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Libanon, Iran, Gaza, Jemen: Das sind die Schauplätze des Konflikts mit Israel

Analyse

Bodenkrieg im Libanon: Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Flächenbrand

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    Ein israelischer Panzer unweit der Grenze zum Libanon. Bisher ist noch unklar, welches Ausmaß die Offensive auf libanesischem Boden haben wird.
    Ein israelischer Panzer unweit der Grenze zum Libanon. Bisher ist noch unklar, welches Ausmaß die Offensive auf libanesischem Boden haben wird. Foto: Baz Ratner, AP/dpa

    Der Weg der Eskalation in Nahost verläuft mit einer gnadenlosen Konsequenz. Er begann am 7. Oktober 2023 mit dem beispiellosen Massaker durch die Hamas und anderen Terrorgruppen, mündete in einen Krieg in Gaza mit Zehntausenden Toten und führt nun in einen Bodenkrieg im Libanon. Doch nun richten sich die Blicke auf Teheran. Von Iran aus wurden am Abend, so melden israelische Medien, mehr als 100 Raketen abgeschossen. Die Menschen in Tel Aviv und anderen Städten Israels wurden aufgefordert, Schutzräume aufzusuchen.

    Mit dieser direkten Attacke Irans auf Israel wächst die Gefahr für einen Flächenbrand, in den weitere Mächte hineingezogen werden könnten – allen voran die USA, die in der Region traditionell ein entscheidender Machtfaktor ist. Ein Blick auf die Schauplätze:

    Libanon: Der Krieg ist zurück

    Ob „begrenzt“ oder nicht, Israel führt wieder Krieg auf libanesischem Boden – so wie 1982 und zuletzt 2006. Seit Monaten beschießen die Hisbollah und die israelischen Streitkräfte sich wechselseitig mit Raketen. Erklärtes Kriegsziel der Regierung von Benjamin Netanjahu ist es, zu erreichen, dass vom Süden des Libanons keine Gefahr mehr für die Bevölkerung im Norden Israels ausgeht. Die Frage ist, ob Netanjahu nicht weitergehende Pläne verfolgt. „Ich bin mir sicher, dass die Israelis die Chance nutzen wollen, die geschwächte Hisbollah für lange Zeit unschädlich zu machen“, sagt Jaqueline Flory, Vorsitzende der Hilfsorganisation Zeltschule, die im Libanon und in Syrien Schulen für Flüchtlingskinder betreibt, unserer Redaktion. Aktuell betreut die Organisation Tausende Flüchtlinge, die vor den Kämpfen Schutz suchen.

    Flory, die vor wenigen Tagen im Libanon war, rechnet mit weiteren Luftangriffen Israels und einer Ausweitung der Offensive am Boden. Bisher habe Israel mit gezielten Schlägen versucht, die Opfer unter Zivilisten zu begrenzen. „Der Libanon ist gespalten, große Teile der Bevölkerung hoffen jedoch, dass die Terror-Organisation Hisbollah an Macht einbüßt und das Land in Zukunft nicht mehr in Geiselhaft nehmen kann“, sagt Flory. Tatsächlich steht die Hisbollah nicht nur militärisch unter extremem Druck. Sie ist durch die Fähigkeiten der israelischen Geheimdienste, fast beliebig führende Akteure der schiitischen Miliz durch gezielte Tötung auszuschalten, auch personell stark geschwächt.

    Bisher hat der mächtigste Mann im Iran, Ajatollah Ali Chamenei, nicht den Befehl für einen direkten Angriff auf Israel gegeben.
    Bisher hat der mächtigste Mann im Iran, Ajatollah Ali Chamenei, nicht den Befehl für einen direkten Angriff auf Israel gegeben. Foto: Uncredited, Office of the Iranian Supreme Leader, AP, dpa

    Der Iran: zögernde Mullahs

    Die Drohung aus Teheran ist sattsam bekannt: Israel müsse vernichtet werden. „Oft vergessen wird dabei, dass der Iran zu diesem Zweck systematisch Milizen in verschiedenen Ländern aufgebaut hat und unterstützt, die diesen Kampf gegen Israel führen sollen – die sogenannte Achse des Widerstandes. Einen direkten Krieg gegen Israel wollte Teheran selbst nie riskieren“, sagt Ferhad Payar von der Onlineplattform Iran Journal im Gespräch mit unserer Redaktion.

    Diese Strategie dürfte erklären, warum der mächtigste Mann im Land, Religionsführer Ali Chamenei, bisher allem Drängen, doch endlich in den Krieg einzugreifen, nicht nachgekommen ist. Eine Attacke mit Raketen, wie sie am Dienstagabend startete gilt als ein Eingreifen unter dieser Schwelle.

    Vor wenigen Tagen berichtete das US-amerikanische Nachrichtenportal Axios, dass die Hisbollah-Miliz vom Iran verlangt hat, Israel endlich anzugreifen. Die Forderungen verhallten – sogar, nachdem Israel am 27. September den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getötet hat. Experte Payar glaubt nicht, dass Chamenei seine Haltung ändern wird: „Mir scheint, dass die Machthaber in Teheran verwirrt sind, überrascht von der Heftigkeit der israelischen Schläge gegen seine Achse des Widerstandes.“ Zudem wirkt immer noch die Demütigung vom 31. Juli nach, als der Hamas-Führer Ismail Hanija ausgerechnet im Gästehaus der Revolutionsgarden in Teheran von einem Sprengsatz getötet wurde.

    Es ist ein Grundsatz der Mullahs, dass der Bestand der Islamischen Republik über allem steht. Doch ein direkter Krieg gegen Israel, der über Nadelstiche mit Raketen oder Drohnen hinausgeht, könnte das System gefährden. Nicht zuletzt, da das Regime von einer Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt wird. „Ich kenne kaum einen Experten, der glaubt, dass der Iran in einem umfassenden militärischen Konflikt mit Israel bestehen könnte, zumal sich dann wohl auch die USA einschalten würden“, sagt Payar, der auch den umgekehrten Fall für möglich hält: Israel könnte das Momentum nutzen und seinerseits punktuelle Angriffe gegen iranische Atomanlagen oder für das Gemeinwesen existenzielle Infrastruktur führen.

    Gaza: Krieg in der Sackgasse

    Am Beispiel des Krieges in Gaza zeigt sich, wie selektiv die Weltöffentlichkeit Konflikte wahrnimmt. Der Beginn des „begrenzten“ Bodenkrieges im Libanon, droht das Interesse an der völlig festgefahrenen Lage im Gazastreifen mit katastrophalen humanitären Bedingungen zu absorbieren. Dabei gehen die Kämpfe, die bereits Zehntausende, überwiegend palästinensische Opfer gefordert und das dicht besiedelte Gebiet in eine Trümmerwüste verwandelt haben, unvermindert weiter. Noch immer werden israelische Geiseln von der Hamas festgehalten. Eine Waffenruhe ist nicht in Sicht: Indirekte Gespräche zwischen Israels Regierung und der Hamas kommen nicht voran. Gleichzeitig fehlt der israelischen Regierung offensichtlich nicht nur eine Strategie, diesen Krieg zu beenden, sondern auch ein Konzept, wie ein Gaza aussehen könnte, von dem keine Bedrohung mehr ausgeht.

    Huthi-Anhänger bei einer Demonstration für die Palästinenser, gegen Israel und die USA.
    Huthi-Anhänger bei einer Demonstration für die Palästinenser, gegen Israel und die USA. Foto: Osamah Yahya, Zuma Press Wire, dpa

    Jemen: Angriffe aus der Distanz

    Dass die vom Iran unterstützten Huthi im Bürgerkriegsland Jemen einmal ein militärisch ernst zu nehmender Akteur in Nahost sein würden, war vor nicht allzu langer Zeit undenkbar. Doch jetzt bedrohen die Raketen der schiitischen Miliz israelisches Kernland. Die Huthi feuern ihre Geschosse, die meist abgefangen werden, auf Israel. Ihr Motiv ist Solidarität mit der Hamas. Israel reagiert auf die Attacken mit zunehmender Härte, zuletzt am Sonntag mit einem Angriff von Kampfjets gegen die Stellungen der Miliz in verschiedenen jemenitischen Orten. Doch die Huthi sehen die Einsätze der israelischen Luftwaffe offensichtlich fast als Ritterschlag, als Anerkennung ihrer Schlagkraft.

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