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Alexej Nawalny: Forensiker Mark Benecke: Untersuchung Nawalnys noch lange möglich

Alexej Nawalny

Forensiker Mark Benecke: Untersuchung Nawalnys noch lange möglich

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    Seit dem Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny gehen weltweit Menschen auf die Straße. Seine Mutter Ljudmila Nawalnaja durfte den Leichnam nun zum ersten Mal sehen.
    Seit dem Tod des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny gehen weltweit Menschen auf die Straße. Seine Mutter Ljudmila Nawalnaja durfte den Leichnam nun zum ersten Mal sehen. Foto: Kay Nietfeld, dpa

    Eine Woche nach dem Tod Nawalnys hat seine Mutter Zugang zum Leichnam ihres Sohnes bekommen. Sie habe den Körper ihres Sohnes in der Leichenhalle zu sehen, aber nicht ausgehändigt bekommen, teilte Ljudmila Nawalnaja am Donnerstag in einem Video mit. Sie forderte erneut, dass ihr der Leichnam ausgehändigt werde, damit sie ihn beerdigen könne. 

    Zuletzt hatten sich auch russische Geistliche eingeschaltet. Am Donnerstag veröffentlichten Hunderte Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche einen Appell an den russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Wir fordern Sie auf, den Leichnam von Alexej Nawalny an seine Familie zu übergeben, damit seine Mutter, andere Familienangehörige und Gleichgesinnte sich von ihm verabschieden und ihm ein christliches Begräbnis bereiten können", schreiben die Kirchenvertreter an Putin gerichtet. Sie erinnern daran, dass der verstorbene Nawalny ein gläubiger Christ gewesen sei. Auch Putin stützt sich in seinem Amt immer wieder auf die russisch-orthodoxe Kirche.

    Neben dem Appell der Geistlichen unterzeichneten außerdem 70.000 Menschen einen Aufruf, der die Freigabe der Leiche Nawalnys fordert. Nach russisch-orthodoxem Brauch werden Verstorbene eigentlich spätestens am dritten Tag nach ihrem Ableben beerdigt. Doch auch für eine genauere Klärung der Todesursache ist ein Zugang zum Leichnam von großer Bedeutung.

    Forensiker Mark Benecke: Blutergüsse lassen sich lange nachweisen

    Am Montag war bekannt geworden, dass Nawalnys Körper weitere 14 Tage lang unter Verschluss gehalten werden soll. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtet, könnte er sogar noch länger zurückgehalten werden. Juristen würden von 30 Tagen oder mehr sprechen. Eine unabhängige Untersuchung, um die Todesursache zu klären, ist damit aktuell nicht möglich. Die lehnt die russische Regierung aber ohnehin ab. Die Behörden hatten die lange Verschlusszeit unter anderem damit begründet, dass am Leichnam "chemische

    Nach Einschätzung des Kriminalbiologen Mark Benecke hat die 14-tägige Verschlusszeit nicht automatisch Auswirkungen auf die Möglichkeit, einen Leichnam zu obduzieren. Solange der Körper ausreichend gekühlt werde und keine Tiere an die Leiche kämen (etwa wenn die Leiche im Wald entsorgt würde), ließen sich auch nach zwei Wochen noch Untersuchungen durchführen. Entdeckt werden könnten selbst dann noch Blutergüsse, wie Benecke gegenüber unserer Redaktion erklärt. "Oft auch tiefer im Gewebe, beispielsweise bei Schlägen auf den Rücken oder an den Muskeln, wenn ein Mensch an den Armen festgehalten wurde." Blutgerinnsel würden recht häufig auftreten, Experten in der Rechtsmedizin seine geübt darin, nach ihnen zu suchen und sie auch zu finden. "Solange der Körper nicht fault, lässt sich das nachweisen", sagt Benecke – und Fäulnis trete erst ein, sobald die Kühlung beendet werde.

    Chemische Untersuchungen eigentlich nur bei "gefährlichen militärischen Stoffen"

    Auch Knochenbrüche ließen sich jederzeit feststellen, zur Not auch am "reinen Skelett", wie der Forensiker sagt. Sollte Nawalny vergiftet worden sein, lasse sich dies im Blut, im Urin und in anderen Körperflüssigkeiten nachweisen. "Chemische Untersuchungen", wie die russischen Behörden angegeben hatten, seien höchstens dann nötig, wenn "sehr seltene, sehr gefährliche militärische Stoffe" im Spiel seien.

    Mark Der Kriminalbiologe Benecke erklärt, wie eine Untersuchung von Nawalnys Leiche aussehen könnte.
    Mark Der Kriminalbiologe Benecke erklärt, wie eine Untersuchung von Nawalnys Leiche aussehen könnte. Foto: Federico Gambarin, dpa (Archivbild)

    Zur Todesursache gibt es bislang nur Spekulationen. Die regierungskritische Zeitung Nowaja Gaseta hatte von einem Sanitäter berichtet, der Nawalny selbst nicht gesehen haben soll, aber von blauen Flecken auf dessen Körper sprach. Auf der Brust seien zudem Blutergüsse zu sehen gewesen. Die Spuren könnten auf Krämpfe und Wiederbelebungsversuche zurückzuführen sein, hieß es.

    Alexej Nawalny: ein zweites Mal vergiftet?

    Es gibt Vermutungen, Nawalny sei – so wie 2020 – wieder Opfer eines Giftanschlags geworden. Der Oppositionelle war 2020 mit dem Stoff Nowitschok vergiftet und dabei lebensgefährlich verletzt worden. Der russische Geheimdienst wird verdächtigt, für den Anschlag vor vier Jahren verantwortlich gewesen zu sein. Laut einem Investigativjournalisten, der schon an den Recherchen zum Giftanschlag im Jahr 2020 beteiligt war und sich nun in der österreichischen Wochenzeitung Falter äußerte, könnte wieder dasselbe Geheimdienst-Team von damals mit dem Tod Nawalnys zu tun haben.

    Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja kämpft unterdessen weiter dafür, ihren Sohn beerdigen zu dürfen. Wie bekannt wurde, wehrt sie sich mittlerweile auch vor Gericht. Sie reichte eine entsprechende Klage ein, doch das

    Nawalny war am vergangenen Freitag in einem sibirischen Straflager bei der Siedlung Charp gestorben. Laut Angaben russischer Behörden brach der Oppositionelle bei einem Spaziergang zusammen, das Team um Nawalny und auch westliche Politiker machen den Kreml für seinen Tod verantwortlich. Die Angehörigen wissen laut eigenen Angaben bislang nicht einmal, wo sich die Leiche befindet – vermutet wird sie in der Stadt Salechard, die rund 50 Kilometer entfernt vom Straflager liegt. (mit dpa)

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