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Analyse: „Dieser Tabubruch ist unentschuldbar“: Warum Michel Friedman die CDU verlässt

Analyse

„Dieser Tabubruch ist unentschuldbar“: Warum Michel Friedman die CDU verlässt

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    Der Publizist Michel Friedman kehrt der CDU nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft den Rücken.
    Der Publizist Michel Friedman kehrt der CDU nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft den Rücken. Foto: Christoph Soeder, dpa

    Michel Friedman, intellektuell, eloquent, schillernd, streitlustig – und seit mehr als 40 Jahren mit dem CDU-Parteibuch ausgestattet. Das ist vorbei. „Ich bin nicht mehr Mitglied der CDU“, sagte der jüdische Publizist und TV-Moderator dem Hessischen Rundfunk am Donnerstag. Der 68-Jährige reagierte damit auf die Abstimmung im Bundestag am Tag zuvor, bei der die Stimmen der AfD einem Antrag der Union zur Migrationspolitik die Mehrheit sicherten.

    Dass ein Mann wie Friedman nicht leise geht, ist keine Überraschung. Die Wucht und Bitterkeit seiner Anklage gegen CDU-Chef Friedrich Merz und die Union ließ dennoch aufhorchen. „Zum ersten Mal hat eine demokratische Partei, in dem Fall meine ehemalige Partei CDU, es möglich gemacht, dass die AfD eine Mehrheit im Parlament mit dieser demokratischen Partei durchgeführt hat. Und dieser Tabubruch ist unentschuldbar“, sagte der Frankfurter.

    Friedman: AfD steht außerhalb der Demokratie

    In den ARD-Tagesthemen legte der frühere stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden publikumswirksam nach. Der Zweck heilige eben nicht die Mittel, sagte Friedman an die Adresse der Unionsfraktion. „Der Abstand zwischen Demokraten und Nichtdemokraten ist wichtig, weil er eine Orientierung anbietet. Die AfD ist nicht am Rande der Demokratie, sie ist außerhalb der Demokratie. Das weiß auch die CDU.“

    In einem Interview mit Spiegel online erklärte Friedman am Freitag im Detail, warum es für ihn ein „unverantwortliches, schlechtes Theater“ gewesen sei, dass die CDU/CSU-Fraktion „offenen Auges in ihre eigene Falle gestolpert“ sei und so in Kauf genommen habe, von ihr vorgeführt zu werden: „Die AfD steht in der historischen Tradition des deutschen Rechtsextremismus. Sie hat einen Ehrenvorsitzenden, der das, was meiner Familie angetan worden ist, als ,Vogelschiss der Geschichte’ bezeichnet hat.“

    AfD wird längst nicht nur von Protestwählern gewählt

    Dass Friedman den Umgang der Union mit der AfD mit wachsendem Unbehagen verfolgt hat, ist kein Geheimnis. Insbesondere die nicht nur in der CDU weitverbreitete These, dass die Rechtspartei überwiegend von Protestwählern unterstützt wird, die man mit einer klugen Politik wieder zurückholen könne, teilt er nicht. „Es gibt eine Sehnsucht, sich nicht einzugestehen, dass man in Deutschland strukturell zwischen zehn und 15 Prozent der Bevölkerung hat, die antidemokratisch und im Rahmen des Antidemokratischen rassistisch sind“, sagte Friedman im Februar 2024 gegenüber unserer Redaktion.

    Friedman trat 1983 der CDU bei. Auslöser war seine Überzeugung, dass der damals heftig umstrittene Nato-Doppelbeschluss unerlässlich sei, um den Westen gegen den Warschauer Pakt zu schützen. Von 1994 bis 1996 war er Mitglied im CDU-Bundesvorstand. Gerade beim Thema Migration lag er oft über Kreuz mit seiner Partei. 2018 bezichtigte er den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) des Populismus für dessen Satz „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“.

    Friedman verkörpert weltmännisches Flair

    Der Parteiaustritt Friedmans mag in seiner Wirkung weit hinter der Kritik von Ex-Kanzlerin Angela Merkel an Merz zurückbleiben. Dennoch ist er gerade für die CDU bitter. Galt Friedman doch als eine der dünn gesäten Figuren in der Partei, die fest in der deutschen Kulturszene etabliert sind und dabei weltmännisches Flair verströmen - für nicht wenige in der Partei immer begleitet von einer Spur Arroganz und Herablassung.

    Doch auch seine Kritiker dürften ihm die Sorge um die Demokratie in Deutschland abnehmen. Michel Friedman: „Wenn die AfD einer Bundesregierung angehören würde, könnte ich hier nicht mehr leben. Dann müsste ich dieses Land – mein Land – verlassen. Und nicht nur ich.“

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