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Afrika: Das neue Jahrzehnt der Putsche in Afrika

Afrika

Das neue Jahrzehnt der Putsche in Afrika

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    Immer wieder kommt es in afrikanischen Ländern gerade zu politischen Unruhen. Woher kommt diese Entwicklung?
    Immer wieder kommt es in afrikanischen Ländern gerade zu politischen Unruhen. Woher kommt diese Entwicklung? Foto: Hussein Malla, dpa

    „Die Ära der Putsche ist lange vorbei“, bilanzierte im Jahr 2019 der damalige nigerianische Präsident Muhammadu Buhari stolz. Den zahlreichen Putschen der 90er Jahre (15) war ein rapider Rückgang auf acht im folgenden Jahrzehnt und nur fünf zwischen 2011 und 2020 gefolgt. Und doch war Buharis Hoffnung eine Fehleinschätzung. Denn seitdem steigt die Zahl wieder rasant. Der Putsch in Gabun war der Neunte in Afrika seit dem Jahr 2020. Zuvor hatte bereits in Mali, Burkina Faso (je zweimal), Niger, Tschad, Sudan und Guinea die Armee die Macht ergriffen. Was aber sind die Gründe für diese neue Welle? 

    Putsch in Gabun, Mali, Burkina Faso und vielen weiteren Ländern: Fünf Gründe für die Welle

    1. Schlechte Regierungsführung: Oft profitieren die Generäle vom Druck der Straße. In Gabun hatte Präsident Ali Bongo 14 Jahre lang regiert, davor sein despotischer Vater vier Jahrzehnte lang. Den Wahlen unmittelbar vor dem Umsturz fehlte mangels zugelassener Wahlbeobachter jede Glaubwürdigkeit. Das Staatsfernsehen veröffentlichte Bilder von Taschen voller Geld. Sie seien bei Regierungsmitarbeitern gefunden worden, hieß es.

    In Mali wurde 2020 der zunehmend unbeliebte Präsident Ibrahim Boubacar Keita gestürzt, der seinen korrupten Sohn Karim zum Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses gemacht hatte. Bilder, die den Filius mit Champagner und Prostituierten zeigten, wurden zum Symbol des Regierungsversagens in dem muslimischen Land. Auch der gestürzte Präsident Guineas, Alpha Condé, hatte Korruptionsskandale vorzuweisen. 

    Diese Aufnahme zeigt den Sprecher der meuternden Soldaten, der im staatlichen Fernsehen verkündet, dass sie die Macht in Gabun übernommen hätten.
    Diese Aufnahme zeigt den Sprecher der meuternden Soldaten, der im staatlichen Fernsehen verkündet, dass sie die Macht in Gabun übernommen hätten. Foto: GABON 24, dpa

    Anders sieht die Situation im Niger aus, wo die Generäle Präsident Mohamed Bazoum seit über einem Monat unter Hausarrest festhalten. Bazoum hat keine Korruptionsskandale anhängig, plante sinnvolle Reformen. Aber auch er machte Fehler, unterließ Anstrengungen, die Dezentralisierung des Landes voranzutreiben – ein in den auf die Hauptstädte konzentrierten Ex-Kolonien Frankreichs besonders wichtiges Unterfangen. 

    2. Wirtschaftskrise: Jakkie Cilliers von der südafrikanischen Denkfabrik „Institute for Security Studies“ macht die Kombination verschiedener wirtschaftlicher Faktoren mitverantwortlich. „Viele Regierungen haben deutlich weniger Geld für Sicherheit, Gesundheit und Bildung zur Verfügung als noch vor einigen Jahren“, sagt der renommierte Analyst. 

    Das habe mit der Finanzkrise 2007 begonnen, auch das geringere Wachstum in China sorge für geringere Nachfrage nach afrikanischen Rohstoffen, so der Analyst. Hinzu kommen die hohe Schuldenbelastung sowie die überproportionalen Folgen von Covid, Klimawandel und der russischen Invasion in der Ukraine – all dies ist Treibstoff für Unruhen, die den Generälen ihr Vorgehen erleichtert. Auch das hohe Bevölkerungswachstum spiele eine Rolle: „Die demografische Zeitbombe wird zur Realität“, sagt Cilliers.

    3. Sicherheit und korrupte Militärstrukturen: Die zunehmend dramatische Sicherheitslage in der Sahelzone hat die Schwäche der staatlichen Strukturen offenbart. Die Regierungen in Binnenstaaten wie Burkina Faso oder Mali haben nie alle Gebiete kontrollieren können, umso müheloser erwies es sich für die Terroristen, ganze Landstriche an sich zu reißen.

    Das Militär verlangte, durchaus nachvollziehbar, verstärkt Ressourcen. Auch daran zerbrachen Beziehungen mit dem Westen. In Mali ließ sich schon zu demokratischen Zeiten schwer Militärhilfe rechtfertigen, weil die Armee über keinerlei transparente Budgets verfügte – wohl ganz bewusst, als Nährboden für versickernde Zahlungen. 

    Sowohl in Mali als auch Burkina Faso hatte die Europäische Union in die eigentlich dringend benötigte Ausbildung von lokalen Soldaten investiert – die dann aber teilweise an den Umstürzen in ihren Ländern beteiligt waren. Das sei ein „sehr signifikantes Dilemma“, sagte jüngst Irlands Außenminister Micheál Martin, „wir müssen unsere Herangehensweise in Afrika angesichts der Ereignisse neu bewerten.“

    Oft ist die Armee-Führung auch tief mit den Staatsunternehmen verwoben, besonders im Sudan. Dort putschte die Armee im Jahr 2021 gegen die Übergangsregierung, weil die machthungrigen Generäle ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss nicht aufgeben wollten.

    4. Mangelhafte Sanktionssysteme: Zuletzt zeigte sich, dass die Sanktionsmechanismen der Afrikanischen Union (AU) längst nicht so effektiv sind, wie es sich ihre Mitgliedsstaaten lange eingeredet haben. Man reagiert mit Suspendierungen, bei Sondergipfeln sitzen die Generäle dann aber doch wieder mit am Tisch. Man einigt sich auf einen Übergang hin zur Demokratie, und die Sanktionen werden wieder aufgehoben – selbst wenn die Versprechen gebrochen werden. Im Falle des Nigers versucht sich der westafrikanische Staatenblock Ecowas an einem Hardliner-Kurs, droht den Generälen mit dem Einmarsch. Doch eine entsprechende Frist ließ man verstreichen. Auch in die angekündigte Mobilisierung einer Einmarschtruppe kommt wenig Bewegung.

    5. Wut auf Frankreich – und die Eliten: Im Zuge der aktuellen Putsche ist viel vom Hass auf Frankreich die Rede. Schließlich fanden die Umstürze mit Ausnahme des Sudans in ehemaligen französischen Kolonien statt, wo Paris weiter enormen Einfluss hat. Diese Wut richtet sich aber auch gegen die kleinen lokalen Eliten, die von den Rohstoffexporten nach Frankreich fast ausschließlich profitieren. Dass französische Truppen im Kampf gegen den Terrorismus wenig Wirkung zeigten, heizte die Ressentiments weiter an.

    Russlands Propaganda nutzte das in den vergangenen Jahren geschickt, inszeniert sich in Mali als alternativer Sicherheitspartner ohne demokratische Auflagen. Auch Burkina Faso, Guinea und Niger haben Kontakt zu den Wagner-Söldnern gesucht – trotz deren bislang desaströser Bilanz in Mali.

    Allzu große Glaubwürdigkeit als Wortführer der Demokratie kann Frankreich nicht beanspruchen. Schließlich stützt es den verfassungswidrig an die Macht gekommenen Präsidenten des Tschads, pflegte gute Beziehungen mit dem Bongo-Klan in Gabun und findet auch an der seit vier Jahrzehnten anhaltenden Herrschaft von Kameruns greisem Präsidenten Paul Biya wenig auszusetzen.

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