Die Energie- und Lebensmittelkosten steigen, die Mieten auch, hohe Kreditzinsen und gestiegene Materialkosten lassen Bauvorhaben platzen, die Krankenkassen verlangen höhere Zusatzbeiträge und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wünscht sich ein soziales Pflichtjahr – ein Jahr, in dem junge Menschen unbezahlte Arbeit leisten sollen. Wie sollen junge Menschen da ihr Leben bestreiten und am besten gleichzeitig noch privat fürs Alter vorsorgen?
„Ich mache mir Gedanken und ich habe einen Fonds für die Altersvorsorge“, sagt Maximilian Wagner, 24 Jahre alt. Er zahle monatlich etwas ein, wenn auch nicht viel, da er noch studiere. Dass der Generationenvertrag, nach dem die arbeitenden Generationen die Renten der Rentnergenerationen finanzieren, nur noch eingeschränkt funktioniert, ist zu den 17- bis 27-Jährigen durchgedrungen. Bestätigt wird das durch eine Jugendstudie aus der Metallindustrie: 90 Prozent der Befragten halten es danach für notwendig, privat vorzusorgen. 43 Prozent der jungen Menschen zwischen 14 und 29 Jahren, die für eine andere Studie befragt wurden, nannten Altersarmut als eine ihrer größten Sorgen neben Inflation, Klimawandel und Rezession.
Altersvorsorge galt früher als geregelt
Ein Autor der Studie ist Klaus Hurrelmann von der privaten Hertie-Universität in Berlin. Dass sich Menschen unter 30 mit dem Thema Rente auseinandersetzen, findet er ungewöhnlich. Es sei schließlich eine Lebensphase, in der man anderes im Kopf habe. Vor 30 Jahren sei die Altersvorsorge noch kein großes Thema für junge Menschen gewesen, denn sie galt als geregelt. Mit den verschiedenen Rentenreformen und der Diskussion um das Absinken des Rentenniveaus setzte jedoch ein Bewusstseinswechsel ein.
Die vermehrte Beschäftigung mit dem Thema Rente in der jungen Generation führt Hurrelmann darauf zurück, dass man in unsicheren Zeiten mehr darüber nachdenke, was später noch alles sein könnte. Es entstehe ein Bewusstsein dafür, dass die Absicherung gegenüber unvorhersehbaren Ereignissen von Bedeutung sein könne. Klar sei den jungen Menschen auch, dass sie den Lebensstandard, den sie von ihren Eltern kennen, nicht halten werden können. In Teilen gelte dies sogar schon für ihre Elterngeneration: Im Jahr 2030 etwa wird ein Versicherter, der 45 Jahre durchschnittlich verdient hat und in den Ruhestand geht, nur noch 43 Prozent davon als Altersgeld erhalten.
Männer investieren häufiger in private Altersvorsorge
Bemerkenswert findet Hurrelmann auch, dass den meisten jungen Menschen klar sei, dass sie aus eigener Initiative etwas unternehmen müssen – etwa sich um eine Betriebsrente bemühen, die längst nicht überall obligatorisch sei, oder in eine zusätzliche private Altersvorsorge zu investieren. „Das Wissen ist da, nur die Umsetzung fehlt“, sagt er. Allerdings seien die Unterschiede zwischen den Geschlechtern dabei sehr groß.
Es sind überwiegend Männer, die in eine private Altersvorsorge investieren. Das ist nach Ansicht von Hurrelmann erstaunlich, denn Frauen erzielen inzwischen die höheren und besseren Abschlüsse, beginnen häufiger als junge Männer ein Studium und sind damit beim Start in den Beruf tendenziell erfolgreicher. Umso überraschender findet der Forscher Hurrelmann: „Das schlägt sich überhaupt nicht nieder in den eigenen Umsetzungsschritten für die private Altersvorsorge.“ Sogar die Frauen mit guten Karrieremöglichkeiten hielten sich zurück, Geld anzulegen oder sich überhaupt zu informieren. Hurrelmann sagt, dieser Umstand sei schwer erklärbar: „Es ist irritierend, weil die Studien zeigen, dass der Bildungsgrad mit der Bereitschaft zusammenhängt, das System zu durchschauen. Dass das bei den Frauen nicht klappt, kann man nur mit alten Rollenbildern erklären, die anscheinend tief sitzen.“ Die Frauen blieben eben doch zuhause, wenn ein Kind komme.
Das Thema der Altersvorsorge wird oft ausgeblendet
Zum Teil beschneiden sich junge Menschen auch selbst in ihren finanziellen Möglichkeiten. Nach verschiedenen Studien entscheiden sich immer mehr Männer, vor allem aber viele Frauen dazu, entweder gar keine volle Stelle anzunehmen oder die Arbeitszeit zu reduzieren, sobald sich Nachwuchs einstellt. Diesen Trend gibt es nach Hurrelmanns Erkenntnissen inzwischen auch schon bei den Berufsanfängern. Sie würden sich sorgen, dass ihre Lebensqualität durch viele Stunden Arbeit leide. Außerdem fördere die gegenwärtige „Krisenkonstellation“ das Nachdenken über das Verhältnis von Arbeit und Freizeit.
Was es für die Rente bedeute, wenn jemand nur noch in Teilzeit arbeite – darüber, warnt Hurrelmann, werde nicht nachgedacht. Viele blendeten das Thema Altersvorsorge mit einer gewissen Sorglosigkeit aus und entschieden sich gerade in der Krise dafür, lieber im Hier und Jetzt zu leben. Nicht immer alles vorauszuplanen sei zwar „eine gesunde Haltung dem eigenen Leben gegenüber“, sagt Hurrelmann. Sie sei eigentlich wünschenswert, in der heutigen Zeit aber riskant.
Bei manchen jungen Menschen keimt allerdings noch die Hoffnung, dass sich die Politik schon um ihre Belange kümmert. Tamara Spöhrer, 25 Jahre alt und Auszubildende, vertraut darauf, dass die Bundesregierung die gesetzliche Rentenversicherung noch auf ein stabileres Fundament stellt. Andere sind da weniger optimistisch: „Ich habe nicht allzu viel Vertrauen in unsere Politikerinnen und Politiker,“ sagt Maximilian Wagner, der sich ein Rentensystem nach schwedischem Vorbild gut vorstellen kann. Trotzdem will er sich nicht darauf verlassen, dass andere gute Entscheidungen für ihn treffen. Es verschaffe ihm ein Gefühl von Sicherheit, sagt Wagner, einen Puffer für schwierige Zeiten zu haben oder ein Polster für die „Seniorenzeit.“