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Analyse: Experten zur Klimapolitik: Zu viel Optimismus und zu wenig Daten

Analyse

Experten zur Klimapolitik: Zu viel Optimismus und zu wenig Daten

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    Hans-Martin Henning und Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende vom Expertenrat für Klimafragen, stellen die Stellungnahme des Expertenrats zum Klimaschutzprogramm 2023 vor.
    Hans-Martin Henning und Brigitte Knopf, stellvertretende Vorsitzende vom Expertenrat für Klimafragen, stellen die Stellungnahme des Expertenrats zum Klimaschutzprogramm 2023 vor. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Wenn die Ampel-Bundesregierung so weitermacht wie bisher, sind die Klimaziele für das Jahr 2030 nicht zu erreichen. Die bisherigen Anstrengungen sind zu unklar, zu kleinteilig und ihre Einhaltung lässt sich derzeit gar nicht genau überprüfen - so lässt sich das Fazit des Expertenrats für Klimafragen zusammenfassen. Das unabhängige Gremium von fünf Wissenschaftlern hat den Auftrag, die öffentlichen Anstrengungen zum Klimaschutz auf Herz und Nieren zu prüfen. In seiner aktuellen Diagnose kommt es zum Schluss, dass die geplanten Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasen bei Weitem nicht ausreichen

    Hans-Martin Henning, der Vorsitzende des Expertenrats, spricht ruhig und sachlich, als er am Dienstagmorgen in der Berliner Bundespressekonferenz die Einschätzung seines Gremiums zum Klimaschutzprogramm 2023 wiedergibt. Offene Kritik an der Bundesregierung verkneift sich der Freiburger Physikprofessor, doch die Fakten sprechen für sich: Selbst wenn alle Maßnahmen aus dem noch gar nicht final beschlossenen Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vollständig umgesetzt würden, ließen sich die nationalen Klimaziele damit nicht erreichen. 

    Die Tücken der ambitionierten Selbstverpflichtung beim Klimaschutz

    Bis zum Jahr 2045 will die Bundesrepublik klimaneutral sein, dazu hat sie sich mit ihrem noch von der schwarz-roten Vorgängerregierung beschlossenen Klimaschutzgesetz verpflichtet. Schon im Jahr 2030, also in sieben Jahren, soll eine wichtige Wegmarke erreicht werden: Der Ausstoß an Treibhausgasen darf dann nur noch 65 Prozent des Wertes von 1990 betragen. Zwar hat auch die Bundesregierung selbst eingeräumt, dass das wohl nicht klappen wird und zwischen 2021 und 2030 eine Lücke von rund 200 Megatonnen sogenannten CO2-Äquivalenten droht. Eine Megatonne ist eine Million Tonnen. Doch nach den Berechnungen der Experten dürfte diese Lücke deutlich größer ausfallen. 

    Der Verkehr macht bei der Reduktion von Treibhausgasen Sorgen

    Allein im Bereich Verkehr könnten bis zu 191 Megatonnen zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen. Im Gebäudesektor seien es rund 35 Megatonnen, so die Experten. In Wirklichkeit, das klingt in ihrem Bericht durch, könnte die Lage noch deutlich schlechter sein. Denn die Datengrundlage stammt von der Regierung selbst, wobei unterschiedliche Ministerien laut Henning teils völlig unterschiedliche Angaben liefern. Seine Stellvertreterin Brigitte Knopf sagte: "Die Regierung hat uns ein Puzzle mit 1000 Teilen gegeben, aber die stammen aus drei verschiedenen Puzzlespielen." Viele der Werte seien kaum mehr als Schätzungen. Wie viele Pendler etwa durch das günstige Deutschland-Ticket den öffentlichen Nahverkehr dem eigenen Auto vorziehen, könne ja niemand konkret vorhersagen. 

    Immerhin bescheinigen die Experten den geplanten Maßnahmen das Potenzial, "eine signifikante Reduktion zu erreichen". Es bewegt sich also etwas, aber zu wenig, so der Tenor. Es gebe im Klimaschutzgesetz zwar 130 einzelne Maßnahmen, was fehle, sei ein schlüssiger Gesamtplan. Hemmnisse bei der Umsetzung, etwa durch Fachkräftemangel in der Heizungsbranche, seien ebenso wie die sozialen Auswirkungen kaum berücksichtigt. Ökonomische Anreize, die Menschen zu klimafreundlicherem Handeln bewegen könnten, wie etwa der CO2-Preis, kämen zu kurz, dagegen werde einseitig Wert auf teure Förderprogramme gelegt. Nötig sei zudem eine deutlich bessere Datenlage, ohne die keine sinnvolle Kontrolle möglich sei. "Das alles wird kein Spaziergang, sondern bedarf sehr großer Anstrengungen", mahnen Henning und Knopf. 

    Union kritisiert Regierung für Vorgehen beim Klimaschutz scharf

    Die Union nimmt den Expertenbericht zum Anlass für scharfe Kritik an der Bundesregierung. Andreas Jung, stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender, sagte unserer Redaktion: „Der Expertenrat Klimaschutz bestätigt: Die Ampel verstößt gegen das Klimaschutzgesetz und es bleibt eine Klimalücke." Was nach wie vor fehle, sei ein Gesamtkonzept: "Da wird ein Heizungsgesetz wegen des Klimaschutzes gemacht, aber auf unsere Nachfrage kann die Ampel noch nicht einmal annähernd beantworten, welches der Klimaeffekt dabei ist." 

    Der Sprecher der Unionsfraktion für Klimaschutz und Energie wirft der Ampel vor, mit ihrem Vorgehen die Akzeptanz für den Klimaschutz zu gefährden: "Eine bessere Heizungsförderung wird versprochen, aber noch nicht umgesetzt - und was bekannt ist, zeigt: Das ist eher eine zusätzliche Kürzung als eine bessere Unterstützung." Jung forderte die Regierung auf, das Klimageld, das alle drei Ampel-Parteien versprochen hätten, nun auch einzuführen. Ohne diesen sozialen Ausgleich für die CO2-Bepreisung werde die Glaubwürdigkeit dieses "wichtigen Klimainstruments" beschädigt.

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