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Analyse: Im Heizungsstreit steht Habeck als Verlierer da

Analyse

Im Heizungsstreit steht Habeck als Verlierer da

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    Der Streit um die Wärmepumpe hat die Koalition an den Rand des Bruchs gebracht.
    Der Streit um die Wärmepumpe hat die Koalition an den Rand des Bruchs gebracht. Foto: Daniel Reinhardt, dpa

    Skandinavisch-lange Nächte, laue Temperaturen, kein Abend ohne Feste – bevor sich der Bundestag in die Sommerpause zurückzieht, macht sich das politische Berlin normalerweise ziemlich locker. Abgeordnete tauschen strenge Kostüme gegen Sommerkleider, legen Krawatten und Sakkos ab, plaudern bei kühlem Weißwein, auch über Parteigrenzen hinweg. Doch in diesem Jahr hing der Streit um das geplante Heizungstausch-Gesetz, mit dem der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck den Klimawandel aufhalten will, wie eine Gewitterfront über der Hauptstadt. Die regierende Ampel-Koalition schien kurz vor dem Auseinanderbrechen, denn nicht nur die Opposition, auch die SPD und ganz besonders die FDP hatten massive Bedenken.

    Habecks Pläne, warnten sie, überforderten viele Bürger massiv. So drohte die jährliche Spargelfahrt des Seeheimer Kreises, des konservativeren Teils der SPD-Bundestagsfraktion zum Stimmungsdesaster zu werden – da konnte sich der Himmel über dem Wannsee am Dienstagabend noch so freundlich präsentieren. Schließlich aber schmeckten Spargel und Schnitzel den rund 600 Passagieren auf dem Raddampfer doch. Denn, so Bundeskanzler Olaf Scholz knapp: "Heute hat es sich zu Ende geruckelt."

    Kanzler Olaf Scholz untertreibt massiv

    Mehr Untertreibung geht kaum: Der Ampel-Streit glich eher einem Erdbeben als einem Ruckeln. Erst auf den allerletzten Drücker war es den Spitzen der drei Regierungsparteien gelungen, weiteres Unheil abzuwenden. Scholz, Vizekanzler Habeck sowie Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner einigten sich am Nachmittag im Bundestag auf einen Kompromiss. Im Kern sieht er vor, dass zunächst niemand gezwungen wird, eine Heizung einzubauen, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien läuft. Zunächst müssen Kommunen bis 2028 darlegen, in welchen Gebieten sie etwa Nah- und Fernwärme-Netze planen. Dem können auch die Liberalen zustimmen – und sich als Sieger fühlen. Von der Verbotsorgie, die sie befürchtet hatten, kann keine Rede mehr sein. 

    Erleichterung herrscht bei der SPD. Das Gezerre um das Heiz-Gesetz hatte zunehmend Zweifel an der Führungsstärke von Bundeskanzler Olaf Scholz, geweckt, die mit der Einigung ausgeräumt sind. Das leidige Thema ist wie erhofft vor der Sommerpause abgeräumt, entschärft vor der heißen Phase des Landtagswahlkampfs in Bayern und Hessen. Ein ungelöster Heizungs-Streit hätte weiter Zustimmung gekostet, fürchteten die Parteistrategen. Inhaltlich standen führende Genossen in der Auseinandersetzung näher bei der FDP als bei den Grünen. Denn auch viele traditionelle SPD-Wähler trieb die Sorge um, von Habecks ursprünglich geplanten Heizungsgesetzen finanziell erdrückt zu werden.

    Bundeskanzler Olaf Scholz.
    Bundeskanzler Olaf Scholz. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Die einstige Lichtgestalt Robert Habeck steht unter Druck

    Als Verlierer im sommerlichen Heizungsstreit steht Robert Habeck da. Wie schon bei der Gaspreisbremse musste er zurückrudern. Nach außen nehmen viele Grüne ihre einstige Lichtgestalt gegen vermeintliche Schmutzkampagnen noch in Schutz. Hinter vorgehaltener Hand ist aber immer häufiger zu hören, Habeck habe bei seinem zentralen Klimaschutzvorhaben handwerkliche Fehler gemacht, das Vorhaben zu schlecht kommuniziert oder gegenüber der FDP zu schwach verhandelt. Dass es in der Frage einer grünen Kanzlerkandidatur automatisch auf Habeck hinausläuft, ist nicht mehr in Stein gemeißelt. Beim Klimaschutz hat er die eigene Klientel enttäuscht, in weiten Teilen der Wirtschaft ist die anfängliche Offenheit gegenüber dem beredten Norddeutschen Ablehnung gewichen. Zuletzt irritierte Habeck die Industrie mit der Aussage, Deutschland werde seine Produktion zurückfahren, falls Länder wie Österreich oder Ungarn künftig nicht mehr wie bisher mit russischem Gas versorgt würden. "Bevor die Leute dort frieren, müssten wir unsere Industrie drosseln oder abschalten", sagte er. 

    Im Heizungs-Kompromisspapier ist wenig übrig von den Plänen, die Habecks Staatssekretär Patrick Graichen ursprünglich formuliert hatte – bevor Habeck ihn rauswarf. Der ehemalige Klima-Lobbyist musste gehen, weil er seinen Trauzeugen zum Chef der Nationalen Energieagentur machen wollte. Die Probleme im Ministerium sind für Habeck noch nicht ausgestanden und erst recht nicht die in der Partei, die in der Wählergunst weit zurückgefallen ist. Nicht nur mit dem Heizungs-Kompromiss hat die Basis ein Problem, sie hadert auch mit der Zustimmung ihrer Außenministerin Annalena Baerbock zum europäischen Asylkompromiss. Es brodelt: Beim kleinen Parteitag im hessischen Bad Vilbel am Wochenende könnte es vorbei sein mit dem seit einigen Jahren herrschenden Burgfrieden im alten Streit zwischen dem pragmatischen Realo-Flügel und den radikaleren Fundis. Im grünen Feld der Ampel ist der Sommer jedenfalls noch längst nicht gerettet. 

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