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Analyse: Wieder demonstriert Moskau seine Stärke

Analyse

Wieder demonstriert Moskau seine Stärke

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    Ankunft in Kasachstan: Russische Soldaten verlassen einen Militärtransporter. Der Flughafen der Millionenstadt Almaty soll bereits von Truppen aus Russland kontrolliert werden.
    Ankunft in Kasachstan: Russische Soldaten verlassen einen Militärtransporter. Der Flughafen der Millionenstadt Almaty soll bereits von Truppen aus Russland kontrolliert werden. Foto: RU-RTR Russian Television/AP/dpa

    Immer schriller werden die Meldungen aus Kasachstan: Jetzt gilt ganz offiziell der Schießbefehl für Sicherheitskräfte auf Demonstranten, und zwar ohne Vorwarnung. Dies erklärte der Präsident der autoritär geführten Republik Kasachstan, Kassym-Jomart Tokajew, am Freitag. Bereits ohne einen solchen Freibrief hatte es Tote auf beiden Seiten und tausende von Verhaftungen gegeben. Vor allem in der Millionenmetropole Almaty im Südosten des zentralasiatischen Landes ist die Lage äußerst angespannt und unübersichtlich. Während Soldaten gezielt in die Menge feuerten, hatten sich bewaffnete Regimegegner im Gebäude eines Fernsehsenders verschanzt. Russische Soldaten sollen den Flughafen in Almaty kontrollieren. Präsident Tokajew hatte Moskau und weitere Verbündete der Regierung um militärische Hilfe gebeten.

    Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew hat einen Schießbefehl ohne Vorwarnung angeordnet.
    Der kasachische Präsident Kassym-Schomart Tokajew hat einen Schießbefehl ohne Vorwarnung angeordnet. Foto: dpa

    Für Russland ist dieser Einsatz heikel. Kommentatoren bezeichnen den Aufstand in Kasachstan als „Smuta“. So wird eigentlich die Zeit der Wirren im Russland des 16. Jahrhunderts genannt. Die Verantwortlichen für die „Smuta“ im Nachbarland stehen für die staatlichen Medien bereits fest: Es sind die USA, die schließlich die meisten ausländischen Nichtregierungsorganisationen finanzieren würden.

    Die Probleme in Kasachstan sind allerdings hausgemacht. Was mit den Rufen „Gas jelu!“ („Gas für 50 Tenge!“) wegen plötzlich verdoppelter Flüssiggaspreise vor allem im Westen Kasachstans begonnen hatte, hat sich längst zu einem politischen Flächenbrand im ganzen Land ausgeweitet.

    Die Forderungen der Demonstranten in Kasachstan sind diffus

    Organisiert ist der Protest nicht, die Forderungen der Demonstranten sind diffus. Deutlich wird allerdings, dass es vor allem soziale Gründe sind, die die Menschen auf die Straßen treiben. Kasachstan ist reich an Öl und Gas, doch dieser Reichtum kommt bei vielen Menschen nicht an. Die Preise, nicht nur für Flüssiggas, das die Menschen in Zentralasien oft fürs Autofahren nutzen, waren zuletzt stark angestiegen. Viele Jüngere sehen kaum Perspektiven im Land. Ventile, die Unzufriedenheit abzubauen, fehlen im autoritär geführten Land, das bereits Proteste in den Jahren 2011 und 2019 niederschlug.

    Der Langzeitherrscher Nursultan Nasarbajew behielt die Fäden im Hintergrund stets in der Hand – auch nachdem er Kassym-Jomart Tokajew als Nachfolger installiert hatte. Russlands Präsident Wladimir Putin hat Nasarbajew, den „Führer der Nation“, immer unterstützt. Nun stürzen die Nasarbajew-Statuen, Tokajew macht sich selbst zum Chef des Sicherheitsrates. Eine Degradierung Nasarbajews.

    Für Russland kommt die Krise des Verbündeten Kasachstan zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Schließlich hat Moskau an der Grenze zur Ukraine Truppen zusammengezogen, während es vehement Sicherheitsgarantien vom Westen einfordert. Kreml-loyale Beobachter sehen in den Protesten in Kasachstan eine Verschwörung: Der Westen wolle damit Russland zu Zugeständnissen zwingen, raunen sie.

    Bereitschaftspolizisten blockieren eine Straße in der Millionenstadt Almaty, um Demonstranten aufzuhalten. Bei den Protesten gegen hohe Energiepreise gab es Tote und Verletzte.
    Bereitschaftspolizisten blockieren eine Straße in der Millionenstadt Almaty, um Demonstranten aufzuhalten. Bei den Protesten gegen hohe Energiepreise gab es Tote und Verletzte. Foto: Vladimir Tretyakov, AP, dpa

    Kasachstan ist mit Russland in der Eurasischen Wirtschaftsunion vereint. Beide Länder sind zudem Partner im Militärbündnis, der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (ODKB). Tokajew hat die ODKB, die eigentlich bei Bedrohung von außen eingreifen sollte, angerufen. Er begründet den Bündnisfall damit, dass die Unruhen einem terroristischen Angriff von außen gleichkämen. Seinen Worten nach handle es sich um im Ausland ausgebildete Banden.

    Bereits 2014 hatte Putin davon gesprochen, Kasachstan sei ein Teil der „großen russischen Welt“ und habe nie eine eigene Staatlichkeit gehabt, Nasarbajew habe diese geschaffen. Es war auch stets Nasarbajew, der trotz der Partnerschaft mit Moskau auf eine gewisse Distanz achtete. Ein Konzept allerdings, das durch die Präsenz russischer Truppen ins Wanken geraten dürfte. Vor allem im Norden Kasachstans leben viele ethnische Russen. Diese könnte Moskau durch die Unruhen bedroht sehen und retten wollen. Ohnehin betrachtet Russland den kasachischen Norden historisch als russisches Territorium.

    Moskau muss erkennen, dass der Machtübergang misslungen ist

    Die schweren Unruhen in Kasachstans Städten führt Moskau vor Augen, dass der Machtübergang von Nasarbajew zu Tokajew nicht den Erfolg darstellt, den der Kreml sich stets erhofft hatte. Putin selber hat seine Nachfolge noch nicht geregelt. Das, was in Kasachstan passiere, so sagt der russische Politologe Arkadi Dubnow, sei eine „Apokalypse für autoritäre Autokraten“. Genau davor könnte sich auch Putin fürchten.

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