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Analyse: Das Elterngeld muss reformiert werden – nicht gekürzt

Analyse

Das Elterngeld muss reformiert werden – nicht gekürzt

Christina Heller-Beschnitt
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    Das Elterngeld soll Vätern und Müttern die Vereinbarkeit erleichtern – und gilt als Erfolgsmodell.
    Das Elterngeld soll Vätern und Müttern die Vereinbarkeit erleichtern – und gilt als Erfolgsmodell. Foto: Bernd Wüstneck, dpa

    Seit sechzehn Jahren gibt es in Deutschland das Elterngeld. Seither gilt: Bekommt ein Paar ein Kind, können sich beide eine berufliche Auszeit nehmen und sich um das Kind kümmern. Dafür bekommen sie für bis zu vierzehn Monate Geld von Staat – wenn beide im Beruf pausieren. Nun soll das Elterngeld reformiert werden. Mit einer Umgestaltung hat der Plan aber nichts zu tun. Stattdessen soll das Budget gekürzt werden.

    Im Haushaltsentwurf, der am Mittwoch im Bundestag beschlossen werden soll, ist vorgesehen, dass Elterngeld nicht mehr an Familien ausgezahlt wird, deren jährliches Haushaltseinkommen 150.000 Euro übersteigt – zuvor waren es 300.000 Euro. Es stimmt, wer so viel verdient – brutto 12.500 Euro im Monat –, zählt zu den Topverdienern. Im Schnitt haben Haushalte monatlich 4979 Euro zur Verfügung. Muss der Staat diesen Menschen ein Auskommen finanzieren? Ist es ihnen nicht zuzumuten, während des ersten Babyjahres von Erspartem zu leben? Eigentlich schon.

    Das deutsche Elterngeldmodell war lange ein Erfolg

    Jetzt kommt das Aber: Das Elterngeld ist nicht nur ein finanzieller Ausgleich. Der Staat kann damit lenken. Zeigen, wie wichtig ihm Kinder, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Gleichstellung der Geschlechter sind. Das hat die letzten sechzehn Jahre gut funktioniert. Die Geburtenzahlen sind gestiegen, und Eltern aus Nachbarländern wie der Schweiz schauen neidisch auf das deutsche System. Und die staatlichen Vorgaben haben die Eltern geprägt. Denn in den meisten Familien bleiben die Mütter nach der Geburt mindestens zwölf Monate zu Hause. Zwar nimmt etwas mehr als die Hälfte der Väter die sogenannten Partnermonate in Anspruch. Von ihnen bleiben aber drei Viertel genau zwei Monate daheim. Die Väter erfüllen also das Minimum dessen, was der Staat verlangt. Was hat das alles mit Einkommen und der Obergrenze zu tun?

    Auch dazu gibt es Zahlen: Väter verdienen im Vergleich zu Männern ohne Kinder besser. Mütter hingegen schlechter als Frauen ohne Kinder. Und deutlich schlechter als Männer – mit oder ohne Kinder ist in dem Fall egal. In den ersten zehn Jahren nach der Geburt eines Kindes verdienen Frauen im Schnitt 61 Prozent weniger als zuvor. Senkt der Staat nun die Einkommensobergrenze, signalisiert er den gut verdienenden Vätern: Wir wollen gar nicht so dringend, dass ihr auch zu Hause bleibt. Macht Karriere, verdient Geld, aber Vereinbarkeit ist nichts für euch. Und die Botschaft in Richtung der Frauen lautet: Schön, dass ihr euer Einkommen zugunsten der Familie aufgebt.

    Das Elterngeld muss reformiert werden – etwa mit mehr verpflichtenden Partnermonaten

    Dass vor allem die Mütter zu Hause bleiben, hat noch andere Konsequenzen: Sie kümmern sich um Haushalt und Kinder, Väter sind beruflich eingespannt und tragen die Verantwortung für die Familienfinanzen. Fachleute sprechen von Retraditionalisierung. Nun ließe sich einwenden: Solange ein Paar mit dieser Aufteilung keine Probleme hat, ist doch alles in Ordnung. Ja, das stimmt auf privater Ebene. Aber der Staat, die Politik, muss das gesellschaftliche Bild im Blick haben. Und das sieht so aus: Mütter, die wenig oder nichts verdienen, begeben sich in eine finanzielle Abhängigkeit von ihren Männern. Das ist unproblematisch, wenn die Beziehung funktioniert. Aber Beziehungen scheitern. Und dann? Rund 82 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen, viele von ihnen sind von Armut bedroht oder betroffen. Auch Altersarmut ist weiblich. Dazu kommt: Vor allem in von Frauen dominierten Branchen fehlen Fachkräfte (Erziehung, Pflege, Gesundheitswesen).

    Fakten, die aus politischer Sicht dagegensprechen, das System zu erhalten. Um es zu ändern, muss der Staat seine Mittel ausschöpfen. Eines ist das Elterngeld. Müssten etwa die Partner – also meistens Väter – mehr als zwei Monate zu Hause bleiben, wäre das ein Signal: Haushalt und Kindern sind nicht automatisch Frauensache und Beruf und Familienfinanzen nicht die Männerdomäne. 

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