„Gerd aufs Pferd“ riefen die Genossinnen und Genossen einst euphorisch. 1990 war das, Gerhard Schröder machte die SPD in Niedersachsen zur stärksten Partei, wurde Ministerpräsident und löste seinen CDU-Vorgänger Ernst Albrecht ab. 14 Jahre lang hatte Albrecht im nördlichen Bundesland mit dem springenden Pferd im Wappen das Zepter geführt – „Acker“ Schröder stand da für die Abkehr vom Establishment, für Frische und Aufbruch.
32 Jahre später ist davon nichts mehr übrig. Viele SPD-Mitglieder wenden sich vom Alt-Kanzler ab, schütteln den Kopf, wenn man sie nach ihrem langjährigen Anführer fragt. Schröders Geschäftsbeziehungen und seine Männerfreundschaft zum russischen Präsidenten Wladimir Putin passen so gar nicht in diese Welt. Zumindest für die meisten Sozialdemokraten.
Gerhard Schröder ist nicht der einzige Putin-Versteher in der SPD
Schröder denkt offenbar nicht daran, sich von Putin zu trennen. In einem im Internet veröffentlichten Beitrag fordert er: „Der Krieg und das damit verbundene Leid für die Menschen in der Ukraine muss schnellstmöglich beendet werden.“ Der Alt-Kanzler kennt den Schuldigen, nennt seinen Freund Putin aber nicht beim Namen. „Das ist die Verantwortung der russischen Regierung“, erklärt er lediglich.
Der 77-Jährige fordert dazu auf, „dass jetzt bei notwendigen Sanktionen darauf geachtet wird, die verbliebenen politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Verbindungen, die zwischen Europa und Russland bestehen, nicht gänzlich zu kappen“. Der Satz führt bewusst in die Irre, denn die beschlossenen Sanktionen zielen nur auf den Wirtschaftsbereich. Diesem gilt Schröders Hauptsorge, aber nicht nur seine, denn er ist nicht der einzige Putin-Versteher in der SPD.
Bereits nach seiner Abwahl als Kanzler 2005 hatte Schröder einen Posten beim Pipeline-Projekt Nord Stream angenommen, für das er noch kurz zuvor als Bundeskanzler den Weg frei gemacht hatte. Ab 2016 kümmerte er sich für Gazprom um das Nachfolgeprojekt Nord Stream 2. Ein Jahr später, mitten im Wahlkampfendspurt, kandidierte er für einen lukrativen Posten beim halbstaatlichen russischen Ölgiganten Rosneft.
Das alles löste zwar Fassungslosigkeit und Entsetzen in der SPD, groß geschadet hat es ihm indes nie. Dass Schröder Präsident Putin einst als „lupenreinen Demokraten“ bezeichnete, dass der wiederum die Krim annektierte und den syrischen Diktator Assad offen unterstützte, hatte für Schröder ebenfalls keine Konsequenzen. Der Steuerzahler musste im vergangenen Jahr mehr als 400.000 Euro für Schröders Büro und Mitarbeiter ausgeben, die ihm als Altkanzler zustehen.
So stark ist die Sozialdemokratie in Deutschland ins Russland-Geschäft verstrickt
Viele Sozialdemokraten erinnern angesichts des Ukraine-Krieges an ein Ereignis im Jahr 2014, das zeigt, wie tief die SPD ins Russland-Geschäft verstrickt ist. Putin hatte die die Ostukraine angegriffen, die EU war sich einig, dass dem nur mit schärferen Sanktionen und einer stärkeren Isolation seines Landes begegnet werden könne. Mecklenburg-Vorpommern allerdings pfiff auf die EU, wie Schröder es heute auch tut. Der „Russlandtag 2014“ wurde wie geplant durchgezogen. Schröder war Ehrengast. Als Schirmherr trat der damalige Ministerpräsident Mecklenburg-Vorpommerns, Erwin Sellering (SPD), auf.
Den Club komplett machte Wolfgang Clement, ehemals Bundeswirtschaftsminister und SPD-Mitglied. Der mittlerweile verstorbene Clement gehörte dem Vorstand des Ostinstituts Wismar an, das die Zusammenarbeit mit Russland fördern will. Clement war auch schon als Aufsichtsrat des russischen Beratungsunternehmen Energy Consulting tätig, das wiederum Gazprom zu seinen Kunden zählte.
Das ist nur ein Beispiel für die vielfältigen Beziehungen der SPD zu Russland. Die mecklenburg-vorpommerische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) etwa kämpfte bis zuletzt für Nord Stream 2. Mit Erfolg: Ihr Parteifreund und Kanzler Olaf Scholz hat das Projekt im Rahmen der Russland-Sanktionen nur ausgesetzt, es aber nicht endgültig beerdigt.
Die nächsten Tage werden zeigen, ob der Genosse Schröder ungeschoren davonkommt. Die Wut über ihn wächst, in den Ortsvereinen mehren sich gerade die Forderungen nach einem Parteiausschlussverfahren, falls der Putin-Freund seine lukrativen Verträge mit Moskau nicht kappt.