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Analyse: Schlittern China und die USA Richtung Abgrund?

Analyse

Schlittern China und die USA Richtung Abgrund?

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    Im vergangenen Jahr kamen US-Präsident Joe Biden (r.) und der chinesische Staatschef Xi Jinping beim G20-Gipfel zusammen.
    Im vergangenen Jahr kamen US-Präsident Joe Biden (r.) und der chinesische Staatschef Xi Jinping beim G20-Gipfel zusammen. Foto: Alex Brandon/AP, dpa

    Wenn Xi Jingping nächste Woche Joe Biden tatsächlich persönlich in Kalifornien trifft, ist das, die Tatsache an sich, ein echter Fortschritt. Inzwischen ist bestätigt, dass die beiden beim Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (Apec) in der Bay Area von San Francisco zusammenkommen. Was am Freitag den Agenturen eine Eilmeldung wert war. Dass Tage zuvor überhaupt die Möglichkeit eines Zusammentreffens zur Nachricht wurde, zeigt, wie manifest die Gegnerschaft zwischen China und den USA inzwischen ist. Ob daraus Feindschaft wird, ein Krieg wegen Taiwan, der vielleicht ein Dritter Weltkrieg würde, wird perspektivisch inzwischen fast ergeben-selbstverständlich diskutiert.

    Gegnerschaft zwischen China und den USA ist unübersehbar

    Das ist ein erhebliches Problem, wie Josef Braml findet. In seinem gerade erschienenen Buch "Die Traumwandler" warnen der USA-Experte und sein Co-Autor: "Es herrscht eine fatalistische Stimmung innerhalb vieler westlicher Eliten, die Angst vor einem bevorstehenden Krieg mit China haben, als ob der Ukraine-Krieg signalisiert hätte, dass wir uns auf einen noch größeren manichäischen Konflikt vorbereiten müssen, über den wir keine Kontrolle haben." Im Gespräch mit unserer Redaktion betont er: "Wir wollen die Wahrnehmung verändern, vor allem die der US-Eliten." 

    Braml hat das Buch mit Mathew Burrows verfasst. Der Amerikaner hat für das State Departement und die CIA gearbeitet und war bis zu seinem Ruhestand für den sogenannten Zukunftsreport verantwortlich, den jeder neue US-Präsident zu Beginn seiner Amtszeit auf seinen Schreibtisch im Oval Office gelegt bekommt. 

    Verschiedene Szenarien: Dazu gehört auch der Dritte Weltkrieg

    Braml, der auch Direktor Europa der Trilateralen Kommission ist – einer Plattform für den Dialog zwischen Amerika,

    Das nächste Szenario ist das aus dieser Bipolarität resultierende, das unbedingt zu vermeidende: Es ist der Krieg zwischen den USA und China, der – so die Schlussfolgerung – wohl einen dritten Weltenbrand entfachen würde. Mit Russland an der Seite Chinas und Europa entweder als "Vasall oder Partner" der USA. Ob er ein solches Szenario für realistisch halte, sagt Braml, sei "drittrangig". Entscheidend sei, wie sich die Gegnerschaft der Amerikaner und Chinesen entwickele. "Die Wahrnehmung alleine schafft Realität", warnt er. Teil dieser problematischen Wahrnehmung ist etwa US-Berater Elbridge Colby, der gerade auch in Europa immer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Früher in Diensten der Trump-Administration wirbt er heute für seine außenpolitische Kernbotschaft. Die lautet in Kurzform: China ist viel gefährlicher als Russland. Die Biden-Regierung müsse sich dazu verhalten. 

    Die USA wollen Truppen schicken, sollte China Taiwan überfallen

    Was indes längst passiert. Der US-Präsident hat angekündigt, Truppen zu schicken, sollte das Reich der Mitte – seiner Ein-China-Politik entsprechend – doch Taiwan überfallen. Ein Signal an China, dass ein Krieg unvermeidlich ist? In Washingtoner Thinktanks werden jedenfalls immer wieder Kriegsspiele durchexerziert – nukleare Optionen und Opferzahlen inklusive. Natürlich fehlt auch in Bramls Buch das berüchtigte Zitat des Vier-Sterne-Generals der US-Luftwaffe, Mike Minihan, nicht, der Anfang des Jahres in einem durchgestochenen Memo schrieb: "Mein Bauchgefühl sagt mir, wir werden 2025 kämpfen." Vielleicht eine Einzelmeinung, nicht repräsentativ, aber dennoch ein Beleg, wie konkret manchem in den USA ein heißer Krieg mit China tatsächlich ist. 

    Braml und Burrows – die das Handeln beider Seiten, nicht nur der USA, kritisch analysieren – werfen auch die interessante Frage auf, ob sich die beiden Riesen ähnlich antagonistisch gegenüberstünden, wenn China nicht nur eine wachsende, ökonomische Supermacht, sondern auch eine tadellose Demokratie wäre. Eine Antwort wäre Spekulation, aber die Frage schärft den Blick für das Wesentliche. 

    Es wird Zeit für China und die USA, endlich wieder zu reden

    Denn man könnte – und damit wäre man bei den Handlungsempfehlungen der beiden – damit anfangen, gern gepflegte, gut funktionierende, zur Entfremdung allerdings erheblich beitragende Narrative der US-Öffentlichkeit klarstellen. Dass sich die amerikanische (und westliche) Mittelschicht als Verlierer der Globalisierung fühlt und China ihr gut bezahlte Arbeitsplätze gestohlen habe, weil westliche Unternehmen ihre Produktionen dorthin verlagerten, weisen die Autoren zum Beispiel zurück. Nur zwei von 150 Millionen verlorenen Arbeitsplätzen seien in den Vereinigten Staaten zwischen 2000 und 2015 auf Outsourcing nach China zurückzuführen. Viel entscheidender seien dagegen technologische Innovationen und die Automatisierung gewesen. Braml sagt, dass in Amerika über Jahre "eine falsche Geschichte erzählt" wurde. Was in der Folge – Stichwort Wahrnehmung verändern – für die US-Eliten bedeutet: "Sich ehrlich machen, die eigenen Schwächen im Land korrigieren, dann muss man draußen keine Monster suchen." Dann könnte einfacher werden, was sie in der Hauptsache raten, damit ein drittes, gutes Szenario gelingen kann: den "Neustart der Globalisierung 2.0". Der Kampf gegen den Klimawandel lässt weniger internationale Zusammenarbeit nicht zu. Es wird nicht ohne die USA und China gehen. 

    Zeit, für Xi Jingping und Biden endlich wieder zu reden. Über Taiwan, den Krieg in der Ukraine und den ganzen Rest.

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