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Analyse: Annexion: Warum Israel seine Pläne ab Juli durchsetzen will

Analyse

Annexion: Warum Israel seine Pläne ab Juli durchsetzen will

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    Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit Corona-Mundschutz: Er gibt sich entschlossen Teile des Westjordanlands zu annektieren.
    Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu mit Corona-Mundschutz: Er gibt sich entschlossen Teile des Westjordanlands zu annektieren. Foto: Menahem Kahana, dpa

    Obwohl der Countdown läuft, ist derzeit völlig unklar, wie, wann, ja sogar ob Israel die Annexionspläne für Teile des Westjordanlandes verwirklichen wird. Es geht um bis zu 30 Prozent des besetzten Gebietes. Bei Netanjahu löste der Vorstoß aus Washington ein unverhofftes Glücksgefühl aus. Seine Euphorie war mit Händen zu greifen, als er den Plan Ende Januar zusammen mit US-Präsident Trump im Weißen Haus präsentierte. Wie alte Kumpels feierten sich die beiden für den "Jahrhundertdeal", der das Zeug dazu habe, endlich Frieden für Palästina und Israel zu bringen. Mit dabei stand der eigentliche Initiator des Konzeptes, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner. Ein Blick auf den Inhalt erklärt, warum

    Israel darf nach dem Plan nicht nur seine großen Siedlungen behalten

    Israel darf hingegen nicht nur seine großen Siedlungen behalten, sondern auch kleinere Orte tief im Westjordanland. Für Israel würde ein vierjähriger Stopp beim Siedlungsbau gelten - allerdings versicherte Netanjahu nach Kritik aus den eigenen Reihen, dass es dabei nur um Gegenden gehen würde, in denen es keine Siedlungen und keine unmittelbaren Annexionspläne gibt. Israelische Hauptstadt wird das ungeteilte Jerusalem. Zur Hauptstadt der Palästinenser soll ein Vorort im Osten Jerusalems werden, der durch meterhohe Betonmauern von der Innenstadt getrennt ist.

    Palästina ist zudem verpflichtet, Israel als jüdischen Staat anzuerkennen und dem Terrorismus abzuschwören. Auch die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas müsste ihre Waffen abgeben. Das sind vernünftige Punkte, doch leider fehlt es an Gegenleistungen, die es palästinensischen Politikern möglich machen würden, zuzustimmen, ohne politischen Selbstmord zu begehen. Der Palästinenserpräsident Mahmud Abbas reagierte im Mai auf den Kushner-Plan, indem er das Ende aller Vereinbarungen mit Israel und den USA erklärte. Anfang Juni legte die Palästinenserführung einen eigenen Nahostplan vor. Kern ist die Gründung eines "souveränen, unabhängigen und entmilitarisierten Palästinenserstaates". Das Papier sieht "geringfügige Änderungen der Grenzen vor". Eine Zustimmung Israels gilt als ausgeschlossen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich jetzt bitter rächt, dass die Palästinenser eine ganze Reihe von weit attraktiveren Friedensangeboten in den letzten Jahrzehnten abgelehnt hatten.

    Für Trump und Netanjahu geht es auch um innenpolitische Entlastung

    Für Trump und Netanjahu ging und geht es auch um innenpolitische Entlastung durch den Nahost-Vorstoß. Der US-Präsident war im Januar 2020 noch von einem Amtsenthebungsverfahren bedroht. Netanjahu kämpfte um eine Regierungsmehrheit. Auch hatte er bereits einen Prozess wegen Korruption vor Augen. Heute - knapp fünf Monate später - führt Netanjahu eine Regierung mit seinem zuvor hartnäckigsten Rivalen Benny Gantz an, doch seine juristischen Probleme sind nicht kleiner geworden - das Verfahren wurde tatsächlich eröffnet. Trump befindet sich in der schwersten Krise seiner Amtszeit. Ihm wird nicht nur Versagen in der Corona-

    Gegner des "Jahrhundert-Deals" hoffen, dass die Pläne in der Schublade bleiben

    Ganz anders sehen das die Gegner des "Jahrhundertdeals". Sie hoffen, dass der komplizierte Plan wegen seiner schwer absehbaren Folgen vorerst in der Schublade bleibt und die Karten nach einer Niederlage Trumps neu gemischt werden. Diese Hoffnung dürfte - allerdings unausgesprochen - auch die deutsche Bundesregierung hegen. Die Sorge in Berlin ist, dass die Europäische Union sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen kann, wenn Israel tatsächlich Ernst machen sollte. Ein Streit könnte einen Schatten auf den deutschen EU-Vorsitz von Juli bis Dezember 2020 werfen.

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