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Analyse: An Merkel kommt Sigmar Gabriel nicht vorbei

Analyse

An Merkel kommt Sigmar Gabriel nicht vorbei

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    Kanzlerin Angela Merkel steht mit breitem Lachen vor einem ernsten SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er kommt an ihr nicht vorbei.
    Kanzlerin Angela Merkel steht mit breitem Lachen vor einem ernsten SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er kommt an ihr nicht vorbei. Foto: AFP PHOTO / TOBIAS SCHWARZ

    Darf er das überhaupt? Und kann ein Mann, der nicht zum ersten Mal seine Gefühle nicht unter Kontrolle hat, emotional und unbeherrscht reagiert und für seine Stimmungsschwankungen bekannt ist, überhaupt Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden? Als vor wenigen Tagen die Bilder die Runde machten, auf denen zu sehen war, wie Sigmar Gabriel Pöblern der rechten Szene den ausgetreckten Mittelfinger zeigte, drehte sich sofort alles um diese Fragen. Hat der Vizekanzler, Wirtschaftsminister und SPD-Chef überhaupt das Format für das Amt des Regierungschefs? Oder steht er sich selber im Wege?

    Gabriel, der seit der schweren Wahlniederlage im Jahr 2009 an der Spitze der SPD steht und damit der am längsten amtierende Parteichef seit dem Rücktritt des verklärten Übervaters Willy Brandt ist, ist Realist genug, um seine Stärken wie seine Schwächen zu kennen. Er weiß um seine schlechten Werte bei Meinungsumfragen und die negativen Beurteilungen, die über ihn im Umlauf sind. Dass er sprunghaft und unberechenbar, laut und polternd, eigensinnig und rechthaberisch ist, dass er aber auch wie kein anderer Spitzenpolitiker Stimmungen erkennt und aufgreift, Themen setzt und gerne deutliche Worte wählt.

    So spricht trotz aller Zweifel an seiner Person 13 Monate vor der Bundestagswahl im September kommenden Jahres alles dafür, dass Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat der SPD antritt und Amtsinhaberin Angela Merkel herausfordert. Dieses Mal kann er sich nicht mehr wie 2013, als er Ex-Finanzminister Peer Steinbrück vorschob, vor der Verantwortung drücken. Dieses Mal muss er selber die Rolle des Zugpferdes übernehmen. Und das obwohl es auch in den eigenen Reihen Vorbehalte gegen ihn gibt. Vor allem den Jusos und dem linken Flügel ist der Realpolitiker, als Minister in die Kabinettsdisziplin eingebunden, nicht links genug.

    Lieber das Ende der Ära Merkel abwarten

    Doch ein wirklich ernst zu nehmender Rivale, der ihm die Kandidatur streitbar machen könnte, ist nicht in Sicht. Wer wie die Ministerinnen Andrea Nahles oder Manuela Schwesig seine politische Zukunft noch vor sich hat, will sich nicht zu früh aus der Deckung wagen und lieber das Ende der Ära Merkel abwarten.

    Denn auch Sigmar Gabriel steht vor dem selben Dilemma wie seine beiden erfolglosen Vorgänger Frank-Walter Steinmeier 2009 und Peer Steinbrück 2013: Der SPD fehlt das Wichtigste, nämlich eine Machtoption. Wer SPD wählt, bekommt ein viertes Mal Angela Merkel als Kanzlerin. Als Juniorpartner der Union in der Großen Koalition ist es den Sozialdemokraten nicht gelungen, aus dem Schatten der Merkel-Partei zu treten. Obwohl sie im Regierungsbündnis oft den Ton vorgaben und ihre Kernforderungen von Mindestlohn über Mietpreisbremse bis Rente mit 63 durchsetzten, blieben sie regungslos im 25-Prozent-Tief.

    Für Rot-Grün reicht es auch im nächsten Jahr nicht. Bliebe nur Rot-

    Sigmar Gabriel muss kandidieren

    Sigmar Gabriel wird kandidieren, weil er kandidieren muss. Aber für ihn dürfte es schon ein Erfolg sein, wenn er es schafft, die SPD an den Fleischtöpfen der Macht zu halten. Denn im Gegensatz zu ihm könnte Angela Merkel nach der nächsten Bundestagswahl – wie bereits 2013 – in der komfortablen Lage sein, sich den Koalitionspartner aussuchen zu können.

    Von einem solchen Luxus kann die SPD auf Bundesebene auf absehbare Zeit nur träumen.

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