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Ampelkoalition: Für die neue Ampelkoalition gibt es keine Gnadenfrist

Ampelkoalition

Für die neue Ampelkoalition gibt es keine Gnadenfrist

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    Christian Lindner, Robert Habeck, und Olaf Scholz (SPD, von links) sprechen in der Bundespressekonferenz nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP zur Bildung einer Bundesregierung.
    Christian Lindner, Robert Habeck, und Olaf Scholz (SPD, von links) sprechen in der Bundespressekonferenz nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen und FDP zur Bildung einer Bundesregierung. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Es gab Zeiten, da wurde neuen Regierungen eine 100-Tage-Frist zur Orientierung zugebilligt. Das Stillhalteabkommen, das wohl auf Vereinbarungen aus dem angelsächsischen Raum zurückgeht, war keine Verschwörung zwischen Politik und Journalismus. Es sollte den Neuen vielmehr Gelegenheit geben, erst einmal mit der Belegschaft zu sprechen, Erfahrung zu sammeln und sich einzurichten. Heutzutage gibt es keine Gnadenfrist mehr und das musste auch die neue Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP erfahren. Sie wurde bereits mit Forderungen und konkreten Erwartungen bombardiert, als die Vereidigung der neuen Regierung noch absehbar war. Die soll nun am Mittwoch über die Bühne gehen, Zeit für den designierten Bundeskanzler Olaf Scholz, seinen neuen Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) vor die Hauptstadtpresse zu treten und sich ersten Fragen zu stellen. Auch da wurden sie kaum geschont.

    Die Bundespressekonferenz hatte die drei Politiker zu sich eingeladen. Mitglieder des Vereins sind auch ausländische Korrespondentinnen und Korrespondenten, und so musste das Ampel-Trio nicht nur innen-, sondern auch viele außenpolitische Fragen beantworten. Gerade die sind brisant, denn da ist das Geschäft ebenfalls gnadenlos geworden: News gehen von jetzt auf gleich um den Globus, sie beeinflussen in Millisekunden die Aktienkurse und bewegen je nach Qualität Milliarden von Dollar.

    Macht Scholz den China-Boykott mit?

    Ein Korrespondent der amerikanischen Nachrichtenagentur AP durfte den Fragereigen eröffnen und stellte direkt die erste Frage mit Sprengpotenzial. Die USA hätten sich entschieden, keine offiziellen Vertreter zu den Olympischen Winterspielen in China zu entsenden – ob die neue Bundesregierung sich diesem diplomatischen Boykott anschließe, wollte der Korrespondent der weltweit größten Nachrichtenagentur wissen. Es waren in dieser einen Frage schon einige Mega-Themen versammelt, denen sich Scholz und sein neues Team stellen müssen: China, die Menschenrechte, das transatlantische Verhältnis zu den USA, die globalen Handelsbeziehungen. Scholz antwortete praktisch gar nicht auf die Frage, er machte später deutlich, dass er zunächst einmal mit US-Präsident Joe Biden sprechen wolle.

    Klar wurde aber auch, dass sich die Ampel-Regierung zunächst schwerpunktmäßig auf die EU konzentrieren will. Scholz‘ erste Reise als neuer Kanzler wird ihn nach Paris führen. Das hat nicht nur Tradition, es ist auch dringend geboten. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron hat die Zeit des Regierungswechsels bereits genutzt, um Terrain zu erobern, das durch den Rückzug von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) frei geworden ist. Macron hat gerade eine Kooperation mit Italien unterzeichnet. Es geht unter anderem um finanzielle Fragen und den EU-Stabilitätspakt, da ist Lindner als Finanzminister gefordert. Der Klimaminister Habeck wiederum muss Antworten auf die Frage geben, wieweit er wieweit er bei den EU-Vorgaben für umweltfreundliche Investitionen mitgehen will (Taxonomie). Frankreich drängt mit Macht darauf, dass die von den deutschen Grünen verteufelte Atomenergie als klimaneutral eingestuft wird. Hinzu kommt der drohende Krieg in der Ukraine, damit ist die neue Regierung dann ganz schnell bei der Frage, wie sich in Zukunft das Verhältnis der EU zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gestalten soll.

    Scholz, Habeck und Lindner gaben darauf nachvollziehbar vorsichtige Antworten: Man werde die Beziehungen zu China ausbauen, dabei gleichzeitig auf die Einhaltung der Menschenrechte dringen. Mit Putin werde man sprechen, auch mit den EU-Sorgenkindern Polen oder Ungarn.

    Ampelkoalition sagt radikalen Corona-Protesten den Kampf an

    Deutlicher konnten die drei Spitzenpolitiker, die gerade ihre Unterschrift unter den Koalitionsvertrag gesetzt hatten, bei innenpolitischen Themen werden. Die teils radikalen Proteste gegen die Corona-Politik geißelten sie mit scharfen Worten. Wenn mit Fackeln vor dem Haus einer Ministerin demonstriert werde, „dann ist das als Bedrohung gemeint“, sagte Scholz und mahnte, die Gesellschaft dürfe sich davon nicht anstecken lassen, „sondern wir müssen mit aller Entschiedenheit zurückweisen, dass es gewalttätige und Gewalt insinuierende Veranstaltungen gibt“. Der Hintergrund: Radikale Gegner der Corona-Politik waren neulich vor das Wohnhaus der sächsischen Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) gezogen. Der neue Wirtschaftsminister Habeck wurde da gar noch eine Spur drohender als sein neuer Chef. Man werde „sehr deutlich klarmachen, wo die Grenzen überschritten sind“, sagte er. Wenn es da eine Frontenbildung gebe, müsse „innenpolitisch reagiert“ werden.

    Drei Männer saßen auf dem Podium. Die berechtigte Frage, was es über die neue Regierung aussage, dass keine Frau dabei sei, konnte Scholz mit dem Verweis auf das paritätisch besetzte Kabinett kontern. Ziel der Ampel sei es, „eine Gesellschaft zu schaffen, in der eine Gleichstellung von Männern und Frauen endgültig gelingt“, sagte der kommende Regierungschef.

    Eine andere Nachfrage richtete sich nach möglichen roten Linien, die die einzelnen Ampel-Parteien nicht überschreiten dürften. Was unisono zurückgewiesen wurde. „Ich würde nicht von Schmerzgrenzen reden, alle Parteien werden an sich wachsen, das ist ja völlig klar, aber zum Besseren“, sagte Habeck und ergänzte: „Ich sehe keine Schmerzgrenzen, sondern Wachstumsfreuden“. Lindner sah das ähnlich. Die drei Parteien wollten sich gegenseitig „nicht begrenzen, sondern erweitern“, kündigte er an.

    Ob das gelingt? In 100 Tagen ist die Republik schlauer.

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