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Analyse: Die Ampel-Koalition streicht den nationalen Sicherheitsrat

Analyse

Die Ampel-Koalition streicht den nationalen Sicherheitsrat

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    Pioniere der Bundeswehr im Einsatz nach der Flutkatastrophe an der Ahr im Sommer 2021. Kritiker bemängeln, dass die Einwohner zu spät gewarnt wurden und die Rettungsmaßnahmen schlecht koordiniert waren. Kann ein Nationaler Sicherheitsrat in solchen Fällen effektiver helfen?
    Pioniere der Bundeswehr im Einsatz nach der Flutkatastrophe an der Ahr im Sommer 2021. Kritiker bemängeln, dass die Einwohner zu spät gewarnt wurden und die Rettungsmaßnahmen schlecht koordiniert waren. Kann ein Nationaler Sicherheitsrat in solchen Fällen effektiver helfen? Foto: Boris Roessler, dpa (Archivbild)

    Machtfragen werden in jeder Regierung ausgefochten, egal wie viele Parteien an ihr beteiligt sind. Kritisch wird es allerdings, wenn ein Streit um Einfluss und Kompetenzen dazu führt, dass wichtige und sinnvolle Projekte kurzerhand gestrichen werden – wenn also Machtfragen so gelöst werden, dass die Kontrahenten sagen "Gut, dann lassen wir es eben bleiben". Nach diesem Motto verfährt offenbar die Ampel-Koalition gerade beim hochsensiblen Thema Sicherheitspolitik. So meldete der Spiegel bisher unwidersprochen, dass das Vorhaben, einen „Nationalen Sicherheitsrat“ (NSR) zu installieren, nach einem Konflikt zwischen Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt heimlich, still und leise zu den Akten gelegt wurde.

    Dass das keine Petitesse ist, dürfte allen Beteiligten klar sein, schließlich war der NSR ein zentrales Element der ersten „Nationalen Sicherheitsstrategie“, an der die Koalition bereits seit einem Jahr bastelt. Zwölf Monate mithin, in denen viel passiert ist – Russland hat die Ukraine überfallen, die Klimakrise verschärft sich und die Aufarbeitung der Flutkatastrophe im Ahrtal vom Juli 2021 legt schwere Fehler im Krisenmanagement nahe.

    Der Experte für Außen- und Sicherheitspolitik Roderich Kiesewetter (CDU) gilt als vehementer Befürworter eines nationalen Sicherheitsrats für Deutschland.
    Der Experte für Außen- und Sicherheitspolitik Roderich Kiesewetter (CDU) gilt als vehementer Befürworter eines nationalen Sicherheitsrats für Deutschland. Foto: Wolfgang Borrs, picture alliance/dpa

    Fast alle Experten halten einen Nationalen Sicherheitsrat für unabdingbar

    Gab es noch vor wenigen Jahren eine weitverbreitete Skepsis, ob ein NSR zu zentralistisch oder überhaupt notwendig ist, ist heute eine Mehrheit von Politikern und erst recht Experten überzeugt, dass solch ein Gremium zeitgemäß ist. „Wir haben in vielen Bereichen kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, sagt der Experte für Außen- und Sicherheitspolitik, Roderich Kiesewetter, im Gespräch mit unserer Redaktion. Ohne NSR werde es weiter „nur ein Durchwursteln in einer Parallelität von Krisen geben“, fürchtet der CDU-Politiker.

    Tief enttäuscht über das vorläufige Aus des NSR ist die Berliner Politikwissenschaftlerin Christina Moritz, die seit Jahren zum Thema NSR forscht und ein viel beachtetes Modell für den Rat entwickelt hat: „Wenn es heute zu Krisenfällen oder Katastrophen kommt, arbeiten verschiedene Ministerien, Stäbe und Gremien parallel. Dabei entstehen Doppelungen, es geht wichtige Zeit verloren. Deswegen brauchen wir – wie viele andere Staaten – einen Nationalen Sicherheitsrat, der die Verfahren effektiv bündelt und schnelle Entscheidungen trifft“, sagt Moritz, die von einer „vertanen Chance“ spricht, „in der laufenden Legislaturperiode zumindest den Kern eines Nationalen Sicherheitsrats einzurichten“.

    Wo hätte ein Nationaler Sicherheitsrat angesiedelt werden können?

    Das Modell von Christina Moritz für einen NSR hat einen weit gefassten Zuschnitt. Während das Gros der Politiker ein Gremium favorisiert, das in erster Linie für militärische und sicherheitspolitische Krisen da ist, plädiert sie für einen Sicherheitsrat, der generell für Krisen und Katastrophen zuständig ist. Das Gremium hätte den Rang eines Kabinettsausschusses mit einem nationalen Sicherheitsberater im Bundeskanzleramt. Die Ministerien wären über Referenten beteiligt. Eine Analyse-Einheit im Verteidigungsministerium würde die Sitzungen fachlich vorbereiten, um die Mitglieder mit den wichtigsten zivilen oder militärischen Quellen zu versorgen. Auf diese Weise könne der Staat auch dann schnell und effektiv reagieren, wenn Gefährdungen in enger zeitlicher Abfolge auftreten würden oder gar parallel zu bewältigen sind, erklärt Moritz.

    „Ein solches Gremium gehört – wie auch übrigens die Entwicklung einer solchen übergreifenden, auch die Bundesländer betreffenden Strategie – ins Kanzleramt“, sagt auch Kieswetter. 

    Bei einem Nationalen Sicherheitsrat geht es auch um Einfluss

    Doch Außenministerin Annalena Baerbock sieht das offensichtlich anders. So soll die Grünen-Politikerin darauf gepocht haben, dass der NSR in ihrem Haus angesiedelt wird. Ein weiterer Anhaltspunkt dafür, dass die Dissonanzen zwischen Baerbock und Kanzler Olaf Scholz (SPD) tiefer gehen könnten als angenommen. Eine Rolle spielt, dass die Ängste im Auswärtigen Amt vor einem schleichenden Kompetenzverlust in den letzten Jahren immer weiter gewachsen sind. Die Frage ist nur, ob der NSR in einer Zeit der sicherheitspolitischen Unwägbarkeiten das richtige Objekt ist, ein Fanal gegen den Einflussverlust des Außenministeriums zu setzen. 

    Wie geht es jetzt weiter? Christina Moritz hat registriert, dass nicht nur die Union, sondern auch die Regierungspartei FDP klar für die Einrichtung eines NSR sind: „Ich hoffe im Interesse der nationalen Sicherheit, dass das Thema wieder auf die Tagesordnung kommt.“ Das Vertrauen der Bevölkerung werde der NSR aber nur gewinnen, wenn er „völlig unabhängig von parteipolitischen Aspekten rein sachliche Entscheidungen“ treffe.

    Für Kiesewetter ist eine effektive „Bund-Länder-Zusammenarbeit“ bei der „Abwehr von Bedrohungen und der Krisenprävention, im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz von zentraler Bedeutung“. Allein dieser Ansatz spreche für eine „Andockung eines NSR im Kanzleramt“.

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