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Analyse: Nach dem Attentat: Kann ausgerechnet Donald Trump zum Versöhner werden?

Analyse

Nach dem Attentat: Kann ausgerechnet Donald Trump zum Versöhner werden?

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    Der ehemalige US-Präsident Donald Trump nach dem Attentat auf einer Wahlkampfveranstaltung. Jetzt hat der 78-Jährige angekündigt, sich für die Überwindung der Spaltung des Landes einzusetzen.
    Der ehemalige US-Präsident Donald Trump nach dem Attentat auf einer Wahlkampfveranstaltung. Jetzt hat der 78-Jährige angekündigt, sich für die Überwindung der Spaltung des Landes einzusetzen. Foto: Gene J. Puskar, AP/dpa

    Donald Trump benötigt nur wenige Momente für eine Reaktion, die sagen sollte, „ihr werdet mich nicht kleinkriegen“. Sekunden nachdem ein Projektil aus der automatischen Waffe eines 20-Jährigen beinahe seinem Leben ein Ende bereitet hätte, reckt der 78-Jährige seine Faust in den blauen Himmel von Pennsylvania. Damit dürfte er auch viele seiner Gegner beeindruckt haben.

    Der leicht verletzte Trump stellte schnell klar, dass er planmäßig am auf ihn zugeschnittenen Nominierungsparteitag der Republikaner in Milwaukee teilnehmen werde. Bereits am Sonntag reiste er an, voraussichtlich am Donnerstag wird er zu den Delegierten sprechen.

    Trump beteuert, das Land nun einen zu wollen

    Doch an diesem Punkt gerieten Gewissheiten ins Wanken – denn nach allem, was bekannt ist, wird es die von vielen erwartete zornige politische Abrechnung des Ex-Präsidenten mit Gegnern aller Couleur nicht geben: Er habe seine ursprünglich geplante, „angriffslustige“ Rede für den Parteitag der Republikaner verworfen, sagte Trump in einem Interview mit dem Boulevardblatt New York Post. „Ich hatte eine extrem harte Rede, komplett vorbereitet, wirklich gut, alles über die korrupte, schreckliche Regierung. Aber ich habe sie weggeschmissen.“ Er wolle versuchen, das Land zu einen, wisse aber nicht, ob das möglich sei. „Die Menschen sind sehr gespalten“, fügte er hinzu. „Durch Glück oder durch Gott – und viele Leute sagen, es war Gottes Werk – bin ich noch hier.“ Erschütterung spricht aus drei knappen Sätzen, die er an sich selbst zu richten scheint: „Ich sollte nicht hier sein. Ich sollte tot sein. Ich sollte tot sein.“

    Für Erstaunen und Mutmaßungen sorgte das Bekenntnis Trumps, dass die Meinungsunterschiede in politischen Kernfragen zwar weiter bestünden, er sich aber im Wahlkampf mäßigen und Gräben überwinden wolle. US-Präsident Joe Biden hatte am Sonntagabend (Ortszeit) in einer Rede zur Lage der Nation vor politisch motivierter Gewalt gewarnt und gefordert, das hitzige politische Klima abzukühlen. „Wir sind keine Feinde“, sagte er.

    Der Ex-Präsident bedankte sich für einen Anruf von Joe Biden

    Trump wiederum bedankte sich in dem Gespräch mit der New York Post ausdrücklich für den Anruf des Amtsinhabers nach dem Attentat. Biden sei „sehr nett“ gewesen, wird er weiter zitiert. Das klang ganz anders, als die wütende Reaktion einiger Republikaner, die die Demokraten und den Präsidenten persönlich bezichtigt hatten, aufgrund ihrer harschen Rhetorik eine Mitschuld an dem Anschlag zu tragen.

    Verkehrte Welt? Sind die neuen Töne des Donald Trump Ausdruck der Taktik eines Mannes, der weiß, wie die Show läuft? Oder bezeugen sie ehrliche Einsicht, dass es angesichts dieser Eskalation höchste Zeit ist umzukehren? Ist tatsächlich denkbar, dass das um Haaresbreite gescheiterte Attentat auf das Leben des Ex-Präsidenten zu einem echten Umdenken geführt hat? Dass Trump nun nicht mehr als Spalter, als Zerstörer demokratischer Grundregeln wahrgenommen werden will, sondern als ein Politiker, der versucht, ein Land, das sich unaufhaltsam auseinanderzuentwickeln scheint, wieder zusammenzuführen.

    Ist Donald Trump tatsächlich ein neuer Mensch?

    Das allerdings klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Denn sollte der Ex-Präsident tatsächlich als neuer Mensch aus diesem potenziell traumatisierenden Erlebnis hervorgegangen sein, dann wäre Donald Trump ab sofort nicht mehr der Donald Trump. Ein Politiker, der immer wieder Hass und Hetze aufgenommen, instrumentalisiert, aber auch selbst zelebriert hat.

    Wahrscheinlicher ist, dass Trump instinktsicher erkannt hat, dass es für seine Kampagne weit Erfolg versprechender ist, in diesem Augenblick darauf zu verzichten, in gewohnter Manier rhetorisch um sich zu schlagen. Schließlich kann er sich nach dem Mordversuch und seiner unmittelbaren Reaktion darauf, der Unterstützung seiner überzeugten Anhänger sicherer denn je sein. Sie, die es lieben, wenn ihr Idol wie ein Berserker austeilt, werden ihm zumindest zwischenzeitlich leisere Töne verzeihen. Das Kalkül Trumps und seiner Berater könnte nun darauf gerichtet sein, den Anschlag zu nutzen, um auch gemäßigtere Wähler zu überzeugen.

    Die Frage ist nur, ob Trump in der Lage ist, sich über einen längeren Zeitraum an eine solche Marschroute zu halten. Und ob es seine Fans verstehen würden, wenn er künftig auf den großen Wahlkampfveranstaltungen plötzlich den Staatsmann gibt, bereit, seinem angeschlagenen Land zu dienen. Sein Auftritt in Milwaukee wird jetzt mit Spannung erwartet. Auf die Antwort darauf, ob das Wunder Wahrheit wird, ob es wirklich einen neuen Donald Trump gibt, wird man allerdings noch warten müssen – es wird sie geben, wenn der Alltag zurückgekehrt ist.

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