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Analyse: Donald Tusk trotzt rechter Hetze – Polen als Vorbild für Deutschland?

Analyse

Donald Tusk trotzt rechter Hetze – Polen als Vorbild für Deutschland?

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    Donald Tusk ist trotz seines zweiten Platzes in der polnischen Parlamentswahl der Sieger – denn er könnte Polens neuer Ministerpräsident werden.
    Donald Tusk ist trotz seines zweiten Platzes in der polnischen Parlamentswahl der Sieger – denn er könnte Polens neuer Ministerpräsident werden. Foto: Piotr Nowak, dpa

    Donald Tusk hat geschafft, was viele für undenkbar hielten. Er hat heftigen Anfeindungen, rechter Hetze und Lügen über ihn getrotzt. Obwohl seine Partei nur Zweiter der Parlamentswahl wurde, ist er doch der Gewinner. Denn Tusk, bisheriger Oppositionsführer Polens, hat viele Menschen von sich überzeugt, strebt nun als Ministerpräsident in spe eine gemäßigte Regierungskoalition an. Im Wahlkampf hat die nationalkonservative PiS jegliche Scham abgelegt, sich voll auf die politische Zerstörung Tusks konzentriert. Ohne Erfolg. Wo in anderen europäischen Ländern rechte Bewegungen im Höhenflug sind, verliert die

    PiS stellte Wähler vor Entscheidung: "Polen oder Deutschland"

    Der polnische Wahlkampf war brutal. Von der PiS wurden Themen nicht auf sachlicher, sondern emotionaler Ebene ausgeschlachtet. Wo die Partei in der Vergangenheit bereits mit Ressentiments gegen Geflüchtete und Homosexuelle Stimmung gemacht hat, diente in diesem Wahlkampf Deutschland als Feindbild. Oppositionsführer Tusk wurde als ausländischer Agent Berlins und sogar Moskaus diffamiert. In einem PiS-Werbespot wurde die polnische Bevölkerung aufgefordert, sich an der Wahlurne zu entscheiden: "Polen oder Deutschland. Du hast die Wahl", hieß es darin.

    PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski im Wahllokal in Warschau: Seine schmutzige Wahlkampagne blieb ohne Erfolg.
    PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski im Wahllokal in Warschau: Seine schmutzige Wahlkampagne blieb ohne Erfolg. Foto: Petr David Josek/AP, dpa

    Wie also haben es Tusk und seine Bürgerkoalition (KO) in diesem aufgeheizten Klima auf knapp 31 Prozent der Stimmen geschafft, während die PiS satte 9 Prozentpunkte (35 Prozent) Verluste einfuhr? "Mit Ruhe", sagt Andrzej Kaluza, Wissenschaftler vom Deutschen Polen Institut in Darmstadt, das die Beziehungen beider Länder im Fokus hat. "Tusk hat sich nicht provozieren lassen und keine Anstalten gemacht, überhaupt auf die Lügen der PiS einzugehen oder sie geradezurücken", sagt Kaluza. "Mit seiner politischen Klugheit und Erfahrung wusste Tusk, dass die Anfeindungen gegen ihn ein Minenfeld sind und er dabei nicht gewinnen kann, würde er sich darauf einlassen." Somit hat der pro-europäische Kandidat die antideutsche, anti-Tusk-Kampagne einfach ins Leere laufen lassen.

    Donald Tusk wurde aus dem polnischen Staatsfernsehen verbannt

    Doch reicht es im Kampf gegen autoritäre Parteien aus, sie einfach links (oder rechts) liegenzulassen? Die Geschichte der AfD in Deutschland zeigt: nein. Trotzdem hat Tusks stoische Strategie des Ausblendens der PiS-Vorwürfe von Verrat und der Diffamierungen gegen ihn im polnischen Staatsfernsehen funktioniert. Denn Tusk hat sich seine Kämpfe ausgesucht, ist auf tatsächlich wichtige Themen sehr wohl eingegangen. "Er ist ein Jahr lang durch das ganze Land gereist, hat mit den Menschen gesprochen und klargemacht, dass er keine Sozialleistungen kürzen will und die Rechtsstaatlichkeit im Land wiederherstellen wird", analysiert Kaluza. Er hat millionenfach besuchte Demonstrationen gegen den Demokratieabbau organisiert und dadurch eine Marke geschaffen: Der europafreundliche Demokrat – im Kampf gegen die Feinde der Rechtsstaatlichkeit. Laut Kaluza hat das gewirkt. "Vielen Menschen im Land waren die Lügen der PiS über Tusk dann einfach zu plump." Der Experte sagt, selbst erzkonservative Menschen, die die PiS nicht grundsätzlich verabscheuen, haben nun Tusk gewählt. Besonders deren radikale Position gegenüber Deutschland als Ursprung alles Schlechten in Polen hat nicht gezogen.

    Tusk und seine Bürgerkoalition haben es durch einen Weg der Mitte geschafft, der PiS Paroli zu bieten. Denn Tusk selbst ist keineswegs ein Linker, auch er vertritt restriktive Linien, etwa bei der Migrationspolitik. Ein liberaleres Polen wird es unter Tusk aber trotzdem für Frauen und deren Recht auf Abtreibung geben, für Minderheiten und generell für Bürgerrechte. Das liegt nicht zuletzt an Tusks künftigen Koalitionspartnern.

    Was kann Deutschland von Tusks Politik lernen?

    Obwohl in Polen bereits eine Partei vom rechten Rand regierte und Deutschland weit davon entfernt ist, kann sich die hiesige Politik etwas von Polen abschauen, sagt der Experte Kaluza. "Deutschland und Europa sollen die Chancen der Zukunft mehr in den Fokus nehmen und nicht überall nur Endzeitstimmung verbreiten; die lässt Menschen schnell verzweifeln und dann radikal wählen." Wichtig sei es außerdem, nicht jede absurde Behauptung rechter Parteien aufzugreifen. Wird dauernd über Lügen und verzerrte Bilder gesprochen, bleibt zwangsläufig ein Stück Unwahrheit hängen. Tusk macht es in Polen vor: absurde Anschuldigungen ignorieren, den Fokus lieber auf die tatsächlich wichtigen Dinge für die Menschen legen. Kaluza sieht indirekt auch in der

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