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Analyse: Der Sudan, ein Pulverfass

Analyse

Der Sudan, ein Pulverfass

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    Rauch steigt aus einem Wohnviertel auf. In Sudans Hauptstadt Khartum sind Spannungen zwischen den Streitkräften und paramilitärischen Gruppen eskaliert.
    Rauch steigt aus einem Wohnviertel auf. In Sudans Hauptstadt Khartum sind Spannungen zwischen den Streitkräften und paramilitärischen Gruppen eskaliert. Foto: Marwan Ali, dpa

    Nie wurde deutlicher als in diesen Tagen, was den Sudan in seiner Entwicklung zurückhält: machthungrige Generäle. Sie ließen seit Samstag persönliche Fehden in einen Krieg ausarten, der mit Luftangriffen und schweren Gefechten inmitten von dicht besiedelten Wohngebieten ausgetragen wird. Seit Samstag kämpfen die zwei mächtigsten Generäle in dem Land um die Macht: De-Facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan, der Oberbefehlshaber der Armee, und sein Stellvertreter und Anführer der mächtigen paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF), Mohammed Hamdan Daglo. Dabei sollte Sudans Militärregierung ausgerechnet in diesem Monat einen wichtigen Schritt in Richtung Machtübergabe an eine zivile Regierung machen.

    Beide Hauptakteure gehören vor das Weltstrafgericht und nicht an die Spitze eines geopolitisch nicht nur in Afrika wichtigen Landes. Schließlich waren Kriegsverbrechen von Burhan und Daglo schon zu Zeiten des Darfur-Konflikts offensichtlich. Aber wirklich signalisiert hat es der Westen den beiden Generälen auch seit ihrem Sturz der Übergangsregierung vor 18 Monaten nie in der nötigen Klarheit.

    Sudanesen kämpfen seit Jahren für eine demokratische Regierung

    Stattdessen, und auch das gehört zu den Gründen für die allein seit Samstag rund 100 getöteten Zivilisten, wurden sie vom Westen nach ihrem Putsch gegen die Übergangsregierung mit diplomatischen Samthandschuhen angefasst. Die schwachen Sanktionen von USA und EU traf die Militärelite kaum. Die Leidtragenden des Gewaltausbruchs sind die 46 Millionen Sudanesen, von denen viele bereits bald fünf Jahre für eine demokratische Regierung kämpfen. 

    Professor Siddiq Tawer Kafi macht das wütend. Er war einer der fünf Zivilisten in Sudans Übergangsregierung, die von Burhan und Daglo aufgelöst wurde. „Die Lage ist dramatisch, wegen der Kämpfe natürlich, aber auch der humanitären Folgen“, sagt er am Telefon, „Krankenhäuser mussten evakuiert werden, weil sogar sie beschossen wurden. Die Märkte und die meisten Geschäfte bleiben zu, die Versorgung mit Trinkwasser ist wegen der Kämpfe unterbrochen.“ Das Volk sei gefangen in den eigenen Häusern.

    Daglo und Burhan fehlt die Unterstützung des Volkes

    Laut Kafi handele es sich bei dem Putsch um einen reinen Machtkampf zwischen Daglo und Burhan, denen es nicht um die Zukunft des Landes gehe. „Beiden fehlt jede Unterstützung des Volkes“, sagt Kafi. Burhan wolle an der Spitze des Landes bleiben, und zwar dauerhaft. Und da strebe Daglo hin, er habe gezielt Beziehungen in Afrika und arabischen Ländern aufgebaut, sei wie eine Parallelregierung aufgetreten. „Es geht nur um Macht“, sagt Kafi, „und alle Menschen im Sudan sind gegen Krieg.“

    Die zögerliche Haltung des Westens ist derweil nicht neu. Schon gegen Ende der jahrzehntelangen Regentschaft des im Jahr 2019 gestürzten Diktators Omar al-Baschir flossen Hunderte Millionen Euro aus EU-Mitteln an den Sudan, um Migration aus Ostafrika einzudämmen. Auch nach der niedergeputschten Revolution galt im Westen das Mantra, dass eine politische und friedliche Lösung nur mit Verhandlungen mit dem Militär zu erreichen ist. 

    China und Russland mischen im Sudan mit

    Ganz falsch ist diese Feststellung angesichts der über Jahrzehnte gewachsenen Kontrolle der Armee über Wirtschaft und Politik nicht. Doch die sudanesischen Generäle haben die Unterstützung von Russland und China, das zeigte sich erst Anfang März, als beide Weltmächte die Aufhebung von UN-Sanktionen und eines Waffenembargos gegen den Sudan forderten. Die Hoffnung von erheblichen Teilen des Volkes, besonders unter der jüngeren Bevölkerung, auf eine entschiedenere Haltung des Westens als Gegengewicht wurde enttäuscht.

    Diesmal bedarf es einer klaren Reaktion, sagt Kafi, der eine militärische Intervention allerdings kategorisch ablehnt. „Klar ist, dass diese Krise von den Menschen im Sudan gelöst werden muss. Wir werden nicht aufgeben, trotz allem.“ Zu den nötigen Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft zähle nun größerer internationaler Druck, auch mit harten persönlichen Sanktionen gegen Burhan und Daglo und die zahlreichen Firmen, die sie kontrollieren. 

    Nach drei Tagen heftiger Gefechte ist weitgehend unklar, in welche Richtung sich die Ereignisse weiter entwickeln. Aktuell scheine die Armee im Norden und Osten des Landes die Oberhand zu haben, während die RSF die Region West-Darfur stärker kontrolliere, erklärt Ben Hunter, Ostafrika-Analyst bei Verisk Maplecroft, einem Unternehmen für Risikobewertung. Beide Seiten hätten Zehntausende Soldaten unter ihrem Kommando; die Armee sei jedoch wesentlich besser mit gepanzerten Fahrzeugen und Luftstreitkräften ausgestattet.

    Wenn diese Situation fortbestehe, dann werde das schließlich Konsequenzen weit über die Landesgrenzen hinaus haben, glaubt Kafi. In der Region gebe es instabile Länder wie Somalia, Kongo und die Zentralafrikanische Republik. „Der Sudan ist das geographische Zentrum der Region, Erschütterungen sind noch weit entfernt spürbar“, so Kafi, „bis nach Europa, denn bei einer längeren Krise muss von mehr Migration ausgegangen werden.“

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