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Analyse: Machtkampf in Venezuela: Warum das Land nicht aus der Sackgasse kommt

Analyse

Machtkampf in Venezuela: Warum das Land nicht aus der Sackgasse kommt

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    Zahlreiche Menschen zeigen den Oppositionsführern Maria Corina Machado und Edmundo González, die sich auf einem Wagen der Menge präsentieren, ihre Unterstützung.
    Zahlreiche Menschen zeigen den Oppositionsführern Maria Corina Machado und Edmundo González, die sich auf einem Wagen der Menge präsentieren, ihre Unterstützung. Foto: Matias Delacroix, AP, dpa

    Auf einen Wahlkampf, der von Chancengleichheit Lichtjahre entfernt war, folgte eine Auszählung der Stimmen, die von maximaler Intransparenz geprägt ist. Die Indizien dafür, dass ein „Sieg“ des Nicolás Maduro bei den Präsidentschaftswahlen vom Wochenende nur durch massiven Betrug herbeimanipuliert wurde, verdichten sich seit Tagen.

    Jetzt scheinen alle Befürchtungen Realität zu werden. Auch die Opposition um ihren Präsidentschaftskandidaten Edmundo González und die willkürlich von der Wahlbehörde von den Wahlen ausgeschlossene Maduro-Gegnerin Maria Corina Machado reklamieren den Wahlsieg für sich. Ihre Anhänger sind mobilisiert. Bereits mehrere Menschen sind bei Zusammenstößen auf der Straße getötet worden. Das Regime ließ Hunderte Gegner verhaften, um ein Klima der Angst zu schaffen. Befürchtet wird, dass auch González und Machado im Gefängnis landen könnten. Gleichzeitig gibt es Hinweise darauf, dass es in der Opposition, die sich vor der Wahl zusammengerauft hatte, Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, mit welcher Intensität der Protest geführt werden soll.

    Unvergessen ist das Blutvergießen von 2018/19

    Unabhängige Beobachter der aufgeheizten Lage in Venezuela sind zwar für unsere Redaktion erreichbar, sie wollen jedoch nicht namentlich genannt werden, um ihre Arbeit nicht zu gefährden. Unvergessen ist das Blutvergießen nach der ebenfalls alles andere als fairen Wahl im Mai 2018. Maduro ließ sich damals als Sieger ausrufen, währen Herausforderer Juan Guaidó sich selbst zum Interimspräsident ernannte und nach Monaten mit Massenprotesten und Ausschreitungen schließlich im Machtkampf unterlag.

    Die neuerliche Erzählung der Regierung, dass eine Mehrheit ausgerechnet den Mann im Amt bestätigt hat, der für den bespiellosen wirtschaftlichen und politischen Niedergang des Landes maßgeblich verantwortlich ist, erscheint kaum glaubwürdig.

    Ohne Unterstützung von innen und außen könnte sich Maduro nicht halten

    Doch ohne Unterstützung im Inneren und von außen könnte sich auch ein gerissener Taktiker der Macht wie Maduro nicht halten. Der Loyalität der hohen Militärs kann er sich vorerst sicher sein, sie ist mit viel Geld und Unternehmensbeteiligungen erkauft. Auch die im öffentlichen Sektor beschäftigten Angestellten und die einfachen Soldaten werden traditionell durch einen verbilligten Zugang zu knappen Lebensmitteln und weiteren Annehmlichkeiten an die Machthaber gebunden. Doch auch in diesen Gruppen beobachten Kenner des Landes eine bröckelnde Unterstützung für die Regierung.

    Dass es nicht längst einen politischen Neuanfang gegeben hat, liegt auch an den Freunden Maduros im Ausland. Wirtschaftlich und politisch stehen insbesondere der Iran, China und Russland an der Seite des Präsidenten – vereint in der Gegnerschaft zu Washington und in dem Interesse an den gigantischen Ölreserven des Landes. Auch die Türkei macht Geschäfte mit Venezuela.

    Der Deal zwischen Washington und Caracas droht zu platzen

    Die Schlüsselrolle kommt jedoch nach wie vor den USA zu. Außenminister Antony Blinken hat bereits „ernsthafte Zweifel“ daran geäußert, dass das offizielle Ergebnis „den Willen des venezolanischen Volkes widerspiegelt“. Das ist keine gute Nachricht für Maduro, denn Washington hatte Caracas zugesichert, dass die USA die harten Sanktionen überdenken würden, wenn die Wahl sauber abläuft. Doch danach sieht es nicht aus – auch wenn Blinken dem Regime zu Wochenbeginn noch die Chance einräumte, seinen Kurs zu korrigieren und sich an die Absprachen zu halten. Dazu müssten Wahlbeobachter der Opposition vollen Einblick auf die abgegebenen Stimmen erhalten. Das aber könnte bedeuten, dass die Regierung die Niederlage eingestehen müsste.

    Offensichtlich ist, dass die US-Regierung bemüht ist, eine Eskalation wie nach den Wahlen 2018 zu vermeiden. Seit Maduro vor elf Jahren als Nachfolger des Langzeitpräsidenten Hugo Chávez ins Amt kam, haben rund sieben Millionen Menschen ihre Heimat verlassen – viele in Richtung USA. Eine erneute Fluchtbewegung könnte sich negativ auf den Wahlkampf der wahrscheinlichen Kandidatin der Demokraten für das Präsidentenamt, Kamala Harris, auswirken.

    Die Sorge vor einer Flüchtlingswelle könnte die Kompromissbereitschaft der USA erhöhen

    Ein Umstand, der die Kompromissbereitschaft der USA erhöhen könnte. Zumal bisher alle Versuche westlicher Staaten, den Linkspopulisten in Caracas mit harten Sanktionen aus dem Amt zu drängen, letztlich keinen Erfolg brachten. Vielmehr wurde die in erster Linie durch die Inkompetenz der Regierung verursachte Not der Bevölkerung weiter verstärkt. International diskutiert wird, Maduro und seinem Gefolge Straffreiheit und freies Geleit ins Ausland zu gewähren, wenn er auf die Macht verzichtet. Doch dazu müsste Nicolás Maduro weit stärker unter Druck geraten als bisher.

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