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Analyse: Putins Jein: Warum es gerade so gut läuft für den Kreml

Analyse

Putins Jein: Warum es gerade so gut läuft für den Kreml

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    Der russische Präsident Wladimir Putin in Begleitung des russischen Generalstabschefs Waleri Gerassimow bei einem Besuch im Militärhauptquartier in der Region Kursk.
    Der russische Präsident Wladimir Putin in Begleitung des russischen Generalstabschefs Waleri Gerassimow bei einem Besuch im Militärhauptquartier in der Region Kursk. Foto: Russian Presidential Press Service, dpa

    „Wo ist dein Anzug?“, musste sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Washington fragen lassen, bevor das Gespräch mit seinem amerikanischen Amtskollegen Donald Trump im Oval Office vollends eskalierte. Selenskyj verzichtet auf Anzüge, seit Russlands Präsident Wladimir Putin am 24. Februar 2022 seinen verheerenden Marschbefehl zur „militärischen Spezialoperation“ gegen die Ukraine gab. Die SWO, wie die russische Abkürzung für Russlands Krieg gegen das Nachbarland bis heute lautet, ist zum Sinn des Lebens und des Überlebens des russischen Regimes geworden.

    Und siehe da, auch Putin legt seinen Anzug plötzlich ab und zeigt sich in Camouflage. Ein Statement, so kurz, nachdem die USA und die Ukraine bei den Gesprächen in Dschidda in Saudi-Arabien verkündet hatten, sie hätten sich auf eine 30-tägige Waffenruhe entlang der gesamten Frontlinie geeinigt. Nur: Wo genau verläuft diese Linie? Wer schützt sie? Unklar.

    Der Tarnfleck von Putin übermittelt eine Botschaft

    „Wir sind im Krieg“, zeigt Putin durch seine Kleiderwahl. Wenn er sich früher über die Karten seiner Militärs beugte, wenn er die Sitzungen im Generalstab leitete, wenn er seinen Soldatenhelden die Hände schüttelte und die Mütter dieser Soldatenhelden umarmte, trug er stets Anzug. Er spielte den Staatsmann und ließ seine Propagandisten sich über Selenskyj im „olivfarbenen Leibchen“ lustig machen. Nun wählt er selbst Uniform, während die Welt fast schon schnappatmungsartig auf die „brisanten“ Nachrichten aus Moskau wartet. Wird er nun zusagen? Bedingungen stellen? Kann er es sich leisten, die Amerikaner zu verprellen?

    „Atmet aus“, scheint Putin zu rufen, während er von seinen Generälen durch die Gänge des Kommandopostens der Kursker Gruppierung läuft und sich vom russischen Staatsfernsehen filmen lässt. Da ist er zum ersten Mal in dieser Region, seit die Ukrainer Teile des russischen Territoriums besetzt halten. Auch das ist ein klares Zeichen in Zeiten der russischen Rückeroberung bei Kursk. Moskau sieht sich nun endlich in der Position der Stärke, sieht sich auf dem Weg zum Sieg. Gerade jetzt wird es nicht klein beigeben und sich auf Vereinbarungen einlassen.

    Ein völkerrechtswidriger Krieg als Friedensmission

    Erst jüngst hatte Putin ausgeführt, Russland hätten nur wenige Monate bis zum Sieg im Ersten Weltkrieg gefehlt. Das mag nur einer der Putin'schen Träume gewesen sein, die er als Wahrheit zu verkaufen weiß. Viel wichtiger ist die Botschaft: „Wir müssen durchhalten bis zum Sieg, wir dürfen nicht die Fehler von früher wiederholen.“ Und er wird durchhalten. Ganz Russland wird durchhalten, weil das Regime Putin alles unter seine Kontrolle gebracht hat. „Den Sieg lassen wir uns nicht klauen“, schreien die Propagandisten. Aus dem Kreml klingt das diplomatischer, aber nicht weniger demonstrativ. „Man sollte nichts überstürzen“, hatte der Kremlsprecher Dmitri Peskow gesagt. Einen Tag später wählte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow nahezu dieselben Worte und meinte, „überstürzte Handlungen“ seien „nicht förderlich für einen langfristigen Frieden“. Und schließlich äußerte sich Putin selbst, zurück in der Hauptstadt und wieder im Anzug: Natürlich sei eine Waffenruhe eine „gute Idee, aber“: Moskau brauche keinen kurzfristigen Waffenstillstand, Moskau brauche einen langfristigen Frieden. Es ist eine abermalige Wiederholung des Altbekannten, die Putin mittels des US-Sondergesandten Steve Witkoff abermals nach Washington mitgegeben hat. Für Donald Trump scheint das zu reichen.

    Moskau ist geübt darin, Worten neue Bedeutungen zu verleihen. Es dreht so lange an der Realität herum, bis eine neue Realität entstanden ist und keiner mehr weiß, was nun die Wirklichkeit ist. Fakten spielen da keine Rolle, nur Thesen und Theorien. Und die These, die Russland – mit großem Erfolg, auch im Westen – seit Jahren bespielt: Die Ukraine sei von Faschisten besetzt, deshalb müsse Russland das Land entnazifizieren und demilitarisieren. Es wolle schließlich nur Frieden und gute Beziehungen zu allen.

    Bekommt Russland, was es verlangt?

    Dass unter „Entnazifizierung“ die völlige Demontage der Führung in Kiew bedeutet und eine durchgängige Kontrolle durch Russland, dass unter „Frieden“ Bedingungen fallen, die eine Kapitulation der Ukraine und eine komplett neue Sicherheitsarchitektur in Europa verlangen, wonach Russland, die USA und China die Welt in Einflusssphären unterteilen, wird dabei nicht mehr erwähnt. Zurück bleibt nur „Frieden“. So können sich die Moskauer Imperialisten als Friedensengel inszenieren. Denn wir erinnern uns: Russland sei ja schließlich an einem „langfristigen Frieden“ interessiert. „Langfristig“ meint eine Ukraine unter russischer Kontrolle.

    Putins Worte in Moskau sind ein „Jein“ , eine aufgeschobene Zustimmung Russlands, bis das verbrecherische Regime das bekommt, was es verlangt. Und das womöglich serviert von den USA, der einst wichtigsten Demokratie der Welt. 

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