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Analyse: Lindner entwickelt sich zum Nebenkanzler der Ampel-Regierung

Analyse

Lindner entwickelt sich zum Nebenkanzler der Ampel-Regierung

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    FDP-Finanzminister Christian Lindner entwickelt sich zur Nummer zwei im Kabinett.
    FDP-Finanzminister Christian Lindner entwickelt sich zur Nummer zwei im Kabinett. Foto: Eric Piermont, AFP/dpa

    Von seinem Amt hatte Christian Lindner schon früh eine klare Vorstellung. „Wer auch immer Finanzminister wird“, prophezeite der FDP-Chef kurz vor der Bundestagswahl, „er wird sehr häufig sagen müssen: Nein, nicht jetzt.“ Das Bild vom Kassenwart der Republik, der die Steuergroschen ihrer Bürger tapfer gegen alle Begehrlichkeiten verteidigt, ist wie gemalt für einen Liberalen: ein schlanker Staat, niedrige Steuern – und eine funktionierende Schuldenbremse.

    Jetzt also klare Kante: Bundeskanzler Olaf Scholz legt in vielen Bereichen eine Kehrtwende hin.
    Jetzt also klare Kante: Bundeskanzler Olaf Scholz legt in vielen Bereichen eine Kehrtwende hin. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Ein halbes Jahr später hat der Finanzminister Lindner 60 Milliarden Euro für den Klimaschutz an der Schuldenbremse vorbeigeschleust und weitere 100 Milliarden für die Bundeswehr versprochen. Es scheint, als werfe ausgerechnet er mit dem Geld nur so um sich – Motto: Scholz verspricht, Lindner zahlt.

    Krach mit den Grünen ist programmiert

    Tatsächlich jedoch hat der FDP-Vorsitzende früh erkannt, dass in unsicheren Zeiten keine Krämerseelen gefragt sind, und die Bundeswehr quasi über Nacht zu seinem Thema gemacht. Formell ist der Grüne Robert Habeck zwar der Vizekanzler, faktisch aber führt Christian Lindner sein Finanzministerium wie ein Nebenkanzleramt. Hier wird entschieden, wofür Geld da ist und wofür nicht mehr – entsprechende Grabenkämpfe in der Koalition inklusive. Die ersten Grünen empören sich bereits über das Milliardenpaket für die Bundeswehr, weil sie fürchten, dass nun am Klimaschutz gespart werde. Hat Lindner nicht gerade erst gesagt, im Bundeshaushalt müsse er nun Prioritäten setzen? Dabei ist der Etat schon jetzt auf Kante genäht und die Liste der darüber hinausgehenden Wünsche aus den Ministerien lang. Nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen addieren sie sich für dieses Jahr auf 70 Milliarden Euro.

    Dafür, dass Lindner ohne jede Regierungserfahrung das vielleicht wichtigste Ministerium übernommen hat, geht er bemerkenswert entschlossen zur Sache. So treibt er parallel zum aktuellen Krisenmanagement auch den Umbau des Hauses zu einer Bastion der ökonomischen Vernunft aus – ein Anspruch, den in bester Erhard'scher Tradition bislang das Wirtschaftsministerium für sich reklamiert hatte. Der frühere Wirtschaftsweise Lars Feld, den der alte Finanzminister Olaf Scholz noch aus dem Sachverständigenrat gemobbt hatte, berät jetzt den neuen Finanzminister. Außerdem ersetzt Lindner einen Abteilungsleiter mit SPD-Parteibuch, der die Schuldenregeln lieber heute als morgen lockern würde, durch den erst 37-jährigen Generalsekretär des Sachverständigenrates, Wolf Heinrich Reuter – wie Feld ein Anhänger der ordoliberalen Schule. Das Signal ist klar: Auch wenn Corona und die Ukraine-Krise enormen finanziellen Einsatz verlangen, steht die Schuldenbremse nicht zur Disposition.

    Die Union klagt vor dem Verfassungsgericht

    Deren Einhaltung „ist und bleibt ein Gebot ökonomischer Klugheit“, sagt Lindner selbst. Mit dem Vorwurf, die Politik lagere dazu immer mehr Risiken in Schattenhaushalte wie den neuen Topf für die Bundeswehr oder den Fonds für die Fluthilfe aus, wird er allerdings noch länger leben müssen. Schon jetzt hat Deutschland Kredite von mehr als 100 Milliarden Euro in solchen Nebenhaushalten versteckt, das Geld für die Bundeswehr noch nicht mitgerechnet. Am heikelsten ist dabei vermutlich Lindners Trick, die für den Kampf gegen Corona gedachten 60 Milliarden Euro in einen Klimafonds umzuleiten. Ob das überhaupt rechtens ist, will die Unions-Fraktion jetzt vom Bundesverfassungsgericht überprüfen lassen.

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