biss für diesen Schritt fehlt. Doch den braucht es. Es waren schließlich Söder und sein Regierungsstil, die der CSU eine Ahnung davon gaben, dass es durchaus realistisch wäre, wieder von der absoluten Mehrheit zu träumen – und sich nicht mehr mit lästigen Koalitionspartnern herumschlagen zu müssen. Aigner ist eher das Gegenteil von Söder. Und: Sie müsste sich im Zweifel sogar gegen ihn stellen. Denn ein Kanzler Söder könnte keineswegs mehr bayerische Interessen über alle anderen stellen – etwas, das zur DNA der CSU gehört. Deshalb dürften viele in der CSU heimlich hoffen, dass Söder in der K-Frage den Kürzeren zieht.
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