In Afrika eskaliert gerade ein Konflikt, der schon länger köchelt. Die Kämpfe in der Demokratischen Republik Kongo kosten nicht nur hunderten Menschen das Leben, sie treiben auch Tausende in die Flucht. Die von Ruanda unterstützten M23-Rebellen haben die Millionenstadt Goma im Osten des Landes eingenommen. Die Wut der Menschen entlädt sich noch 1600 Kilometer weiter westlich. In der Hauptstadt Kinshasa griffen Demonstranten die Botschaften westlicher Staaten an, darunter die von Belgien, Frankreich und den USA. In den sozialen Medien verbreiteten sich Videos von Bränden in den Auslandsvertretungen. Auch an der Deutschen Botschaft gab es nach Informationen unserer Redaktion Beschädigungen.
Das hat einen Grund: Schon lange vor der Eskalation der Krise verfestigte sich im Kongo der Eindruck eines allzu nachsichtigen Umgangs mit Ruanda. Das Land gilt als Liebling der Geberländer, obwohl es den Schmuggel und anschließenden Verkauf der illegal geförderten Rohstoffe im Ostkongo zum Geschäftsmodell gemacht hat. Mit dankbaren Kunden: Im vergangenen Jahr verkündete die Europäische Kommission den Abschluss einer Absichtserklärung mit Ruanda über den Kauf von Mineralien, die für die Energiewende unverzichtbar sind: Kobalt und Coltan etwa.
Ruanda will Osten des Kongo kontrollieren
Das Problem: Das Land verfügt über kaum welche – zumindest keine eigenen. „Jeder weiß, dass Ruanda kein Gramm dieser sogenannten kritischen Rohstoffe im Boden hat“, übertrieb Kongos Präsident Felix Tshisekedi damals und ließ sich auch nicht von dem Argument versöhnen, dass sein Land eine ähnliche Absichtserklärung mit den Europäern unterzeichnet hatte. Nun kontrolliert die Rebellengruppe M23 nahezu die gesamte Provinz Nord-Kivu, deren Hauptstadt Goma ist - und Ruanda strebt offenbar eine langfristige Kontrolle über die Gold- und Cobalt-reichen Regionen im Osten der Demokratischen Republik Kongo an. Am Dienstag übernahmen die Männer den strategisch wichtigen Flughafen, mindestens 1200 kongolesische Söldner ergaben sich. Und auch in der nicht minder fragilen Nachbarprovinz Süd-Kivu rückt die M23 vor.
Die Folgen sind schon jetzt massiv. Bei den Kämpfen zwischen der Miliz und Kongos Armee wurden in Flüchtlingslagern Dutzende Bewohner getötet. Auch auf den Straßen von Goma lagen zahlreiche Leichen, berichtete die BBC. Millionen sind durch die Kämpfe von der Lebensmittelversorgung abgeschnitten. Bei den Friedenstruppen von UN und den Staaten des südlichen Afrikas gab es ebenfalls Verluste, sie kämpfen an der Seite der kongolesischen Armee. Allein Südafrika vermeldete 13 getötete Soldaten, was den Chef der südafrikanischen Streitkräfte am Dienstag freilich nicht davon abhielt, in der Nähe von Johannesburg Golf zu spielen und grinsend für Gruppenfotos zu posieren.
Experten warnen vor Flächenbrand in der Region
In Nord-Kivu leben zwei Millionen Binnenflüchtlinge, Hunderttausende sind nun erneut auf der Suche nach so etwas wie Sicherheit. „Das Risiko ist real, dass sich die Situation zu einem regionalen Flächenbrand ausweiten könnte ”, warnt die Denkfabrik „International Crisis Group”. „Auf regionaler Ebene war das Potenzial für weitere Kämpfe noch nie so hoch.“ Und weiter: „Bleiben die Kämpfe unkontrolliert, könnten sie sich in der gesamten Region der Großen Seen ausbreiten und an die Schrecken der späten 1990er und frühen 2000er Jahre erinnern, als Millionen Menschen in einem länderübergreifenden Krieg im Kongo starben.“
Auch die Auswirkungen des Völkermordes, den die Hutu an den Tutsi in Ruanda 1994 verübten, sind in der Region nach wie vor spürbar. Ruandas Präsident Paul Kagame, ein Tutsi, hatte eine Beteiligung an der ab dem Jahr 2021 wiedererstarkten M23-Rebellion im Kongo zunächst bestritten. Zuletzt aber hat er sie recht unverhohlen zugegeben.
Immerhin scheint es Gesprächsbereitschaft zwischen Kagame und Tshisekedi zu geben, noch für den Mittwoch war ein von Kenia vermitteltes Gespräch zwischen beiden geplant. Doch die Armee des winzigen Ruandas gilt als eine der schlagkräftigsten des Kontinents. Und so las sich auch die entsprechende Verlautbarung von Paul Kagame eher gelassen. Er habe eine „produktive Unterhaltung” mit dem US-Außenminister Marco Rubio gehabt, teilte der Autokrat auf „X” mit. Es sei um die „Notwendigkeit eines Waffenstillstands und die Adressierung der Ursachen des Konflikts” gegangen. Rubio hingegen rief alle Parteien auf, die territoriale Integrität des Landes zu respektieren. Das übergeordnete Ziel der USA sei ein dauerhafter Frieden.
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