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Altersvorsorge: Ist die Riester-Rente am Ende, Herr Riester?

Altersvorsorge

Ist die Riester-Rente am Ende, Herr Riester?

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    Ex-Arbeitsminister Walter Riester hält eine Zusatzversorgung im Alter weiter für unverzichtbar.
    Ex-Arbeitsminister Walter Riester hält eine Zusatzversorgung im Alter weiter für unverzichtbar. Foto: Alexander Kaya

    Herr Riester, Horst Seehofer hat die Riester-Rente für gescheitert erklärt. Auch in Ihrer Partei, der SPD, wächst die Kritik. Was läuft da schief?

    Riester: Schief läuft nur eines: Durch diese Debatte werden die Menschen verunsichert, sie fragen sich, ob sie überhaupt noch einen Riester-Vertrag abschließen sollen oder ob sie einen bestehenden Vertrag nicht besser kündigen sollen. Sozialpolitisch betrachtet ist das eine Katastrophe. Bei Horst Seehofer überrascht mich das nicht, von ihm kennen wir solche Parolen. Dass aber auch Teile der SPD die Riester-Rente madig machen, empört mich. Ein Blick in die Zahlen der Rentenversicherer zeigt: 25 Prozent der Menschen, die riestern, verdienen weniger als 10.000 Euro im Jahr. Zwei Drittel liegen unter dem Durchschnittslohn, wie kann ein Mann wie SPD-Vize Ralf Stegner da behaupten, die Riester- sei nichts für Geringverdiener? Eine alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern, die in einem Teilzeitjob um die 800 Euro im Monat verdient, muss selbst nur 60 Euro aufwenden, um mithilfe der staatlichen Zulagen jedes Jahr 814 Euro zur Seite legen zu können.

    Nehmen Sie die Kritik eigentlich persönlich? Die Riester-Rente ist untrennbar mit Ihrem Namen verknüpft.

    Riester: Natürlich ärgert mich das auch persönlich, das leugne ich nicht. Aber darauf kommt es nicht an. Die Rente ist ein komplexes Thema – und sie ist ein sehr emotionales Thema. Umso wichtiger ist es, dass die Menschen Vertrauen in dieses System haben und die Politik nicht ständig neue Verunsicherung sät. Alle paar Jahre eine Rentendebatte: Das ist unverantwortlich.

    Dennoch stagniert die Zahl der Riester-Verträge bei gut 16 Millionen. Liegt es an den hohen Gebühren? An den strengen Anlagevorschriften oder einfach nur an den niedrigen Zinsen?

    Riester: Schauen wir uns die Vorwürfe doch mal genau an: Beim Wohn-Riester verlangen die Bausparkassen wie bei anderen Verträgen auch eine Abschlussgebühr von einem Prozent, haben aber einen größeren Aufwand, weil sie ja auch die Zulagen beantragen und verbuchen müssen. Bei Rentenversicherungen ist das ähnlich. Ein Banksparplan kostet, wenn überhaupt, zehn Euro pro Jahr. Und bei Investmentfonds wie dem Uni Global, mit dem 1,8 Millionen Menschen riestern, zahlen Sie wie jeder andere Kunde auch beim Kauf eines Anteils einen Ausgabeaufschlag von fünf Prozent und eine jährliche Verwaltungsgebühr von einem Prozent. Wie überall gibt es auch bei Riester-Verträgen gute und schlechte Angebote. Aber der Vorwurf, sie seien zu teuer, ist ebenso absurd wie der mit der übertriebenen Bürokratie. Als wir damals das Gesetz gemacht haben, hat jedenfalls kein Verbraucherschützer laut aufgeschrien.

    "Vorsorge hätte verpflichtend sein müssen"

    Wenn die Gefahr von Altersarmut tatsächlich zunimmt: War es dann nicht ein Fehler, bei der Riester-Rente auf Freiwilligkeit zu setzen anstatt sie für alle verpflichtend einzuführen?

    Riester: Ja natürlich war das ein Fehler – aber bitte nicht mein Fehler. Ich wollte damals das sogenannte Obligatorium, also eine Pflicht, auch privat vorzusorgen. Bundeskanzler Gerhard Schröder, Finanzminister Hans Eichel und SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte ich damals hinter mir. Dann aber hat die Bild-Zeitung mit der Schlagzeile von der „Zwangsrente“ massiv Stimmung gegen mich gemacht – und die Grünen, unser Koalitionspartner, haben sich davon ebenso anstecken lassen wie ein Teil meiner eigenen Partei. Im Bundestag hätte ich für eine verpflichtende Zweitrente damit keine Mehrheit mehr gehabt.

    In Schweden gibt es eine Art Riester-Rente, die jeder Beschäftigte abschließen muss. Dabei wählt der Staat selbst die jeweiligen Fonds aus und nicht die Bank oder eine Versicherung. Eine Alternative?

    Riester: Das war sogar eine Blaupause für mich! Kurz bevor ich Minister wurde, hat Schweden dieses Modell mit sechs oder acht Fonds eingeführt, in die man einzahlen kann. Wer sich für keinen entscheiden kann oder will, landet dann automatisch in einem staatlich betriebenen Fonds. Bizarrerweise sind es heute die Grünen, die sich für eine Vorsorge nach schwedischem Vorbild starkmachen. Damals haben sie mir nur Steine in den Weg geworfen. Den Mut, ihre Zusatzrente auch für alle zur Pflicht zu machen, haben sie allerdings noch immer nicht.

    Die SPD und die Gewerkschaften wollen die Rentenformel ändern und die gesetzlichen Renten erhöhen. Wie soll das ohne saftige Beitragserhöhungen funktionieren?

    Wenn Beiträge steigen sollen, gibt es nur zwei Alternativen

    Riester: Wenn die Beiträge nicht in die Höhe schießen sollen, gibt es nur zwei Alternativen: Entweder Sie bezahlen das aus Steuermitteln oder Sie heben das Rentenalter in Richtung der 70 Jahre an, von denen Wolfgang Schäuble gesprochen hat. Wer das nicht dazusagt, wenn er ein höheres Rentenniveau verspricht, täuscht die Menschen. Schon jetzt kommt mit 83 Milliarden Euro im Jahr rund ein Drittel der Einnahmen aus der Steuerkasse. Sollen wir daraus 130 Milliarden machen?

    Mal ehrlich: Verzweifeln Sie nicht allmählich an Ihrer Partei?

    Riester: Vieles von dem, was ich zurzeit aus der SPD höre, ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was wir damals vertreten haben. Da fragt sich auch jeder, der es noch gut mit uns meint: Wofür steht diese Partei denn jetzt noch? Und die, die uns kritisch gegenüberstehen, sagen: Typisch SPD. Beides ärgert mich.

    Wie sähe denn eine Rentenreform aus, wenn Sie heute Sozialminister wären?

    Riester: Ich möchte, dass aus jedem Erwerbseinkommen Rücklagen für die Rente gebildet werden, also auch aus den Einkommen von Selbstständigen und Beamten. In der Schweiz und Österreich, das nur als Beispiel, zahlen auch Selbstständige in die Rentenkassen ein. Außerdem haben wir seit 20 Jahren eine gravierende Veränderung des Arbeitsmarktes mit immer mehr Niedriglöhnern und immer mehr Teilzeitbeschäftigten. Das heißt, bis zu 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, haben heute nur ein halbes Einkommen – mit entsprechend niedrigen Renten später. Auf diese Entwicklung sind unsere Sozialsysteme noch immer nicht eingestellt.

    Sie selbst durften als Minister und Abgeordneter keinen Riester-Vertrag abschließen, weil Politiker nicht gesetzlich rentenversichert sind. Wie haben Sie denn fürs Alter vorgesorgt?

    Riester: Unter anderem dadurch, dass ich vor meinem Wechsel in die Politik 43 Jahre lang in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt habe. Ich habe als Fliesenleger im Akkord Fliesen verlegt und damals sehr gut verdient. Dann bin ich zum DGB gegangen und habe nicht mehr ganz so gut, aber noch immer ordentlich verdient, später war ich im Vorstand der IG Metall, und aus dieser Gewerkschafszeit erhalte ich auch noch eine Betriebsrente. Sie wird allerdings mit der Pension verrechnet, die mir als Abgeordneter und Minister zusteht – und das ist auch völlig richtig so.

    Walter Riester war von 1998 bis 2002 Sozialminister der rot-grünen Koalition. Der gebürtige Kaufbeurer hat nach der Volksschule den Beruf des Fliesenlegers gelernt und auch seinen Meister gemacht, ehe er Jugendsekretär beim DGB-Landesbezirk Baden-Württemberg wurde und nach einer steilen Gewerkschaftskarriere bis zum zweiten Vorsitzenden der IG Metall aufstieg. SPD-Mitglied ist der 72-Jährige seit 1966. Von 1988 bis 2005 saß er auch im Bundesvorstand der Partei.

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