Es war der Bruch eines Tabus – sogar eines vertraglich geschützten Tabus: Der neue Präsident Kenias, William Ruto, stellt öffentlich die Praxis infrage, ziemlich jede chinesische Kreditvereinbarung durch afrikanische Regierungen abzusichern. Hinzu zu diesen Bedingungen kam eine Geheimhaltungsvereinbarung. Rutos Vorgänger, Uhuru Kenyatta, hatte die Veröffentlichung von Verträgen für unprofitable Milliardenprojekte mit Verweis auf entsprechende Klauseln verweigert. Doch dafür zog er so viel öffentliche Wut auf sich, dass Ruto die Angelegenheit zum wichtigen Wahlkampfversprechen machte.
Die ominösen Details beziehen sich auf den Bau einer völlig überteuerten Bahnstrecke mit einem Bauvolumen in Höhe von mehreren Milliarden Dollar von Nairobi zur Küstenstadt Mombasa. Die Umstände lassen erahnen, warum Peking derartige Verträge lieber vertraulich behandelt. Eine rechtmäßige Bauausschreibung gab es nicht, zudem sieht der Deal vor, dass fast alle "Güter, Technologien und Dienstleistungen" aus China bezogen werden. Zollbefreit wohlgemerkt. Die örtliche Wirtschaft wäre bei dem größten Infrastrukturprojekt in der Geschichte Kenias also eher nur ganz am Rande dabei. Etwaige Schiedsverfahren? Dürfen nur in China stattfinden.
Die chinesischen Beziehungen zu Afrika sind längst nicht überall rosig
Der Vorfall zeigt, dass Chinas Beziehungen mit Afrika längst nicht überall so rosig sind, wie sie von beiden Seiten bisweilen dargestellt werden. China bleibt der wichtigste Handelspartner des Kontinents, verzeichnete trotz der angeblichen US-Afrika-Investitionsoffensive zuletzt doppelt so viele Direktinvestitionen als die Vereinigten Staaten. Ende Februar wird Peking bei einer gemeinsamen Militärübung mit Russland vor der Küste des Schlüssellandes Südafrika seine exponierte Position auf dem Kontinent illustrieren. Pretoria hatte eine gemeinsame Militärübung mit den USA zuvor abgelehnt. Auf dem Kontinent, so könnte man argumentieren, werden eigene Fehlplanungen, wie bei der Eisenbahnstrecke in Kenia, allein auf die Knebelverträge geschoben. Doch dabei wird übersehen, dass sich die Misstöne nicht nur in Kenia mehren. Die chinesische Kreditvergabe an Afrika hat sich seit dem Jahr 2018, also lange vor Covid, deutlich verlangsamt – zumal es auch innerhalb Chinas vermehrt Kritik an Milliardenkrediten für afrikanische Staaten gibt.
Viele Länder des Kontinents hatten sich bei der Bewältigung der aktuellen Schuldenkrise mehr Entgegenkommen Chinas erwartet. So wurden Äthiopien bei einem Besuch von Außenminister Qin Gang im Januar dem Vernehmen nach nur wenige Millionen Dollar storniert – lediglich eine symbolische Geste. Mehrere Infrastrukturprojekte liegen auf Eis, Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed macht, wie Ruto in Kenia, seine Vorgängerregierung für wenig nachhaltige Kreditvereinbarungen mit China verantwortlich. Die Weltmacht bietet in der Regel nur Schuldenerleichterungen für unverzinsliche Kredite an, die wiederum nur einen kleinen Anteil der Gesamtlast ausmachen.
Erst im Dezember des vergangenen Jahres erklärte Dschibuti, seine Schulden an Peking nicht länger zurückzahlen zu können. Das ließ aufhorchen, schließlich errichtete China dort im Jahr 2017 seine erste Militärbasis in Afrika – nur wenige Kilometer von einem Stützpunkt der US-Army entfernt. Das macht die Bedingungen für einen Schuldenausfall, zu denen schließlich auch strategische Infrastruktur gehören könnte, für Washington relevant.
Ganz neu sind derartige Verstimmungen nicht. Schon im April 2020 beschrieb der 2021 gestorbene, damalige tansanische Präsident John Magufuli ein von seinem Vorgänger, Jakaya Kikwete, unterzeichnetes chinesisches Hafenprojekt im Wert von zehn Milliarden US-Dollar in Mbegani Creek als ein Projekt, das nur von einem "Säufer" akzeptiert werden könne. Auch aus Ghana und dem Kongo gab es offen geäußerte Kritik an chinesischen Projekten. In Uganda setzt man beim Bau einer Eisenbahnstrecke inzwischen auf die Türkei, nachdem ein eigentlich beauftragtes chinesisches Unternehmen über acht Jahre hinweg kaum Fortschritte vorweisen konnte. Auch Ruanda hatte beim Bau eines Kongresszentrums vor einigen Jahren bereits China gegen die Türkei ausgetauscht.
Das chinesische Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt
"China kann im Allgemeinen nicht das gleiche Investitionsniveau wie in der Vergangenheit bereitstellen", sagt Jakkie Cilliers von der südafrikanischen Denkfabrik "Institute for Security Studies". Es weise zudem keine Leistungsbilanzüberschüsse mehr aus, das Wirtschaftswachstum habe sich verlangsamt. Zudem wächst die Sorge um die Fähigkeit der afrikanischen Regierungen, ihre Schulden zu bedienen. Allerdings glaubt Cilliers, dass gerade die jüngst angekündigte Investitionsoffensive der USA in Afrika dafür sorgen werde, dass der Kontinent für China hohe Priorität habe.
Die Skepsis gegenüber Kreditvereinbarungen mit China hat in vielen afrikanischen Ländern zugenommen, nicht zuletzt angesichts der negativen Handelsbilanz und Billigimporten aus Fernost, die die heimische Industrialisierung ausbremsen. Das Image litt zu Beginn der Covid-Pandemie weiter, als rassistische Vorfälle in Guangzhou gegenüber afrikanischen Migranten bekannt geworden waren.
Die Euphorie zwischen China und Afrika ist ein Stück weit verflogen
Die Euphorie, mit der beide Seiten lange ihre Freundschaft beschwört haben, ist ein Stück weit verflogen. Eine Kehrtwende erkennt der Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft auf Anfrage aber nicht. "Es handelt sich eher um Einzelfälle, als eine Afrikamüdigkeit in China", teilt der Außenwirtschaftsverband mit. So habe Peking zuletzt vermehrt Interesse an Westafrika gezeigt. Hier gehörten mit Gabun und Benin zwei Länder zum Besuchsprogramm von Außenminister Qin Gang bei seiner ersten Afrika-Reise.