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Analyse: Putins Plan für die Ukraine liegt in Trümmern

Analyse

Putins Plan für die Ukraine liegt in Trümmern

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    Tod und Zerstörung hat der russische Krieg in der Ukraine über das Land gebracht. Ein militärischer Sieg von Putin ist aber nicht in Sicht.
    Tod und Zerstörung hat der russische Krieg in der Ukraine über das Land gebracht. Ein militärischer Sieg von Putin ist aber nicht in Sicht. Foto: Efrem Lukatsky, dpa

    Wladimir Putin hat seine Kriegsziele klar benannt. „Wir werden die Ukraine entmilitarisieren und entnazifizieren“, erklärte der russische Präsident am 24. Februar und befahl seiner Armee den Einmarsch ins Nachbarland. Die propagandistische Wortwahl konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Putins Plan auf einen erzwungenen Regimewechsel abzielte. Denn die Führung in Moskau stuft die Regierenden in Kiew seit der Maidan-Revolution 2014 als „Faschisten“ ein.

    Was Putin mit "Entmilitarisierung und Entnazifizierung" meint

    Entnazifizierung meinte also: Schneller Vorstoß russischer Truppen, Sturz des Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und Einsetzung eines kremltreuen Regimes. Die neuen Machthaber, so die Idee, würden dann die angekündigte Demilitarisierung umsetzen und alle ukrainischen Ambitionen für einen Beitritt zu Nato und EU stoppen. Sogar Namen möglicher Statthalter kursierten bei Kriegsbeginn. Als wahrscheinlichstes Szenario galt eine Wiedereinsetzung des 2014 nach Russland geflohenen Präsidenten Viktor Janukowitsch. Das hätte dem Kreml die Argumentation erlaubt, man mache den „Putsch auf dem Maidan“ rückgängig. Von einem Staatsstreich spricht Putin seit 2014.

    Dass in Kiew gerade keine „Junta“ die Macht ergriff, sondern die Ukrainer in freier Wahl einen neuen Präsidenten bestimmten, ignorierte er. Doch nach drei Wochen Krieg hat das russische Militär die Strategie eines Regimewechsels faktisch unter den Trümmern ukrainischer Städte und Dörfer begraben. Denn die Einsetzung moskautreuer Machthaber hätte ein Mindestmaß an Unterstützung in den Eliten und der Bevölkerung vorausgesetzt. Beides ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: In einem Land unter massivem Beschuss, in dem täglich Zivilisten sterben und aus dem Millionen Menschen fliehen, wachsen Wut, Widerstand und offene Feindschaft.

    Die Ukraine verwandelt sich gerade in ein "Anti-Russland"

    Das zeigte sich zuletzt nach dem Anti-Kriegsprotest der Moskauer TV-Journalistin Marina Owsjannikowa. In der Ukraine stieß die Aktion auf ein geteiltes Echo. Neben Bewunderung für den Mut der 43-Jährigen äußerten viele Nutzer in sozialen Netzwerken auch unversöhnliche Kritik. „Sie will ihre Hände reinwaschen“, schrieb ein ukrainischer Twitter-User mit Namen Borys und kündigte an: „Wir werden nichts vergeben und nichts vergessen. Unsere Völker werden niemals wieder Brüder.“ Und damit war Borys keineswegs allein.

    Immer deutlicher wird, dass das, was Putin angeblich verhindern wollte, nun erst recht Wirklichkeit zu werden droht: Die Ukraine verwandelt sich in ein „Anti-Russland“. Nicht, weil der Westen das Land auf Linie bringen würde, sondern wegen des zerstörerischen Angriffskrieges der russischen Armee. Unter diesen Voraussetzungen hat sich offensichtlich „die Idee einer moskautreuen Marionettenregierung in Kiew erledigt“, wie der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger schon nach der ersten Kriegswoche urteilte. Zumal die militärstrategische Lage zu Beginn der vierten Kriegswoche für den Kreml mindestens aber ernüchternd ist.

    Von einem „Fehlschlag“ der russischen Offensive spricht Oberst a. D. Wolfgang Richter, Militär- und Osteuropaexperte der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): „Die Geländegewinne sind relativ bescheiden. Das strategische Ziel, Kiew in einem Handstreich einzunehmen und einen Regimewechsel herbeizuführen, ist am Anfang bereits gescheitert.“ Nun führe die russische Armee, teils sogar aus dem Fernen Osten, die letzten Reserven heran, um in der Ukraine womöglich doch noch einen militärischen Sieg zu erzwingen. „Die nächsten zehn Tage sind entscheidend“, prophezeit Richter.

    Könnte es in der Ukraine zur russischen Besatzung kommen?

    Doch was wäre überhaupt noch als „Sieg“ für Putin zu werten? Eine Besetzung der Ukraine hat er von Anfang an ausgeschlossen. In einer Videoschalte wiederholte Putin am Mittwoch: „Dieses Ziel haben wir nicht.“ Zweifel an solchen Erklärungen sind nach Putins Kehrtwenden und offenen Lügen der vergangenen Wochen zwar erlaubt. Allerdings spricht auch die Entwicklung in der Ukraine klar gegen die Perspektive einer Besatzung. Denn was Moskaus Statthaltern bevorstehen würde, zeigt sich in Cherson.

    Die Metropole an der Dnepr-Mündung ist bislang die einzige große Stadt des Landes, die russische Truppen unter Kontrolle bringen konnten. Von Beginn der Besatzung an protestieren aber fast täglich Tausende gegen die fremden Soldaten. „Geht nach Hause“ ist auf Plakaten zu lesen und: „Cherson bleibt ukrainisch“. Schon vor Kriegsbeginn hatten Militärexperten wie Richter für den Fall einer Besetzung vor einem jahrelangen Partisanenkampf gewarnt. Nimmt man all das zusammen und fügt die dramatischen Wirkungen der westlichen Sanktionen auf die russische Wirtschaft hinzu, spricht derzeit viel für eine Verhandlungslösung.

    Osteuropaexperte: Der Druck auf Putin steigt

    Präsident Selenskyj schließt eine Neutralität der Ukraine nicht mehr aus. Doch die Moskauer „Minimalforderungen“ nach einer Anerkennung der Krim-Annexion und der Unabhängigkeit der „Volksrepubliken“ im Donbass sind für Kiew inakzeptabel. Und dann ist da noch die Idee einer Demilitarisierung. Selenskyj lehnt das rundheraus ab. Er verlangt stattdessen Sicherheitsgarantien, die einen erneuten russischen Angriff ausschließen müssten. Dafür könnten nur die USA oder die Nato einstehen. In dieser Situation ist ein Abkommen, das in Moskau nicht als Niederlage gewertet würde, nicht vorstellbar. „Der Druck auf Putin steigt“, sagt SWP-Experte Richter. Inzwischen ist daher sogar denkbar geworden, dass es nicht in Kiew zu einem Regimewechsel kommt, sondern in Moskau.

    Alle Informationen zur Eskalation erfahren Sie jederzeit in unserem Live-Blog zum Krieg in der Ukraine.

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