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Analyse: Viele AfD-Wähler kommen aus dem Arbeiter-Milieu

Analyse

Viele AfD-Wähler kommen aus dem Arbeiter-Milieu

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    Die SPD steht in jüngsten Umfragen hinter der AfD. Viele ehemalige Sozialdemokraten geben ihre Stimme mittlerweile der rechten Partei.
    Die SPD steht in jüngsten Umfragen hinter der AfD. Viele ehemalige Sozialdemokraten geben ihre Stimme mittlerweile der rechten Partei. Foto: Christoph Schmidt, dpa (Symbolbild)

    Seit dem Erfolg des Rechtsaußen-Politikers Robert Sesselmann für die AfD in Sonneberg werden fleißig Schuldzuweisungen verteilt: Die Grünen um Robert Habeck hätten ihr Heizungsgesetz verkorkst und damit für Unzufriedenheit gesorgt, heißt es. Union und Hubert Aiwangers Freie Wähler hätten durch die Übernahme rechter Sprache und Narrative mit der AfD das Original gestärkt, sagen andere. Was oft übersehen wird: Viele Wählerinnen und Wähler der AfD kommen aus dem ehemals linken Arbeitermilieu. Wo Menschen früher noch bei SPD oder Linken ihr Kreuz machten, scheint heute für manche die AfD erste Anlaufstelle zu sein. In jüngsten Umfragen lag die rechte Partei auf Bundesebene sogar vor der SPD. Die Sozialdemokraten schaffen es manchmal nicht mehr, Abstiegsängste einzufangen.

    Die AfD steht für das Gefühl fehlender Mündigkeit

    Im Westen entscheiden sich viele Menschen mit unterdurchschnittlichem Haushaltseinkommen für die AfD. Im Osten ist sie besonders in ländlichen und von Abwanderung betroffenen Regionen stark. Die in Teilen rechtsextreme Partei fischt damit also genau im früheren Kernklientel der SPD. Das zeigt sich auch beim Blick auf Wählerwanderungen: Bei der Bundestagswahl 2013 gaben laut Infratest dimap etwa 520.000 vormalige Wählerinnen und Wähler von SPD und Linke der AfD ihre Stimme. 2017 waren es sogar 930.000.

    Dabei wählen viele Menschen die AfD nicht etwa, weil sie sich von ihr sozialen und ökonomischen Aufstieg erhoffen, sagt Felix Butzlaff. Der Politologe forscht zu demokratischen Erwartungen von Menschen an der Central European University Wien. Butzlaff weiß, dass die AfD keine konstruktiven Vorschläge bringen muss. Stattdessen gehe es um das Gefühl fehlender Mündigkeit. "Die AfD stößt nicht in die Lücke des Versprechens der sozialdemokratischen Umverteilungsidee, sondern in die der demokratischen Emanzipation." Viele Menschen fühlen sich demnach speziell von Parteien links der Mitte nicht mehr vertreten und gehört. Von der AfD erhoffen sie sich, in der Politik wieder wahrgenommen zu werden, teilnehmen zu können. Also wieder mündig zu sein, so die These.

    Wo früher Arbeiterparteien profitierten, sind es nun die Rechten

    Von dieser gefühlten engen Bindung zu Politikerinnen und Politikern profitierten früher die Arbeiterparteien. Besonders die SPD ist in doppelter Hinsicht Opfer ihres eigenen Erfolgs geworden. Als Partei für den kleinen Mann und die kleine Frau stand sie für den gesellschaftlichen Aufstieg. Dieser Traum erfüllte sich in den letzten Jahrzehnten auch für die meisten Menschen in Deutschland. Aus der SPD wurde somit immer mehr auch eine Partei für Akademikerinnen und Akademiker, besonders in den eigenen Reihen. Durch wachsenden Wohlstand wanderte der Blick vieler Menschen aber von oben nach unten. Der Aufstieg geht mit der Angst einher, das Erarbeitete wieder zu verlieren. 

    Die wachsenden Sorgen einzufangen, gelingt der SPD allerdings kaum. Stattdessen wird ihr vorgeworfen, für diese Ängste verantwortlich zu sein – die zweite Ebene, wieso sie unter ihrem Erfolg leidet. Die SPD regiert seit 1998 mit Ausnahme einer Legislaturperiode immer mit. "Sozialdemokraten sind für den Status quo mitverantwortlich. Fundamentale Kritik am System zu äußern, wie es lange Zeit das Selbstverständnis der SPD war, wird dadurch schwer", sagt auch Felix Butzlaff. Gemeinsam mit den anderen etablierten Parteien fällt damit auch die SPD für viele als Problemlöser weg.

    Die anderen Parteien dürfen nicht auf den AfD-Zug aufspringen

    Bleibt also die AfD als Gegenpol zum wahrgenommenen "Establishment". Wenn niemandem mehr zugetraut wird, den eigenen Sorgen und Abstiegsängsten beizukommen, glänzen rechte Bewegungen, die Bürgernähe vorgaukeln; auch wenn die Parteiprogramme sozial schwach gestellte Menschen kaum beachten. "AfD-Wähler haben das Gefühl, sie seien die besseren Demokraten", sagt Butzlaff. Es geht darum, sich zumindest wieder mündig zu fühlen, gehört zu werden. In der von Angst in Wut umgeschlagenen Emotion verstanden zu werden. Wo früher Arbeiterparteien das Sprachrohr solcher Menschen waren, erweckt heute die AfD den Eindruck, diese Lücke zu füllen. Mit diesen populistischen Mitteln der vermeintlichen Bürgernähe und dem Adressieren von Abstiegsängsten geht auch Sahra Wagenknecht sehr erfolgreich auf Stimmenfang. Seit Monaten wird spekuliert, die Noch-Linke plane eine eigene Partei. Diese würde laut Umfragen vor allem bei Menschen aus dem linken und rechten Parteienspektrum Zulauf finden.

    Wie also entgegentreten, dieser düsteren Aussicht? Nicht auf den Zug der Rechtsextremen aufspringen, fordert Politologe Butzlaff. Er argumentiert, die AfD erkläre sich zur Stimme des vermeintlichen Volkswillens. Das dürfen demokratische Parteien nicht kopieren. Stattdessen komme ihnen eine Zweifachrolle zu. "Zum einen müssen Parteien die Präferenzen der Menschen sammeln und ins politische System einspeisen. Zum anderen müssen sie aber laut Grundgesetz auch selbst an der Willensbildung des Volkes mitwirken." Parteien sollen nicht nur den Menschen aufs Maul schauen, sondern auch selbstbewusst erklären, welche gesellschaftliche Zukunft sie sich für Menschen mit Abstiegsängsten vorstellt und vor allem: wie sie dorthin gelangen möchte. Sich der aktiven Rolle von Politik bewusst werden, eigene Visionen und Ideen vorgeben, kann helfen, Menschen wieder abzuholen. Besonders gilt das für eine ehemalige Arbeiterpartei.

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