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Analyse: Gauland im ZDF-Sommerinterview: Eine Partei ohne Alternativen

Analyse

Gauland im ZDF-Sommerinterview: Eine Partei ohne Alternativen

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    Zahm wirkte AfD-Chef Alexander Gauland beim ZDF-Sommerinterview, für viele Themen hat seine Partei keine Konzepte vorzuweisen.
    Zahm wirkte AfD-Chef Alexander Gauland beim ZDF-Sommerinterview, für viele Themen hat seine Partei keine Konzepte vorzuweisen. Foto: Jule Roehr, dpa

    Müde wirkte er, der Parteichef der Alternative für Deutschland. Von der sonst so ausgeprägten Kampfeslust keine Spur. Fast schon bleiern und schleppend antwortet Alexander Gauland am Sonntagabend auf die Fragen des ZDF-Moderators Thomas Walde, der den AfD-Chef zum traditionellen Sommerinterview eingeladen hatte.

    Nach Potsdam an den Tiefen See war das Fernsehteam gefahren, um die drängenden Fragen der Zeit zu diskutieren. Dort fischte der AfD-Vorsitzende im trüben Gewässer: Klimawandel? Rente? Mieten? Digitales? „Da kann ich Ihnen im Moment keine Antwort darauf geben.“ „Nein, das kann ich Ihnen nicht erklären.“ „Ich bin kein Fachmann für diese Fragen.“ Konzepte gegen den Klimawandel hält Gauland für überflüssig, da er ohnehin nicht aufzuhalten sei. Das Rentensystem sei zwar schlecht aber irgendwie dann doch auch alternativlos. Und mit der Digitalisierung, dem Zukunftsthema schlechthin, beschäftigt er sich grundsätzlich nicht – weil er mit dem Internet eben wenig anfangen könne. Bezahlbarer Wohnraum? „Eine Regulierungsmöglichkeit haben wir auch noch nicht gefunden.“ Bleibt die „Alternative für Deutschland“ also die Ein-Thema-und Protest-Partei, als die sie einst gegründet worden war? Geht das überhaupt für die größte Oppositionspartei im Bundestag, die von den anderen Gruppierungen als stärkste Bedrohung für das politische System wahrgenommen wird?

    Gauland wird sein Auftritt im ZDF kaum schaden

    „Die AfD kommt als Ein-Themen-Partei rüber, aber sie ist es nicht“, warnt der Politikwissenschaftler Jürgen Falter von der Universität Mainz. Im Parteiprogramm seien sehr wohl Punkte enthalten wie etwa die direkte Demokratie oder etwa ein einfacheres Steuermodell. Aber: Den größten Wählerzulauf bringt der AfD das Thema Flüchtlinge – und die Proteststimmung. Eben deshalb wisse Gauland auch, dass ihm sein missglückter Auftritt im Fernsehen kaum schaden wird. „Die Menschen wählen die AfD doch, weil sie sich von den etablierten Parteien nicht mehr vertreten fühlen“, sagt Falter. Ein ganzer Blumenstrauß an Unzufriedenheiten sei es, den die Wähler der Partei in ihren Händen halten würden. Gauland selbst erklärt es im ZDF ganz pragmatisch so: „Wir sind als Partei groß geworden gegen bestimmte Fehlentwicklungen“, sagt er auf die Bemerkung seines Gesprächspartners Thomas Walde, dass seine Partei Antworten auf gesellschaftspolitsche Fragen schuldig bleibe. „Auf dem Gebiet sind wir auch die Oppositionspartei. Das war ursprünglich die Eurorettung, das ist die Flüchtlingskrise. Dann gibt es andere politische Themenfelder, die sich natürlich erst langsam entwickelt haben, auch in der Partei.“ Nicht das Programm mit seinen vielen weißen Flecken ist also entscheidend, sondern die Abgrenzung gegenüber dem etablierten Politikbetrieb, der vielen Menschen fremd geworden zu sein scheint. Und die stören sich offenbar nicht an den vielen Fragezeichen, die Alexander Gauland hinterlässt.

    „Immerhin hatte das Ganze eine gewisse Ehrlichkeit“, sagt der Dresdner Politikwissenschaftler und AfD-Experte Werner Patzelt und lacht. „Gauland hat sich nicht in Sprechblasen geflüchtet oder potemkinsche Fassaden errichtet.“ Doch es sei eben auch offensichtlich geworden, dass der Vorsitzende nicht mehr die Stärke besitze, für die er einst bekannt geworden ist. Dass Gaulands Auftritt die Partei in den Umfragen zurückwirft, glaubt auch Patzelt nicht. Die Partei sei entstanden, um auf aus ihrer Sicht falsche Entwicklungen in der deutschen Politik hinzuweisen: Eurokrise und Flüchtlinge. „Auch hier ist die AfD keine Partei, die Lösungen hat“, sagt Patzelt. „Die AfD ist aber die Partei, die durchgesetzt hat, dass bestimmte Themen diskutiert werden.“ Anders als bei anderen Parteien würden dies ihre Wähler auch gar nicht erwarten. „Bei der AfD macht eine nennenswerte Minderheit der Deutschen das Wahlkreuz deshalb, weil man den etablierten Parteien die eigene Verachtung zeigen will.“

    Patzelt: Solange die AfD keine Koalition eingeht, braucht sie kein Programm

    Solange die AfD weder eine Koalition eingehe, noch Regierungsverantwortung übernehme, brauche sie kein Programm. Das ändere sich, sobald die AfD nach mehr Macht strebe. Für ein Wahlprogramm braucht es einen innerparteilichen Prozess, in dem um Positionen gerungen werde. Das ist für die AfD mit ihren stark ausgeprägten Flügeln besonders schwierig. „Bei der AfD ist es bei bestimmten Positionen noch gar nicht klar, wo die Mehrheit hin möchte“, sagt Jürgen Falter. Weder in der Rentenfrage noch in der Klimapolitik gebe es eine Linie, auf die sich ein Großteil der Parteimitglieder einigen könnte. „Deshalb hat man sich bislang zurückgehalten“, sagt Falter.

    Doch das Wählerpotenzial, das sich hinter diesem Konzept versammeln kann, ist eben zumindest überschaubar. „So steil bergauf geht es mit den Umfragen gar nicht“, gibt der Politikwissenschaftler Hajo Funke zu bedenken. Seit Monaten verharre die Partei bei 13 Prozent - noch nicht einmal die hart geführte Debatte um die Abweisung von Flüchtlingen an der bayerischen Grenze konnte die bundesweiten Umfragewerte nennenswert in die Höhe katapultieren. Dass die AfD zumindest zu einer Volkspartei im Kleinformat werden könnte, glaubt Hajo Funke deshalb nicht. „Sie haben überzogen, sie sind zu radikal geworden“, sagt er. Irgendwann würde diese aus Protest gespeiste Massenbewegung kollabieren – zumindest im Westen Deutschlands, wo die Demokratiekritik weit weniger ausgeprägt sei als im Osten. „Für diese Partei, die im demokratischen Spiel mitmachen will, zeigen sich inzwischen ganz klare Grenzen“, urteilt Funke.

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