Reine Zeitverschwendung. Dieses Fazit zog Mario Draghi kürzlich nach einem Telefonat mit Wladimir Putin. Es sei schlicht „sinnlos“, mit dem russischen Präsidenten über diplomatische Lösungen für den Krieg in der Ukraine zu sprechen, urteilte der italienische Premier.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres will es trotzdem noch einmal versuchen. Er reist am Dienstag sogar nach Moskau, um Putin persönlich zu treffen. Es gehört allerdings wenig prophetische Gabe dazu, ein Scheitern auch dieser Mission vorherzusagen.
Putin will keinen Frieden. Zwei Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges kann es daran keinerlei Zweifel mehr geben. Der Kremlchef hat sich für Gewalt statt Diplomatie entschieden. Für die Tötung von Kindern, Schwangeren und Alten. Für Hinrichtungen und Vergewaltigungen, für Massenmord und die Vernichtung eines ganzen Volkes. Lug und Betrug gehören dabei zum Programm. Nein, mit diesem Mann nach einer Lösung suchen zu wollen, die auch nur ansatzweise das Attribut „friedlich“ verdient, ist tatsächlich vollkommen sinnlos.
Russlands Krieg in der Ukraine: Entscheidung fällt auf Schlachtfeldern
Es mag ja sein, dass es zum realpolitischen Geschäft gehört, trotz allem immer weiterzureden. Um sich hinterher nicht vorwerfen lassen zu müssen, man habe nicht alles versucht. Aber niemand sollte sich etwas vormachen. Die Entscheidung in diesem Krieg fällt auf den Schlachtfeldern in der Ostukraine.
Es ist zugleich die Entscheidung über die Zukunft Europas. Gelingt es nicht, die russische Militärmaschine zu stoppen, deren Schmieröl die aggressive imperiale Gier ist, dann wird Putin immer weiter vorandrängen. Genau das hat er im Dezember angekündigt, als er ultimativ einen Rückzug der Nato aus dem östlichen Mitteleuropa forderte. Bis hinter Oder und Neiße.
Umso bitterer ist es, dass sich vor allem die deutsche Bundesregierung hinter den ewig gleichen Floskeln verschanzt. „Es gibt keine militärische Lösung“ ist eine ebenso unsinnige Behauptung wie: „Die Ukraine kann diesen Krieg nicht gewinnen.“
Wenn es gelingt, die russischen Truppen auf die Stellungen vor dem 24. Februar zurückzudrängen, dann wäre das nicht nur eine militärische Lösung. Es wäre vor allem eine fundamentale Niederlage für Putin – und damit ein Sieg für die Ukraine. Sie hätte diesen Krieg dann zugleich für den Westen gewonnen. Für Deutschland, Europa und die freie Welt.
Keine Frage: Der Preis ist unermesslich hoch. Tod, Zerstörung, unsagbares menschliches Leid. Aber eine Niederlage gegen die russischen Aggressoren würde nichts besser, sondern alles nur schlimmer machen. Deshalb verdient die Ukraine jede Unterstützung.
Und auch in diesem Punkt zeichnet sich Deutschland durch beschämende Mutlosigkeit aus. Das Wort von der „Zeitenwende“ ist längst zur Leerformel verkommen. Schlimmer noch: Wenn Bundeskanzler Olaf Scholz die Gefahr eines Atomkriegs beschwört, um seine Zurückhaltung bei Waffenlieferungen zu begründen, dann macht er sich auf fatale Weise Putins Strategie der Angst zu eigen. Denn nukleare Drohgebärden gehören vom ersten Kriegstag an zum Kalkül des Kremls.
Nicht alle im Westen sind so kleinmütig wie Deutschland
Die gute Nachricht dieser Frühlingstage lautet, dass nicht alle im Westen so kleinmütig sind wie die Deutschen. Vor allem die tapferen Menschen in der Ukraine nicht. Und deshalb ist für Putin derzeit kein militärischer Erfolg in Sicht, mit dem er am 9. Mai in Moskau auftrumpfen könnte.
Am „Tag des Sieges“, der an die Kapitulation Deutschlands im Zweiten Weltkrieg erinnert, wird der Kreml zwar irgendeinen Triumph in der Ukraine verkünden – und sei er komplett ausgedacht. Aber die Wirkung von Propagandaparolen auf den wahren Kriegsverlauf ist ähnlich überschaubar wie der Effekt von Gesprächen mit Putin.