Aufbruchstimmung ist für Parteien eine gute Sache. Insbesondere, wenn sie gerade nicht vom Fleck kommen oder sogar in der Gunst der Wähler verlieren. Aufbruchstimmung hängt oft mit dem Spitzenpersonal zusammen. Das ist auch CDU-Chef Friedrich Merz klar. Mitte letzter Woche präsentierte er einen neuen Generalsekretär: Carsten Linnemann löst den glücklosen Berliner Mario Czaja auf diesem zentralen Posten ab.
Tatsächlich gab es für die Berufung des Wirtschaftsliberalen, der dem konservativen Flügel zugerechnet wird, viel Zustimmung in der Union. Das ist die innere Sicht. Nach außen ist ein Befreiungsschlag für die CDU und ihren Vorsitzenden nicht in Sicht. Von der Dauerkrise der Ampelkoalition müsste die mit Abstand stärkste Oppositionspartei eigentlich profitieren. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die aktuelle Analyse des Meinungsforschungsinstituts Forsa weist ernüchternde Zahlen aus. Wären am Sonntag Bundestagswahlen, käme die Union danach nur noch auf 26 Prozent, die AfD erreicht erstmals 20 Prozent.
Forsa-Geschäftsführer ist skeptisch, ob es mit Linnemann gelingt, Wählergruppen zurückzugewinnen
Forsa-Geschäftsführer Peter Matuschek äußert sich im Gespräch mit unserer Redaktion skeptisch, ob Linnemann eine durchgreifende Trendwende einleiten kann: "Es ist natürlich noch zu früh, seine Arbeit zu beurteilen. Das Spektrum der CDU dürfte sich mit ihm aber kaum verbreitern. Der neue Generalsekretär steht bislang für ähnliche Positionen wie Merz, etwa für eine härtere Gangart bei der inneren Sicherheit, für eine restriktivere Migrationspolitik und für ,Merkel ist an allem schuld'". Dabei brauche die CDU neben Merz jemanden, der die Wählergruppen wieder an die Union binden könnte, die Merkel noch mit Mühe gehalten habe. Matuschek denkt dabei vor allem an Frauen, Jüngere und viele Wähler aus der politischen Mitte.
Auch für Merz persönlich sind die Forsa-Daten niederschmetternd – und das, obwohl die Werte für den Kanzler einen Tiefstand erreicht haben: Mit der Arbeit von Olaf Scholz (SPD) sind nur noch 34 Prozent der Befragten zufrieden, in dieser Kategorie kommt Oppositionsführer Merz allerdings auf noch schwächere 26 Prozent. Scholz kann sich damit trösten, dass wenigstens eine klare Mehrheit der SPD-Anhänger (76 Prozent) seine Arbeit goutiert. Nicht so Merz: Mit 46 Prozent beurteilt noch nicht einmal die Hälfte der erklärten Unterstützer der Union die Arbeit des Parteichefs positiv. Alles andere als Rückenwind für eine mögliche Kanzlerkandidatur des Sauerländers – eher für mögliche Ambitionen potenzieller Konkurrenten wie den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst.
Besorgniserregend dürfte für den 67-Jährigen sein, dass es ihm partout nicht gelingt, aus der Image-Ecke, in der er seit seiner ersten Amtszeit als Fraktionsvorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag von 2000 bis 2002 steht, herauszukommen. Nach wie vor weist die Forsa-Analyse für Merz eine geringe politische Attraktivität bei Frauen aus – nur 16 Prozent der Wählerinnen würde sich für ihn als Kanzler entscheiden. Bei jüngeren Wahlberechtigten sind es zwölf Prozent.
Längst wird in der Union diskutiert, warum es in erster Linie der AfD und eben nicht der Union gelingt, aus der Schwäche der Ampel Kapital zu schlagen. "Ob die AfD noch mehr Potenzial hat, ist derzeit offen. Eine neue Qualität ist jedenfalls, dass im Moment auch Wähler anderer Parteien – auch der Ampel-Parteien – der AfD ihre Stimme geben würden. Diese Wähler kommen nicht aus dem klassisch rechtsradikalen Milieu", sagt Matuschek.
Aufbruchstimmung kann man nicht beliebig oft auf Knopfdruck erzeugen
Sollte der Personalschachzug Linnemann die Position von Friedrich Merz mittelfristig nicht spürbar verbessern, könnte es eng werden für den Parteichef. Denn der Versuch, Aufbruchstimmung zu erzeugen, kann im Wiederholungsfall schnell verkrampft oder gar verzweifelt wirken.