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AffäreBild: Alle Augen richten sich auf Wulff

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Alle Augen richten sich auf Wulff

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    Berlin Ein herrlicher Termin, ideal für den ersten öffentlichen Auftritt im neuen Jahr, garantiert spannungsfrei, dafür ein Lieferant vieler hübscher Bilder. Schloss Bellevue erstrahlt noch immer im weihnachtlichen Glanze, 50 Mädchen und Buben aus dem Bistum Essen, in farbenprächtigen Kostümen als Sternsinger verkleidet, verkünden die Frohe Botschaft von der Geburt des Herrn und dem Besuch der drei Weisen aus dem Morgenland an der Krippe im Stall von Bethlehem, sie singen fröhlich ihre Lieder und mittendrin der Bundespräsident, der die Kinder begrüßt.

    Deutlich mehr Fotografen und Kameraleute als üblich

    Ein Routinetermin, normalerweise kaum der Rede wert. Schließlich kommen die Sternsinger jedes Jahr ins Schloss Bellevue, um dem ersten Mann im Staate ihre Aufwartung zu machen. Doch an diesem Freitag, dem Dreikönigstag, in vielen Bundesländern ein Feiertag, ist alles anders im Amtssitz des Bundespräsidenten. Alle Augen sind auf Christian Wulff gerichtet, der seit Wochen in der Kritik steht und sich schwersten Vorwürfen ausgesetzt sieht. Zahlreiche Fotografen und Kameraleute, deutlich mehr als sonst bei dieser Veranstaltung üblich, haben ihre Objektive auf das Staatsoberhaupt gerichtet, um jede noch so kleine Regung in seinem Gesicht einzufangen.

    Doch Wulff gibt sich, zumindest nach außen, gelassen und unbeeindruckt, routiniert und souverän. Mit einem fast schon fröhlich wirkenden „Herzlich willkommen“ begrüßen er und seine Frau Bettina die Mädchen und Buben. Der Bundespräsident nimmt sich viel Zeit für seine Besucher, erzählt ihnen, dass er als Jugendlicher selber als Sternsinger von Haus zu Haus gezogen sei und dass er ihren Mut schätze.

    Wie es allerdings in ihm aussieht, tief drinnen in seiner Seele, verrät er nicht. Nur einige wenige Sätze geben einen kleinen Einblick in seine Gefühlswelt. „Die letzten Wochen waren so, dass man sich das nicht noch einmal zumuten muss, dass ich mich freue, dass das Jahr 2012 losgeht und ich mich meinen eigentlichen Aufgaben zuwenden kann“, sagt er an einer Stelle. Und ein anderes Mal wendet er sich an die Kinder mit den Worten: „Wir alle sollen ja auch Segen sein und kein Fluch. Das geleitet uns ja auch als Auftrag in unserem Wirken.“

    Ist sein Wirken nun Segen – oder Fluch? Für sich selber hat Christian Wulff diese Frage längst entschieden, trotz der nicht enden wollenden Vorwürfe. Er habe sich persönlich nichts vorzuwerfen und wolle im Amt bleiben, ein Urteil über sein Wirken soll erst am Ende seiner fünfjährigen Amtszeit im Jahre 2015 gefällt werden, sagte er in dem Fernsehinterview am Mittwoch.

    Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die den damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten nach dem überraschenden Rücktritt von Horst Köhler im Mai 2010 als ihren Kandidaten präsentierte, spricht ihrem Parteifreund demonstrativ ihr Vertrauen aus. „Die Bundeskanzlerin hat große Wertschätzung für Christian Wulff als Menschen und für Christian Wulff als Bundespräsidenten. Und sie hat große Achtung vor dem Amt, das er innehat“, lässt sie am Freitag über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert ausrichten – fügt allerdings mit einem durchaus warnenden Unterton hinzu: „Das Amt des Bundespräsidenten ist eines, das man mit großer Achtung behandeln muss – und zwar von außen wie von innen.“

    Und auch die Bundesbürger stehen mehrheitlich weiter hinter ihrem Oberhaupt. Zwar finden 61 Prozent derjenigen, die das Fernsehinterview am Mittwoch gesehen haben, seinen Auftritt nicht überzeugend und sogar eher peinlich, gleichwohl sind 60 Prozent der Befragten der Ansicht, Wulff habe „jetzt eine zweite Chance verdient“, so das Ergebnis des aktuellen ARD-Deutschlandtrends. 56 Prozent sprechen sich dafür aus, dass das Staatsoberhaupt im Amt bleibt, das sind neun Punkte mehr als am Mittwoch vor dem Interview, 57 Prozent der Befragten haben den Eindruck, „die Medien wollen ihn fertigmachen“.

    Nach dem Interview steht Aussage gegen Aussage

    Zur Ruhe kommt der erste Mann im Staate gleichwohl nicht. Die Debatte geht unverändert weiter. Wulffs Kalkül, seine öffentliche Beichte und seine Bitte um Entschuldigung vor dem Millionenpublikum am Fernseher am Mittwoch werde als Befreiungsschlag wirken und die Debatte beenden, geht nicht auf, im Gegenteil. Es gibt neue Vorwürfe, Aussage steht gegen Aussage. Sowohl die Bild-Zeitung als auch die BW-Bank widersprechen öffentlich den Darstellungen Wulffs im Fernsehinterview und nähren die Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Staatsoberhaupts. Während Wulff darauf beharrt, bei seinem Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann lediglich um eine Verschiebung der Veröffentlichung um einen Tag gebeten zu haben, bis er von seinem Staatsbesuch auf der arabischen Halbinsel nach Berlin zurückgekehrt sei, behauptet Bild das Gegenteil: „Es war ein Anruf, der ganz klar das Ziel hatte, diese Berichterstattung zu unterbinden“, sagt der stellvertretende Chefredakteur Nikolaus Blome. Eine Bitte des Blattes, den Wortlaut seines Anrufes zu veröffentlichen, lehnt der Präsident allerdings ab. „Die in einer außergewöhnlich emotionalen Situation gesprochenen Worte waren ausschließlich für Sie und für sonst niemanden bestimmt“, schreibt Wulff an Diekmann. „Ich habe mich Ihnen gegenüber kurz darauf persönlich entschuldigt. Sie haben diese Entschuldigung dankenswerterweise angenommen. Damit war die Sache zwischen uns erledigt. Dabei sollte es aus meiner Sicht bleiben.“

    Diekmann bedauert die Entscheidung und will auf eine Veröffentlichung verzichten, gleichwohl schickt die Zeitung dem Bundespräsidenten eine Abschrift des Wortlauts seines Anrufs – damit sich Wulff „bei Aussagen darüber nicht nur auf seine Erinnerung stützen muss“, wie der Springer-Verlag süffisant hinzufügt. Das ARD-Morgenmagazin bestätigte am Freitag zum Teil Wulffs Version des Anrufs bei Diekmann. Es berichtete, dass dieser auf der Mailbox tatsächlich um einen Aufschub der Berichterstattung über die Kreditfinanzierung seines Hauses gebeten habe und berief sich dabei auf Kreise, die mit der Abschrift der Nachricht vertraut seien. In einem Kommentar am Freitag stellt der Bild-Chefredakteur klar, dass Wulff kein Opfer einer „Medien-Kampagne“ sei. Wer den „Fall und die Probleme des Bundespräsidenten jetzt zu einem ,Machtkampf‘ zwischen dem ersten Mann im Staat und der größten Zeitung im Land aufpumpt, der geht wahrhaft in die Irre“. Die Medien würden Fragen stellen, Fehler aufdecken und Widerstände bloßlegen. „Aber sie entscheiden nicht.“

    Damit nicht genug. Auch die BW-Bank weist in Sachen Hausfinanzierung die Darstellung des Präsidenten zurück. Nach ihren Worten ist der Vertrag für ein langfristiges Darlehen zur Finanzierung des Einfamilienhauses in Großburgwedel bei Hannover nicht bereits Ende November 2011 zustande gekommen, wie es Wulff am Mittwoch gesagt habe. Zwar habe man sich damals mündlich geeinigt, doch die von Wulff behauptete „Handschlagqualität in diesem Bereich“ reiche nicht aus, um den Vertrag wirksam werden zu lassen. „Ein Kreditvertrag mit Verbrauchern bedarf der Schriftform“, so die Bank. Einen schriftlichen Vertrag schickte das Geldinstitut am 12. Dezember an Wulff. Dieser unterschrieb neun Tage später, am 21. Dezember, und damit erst nach den Medienberichten über seine Hausfinanzierung.

    Kostenlose Designerkleider für Bettina Wulff

    Hinzu kommt ein neuer Vorwurf: Nach einem Bericht des Focus hat First Lady Bettina Wulff mehrfach kostenlos aufwendige Designerkleider deutscher Luxusmarken getragen, die ihr die Hersteller zur Verfügung gestellt hätten. Einige Kleider seien gekauft oder gegen Gebühr geliehen worden, andere hingegen wurden kostenlos bereitgestellt. In der Steuererklärung sei dies allerdings berücksichtigt worden.

    Für die Union in Berlin und in den Ländern ist mit der öffentlichen Entschuldigung Wulffs die Sache erledigt, für die Oppositionsparteien hingegen nicht. So fordern die Grünen im niedersächsischen Landtag mit einem Katalog von 100 Fragen an die Landesregierung eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe. Es sei vor allem zu klären, ob es in irgendeiner Form Gegenleistungen gegeben habe. So schnell wird Christian Wulff die Geister der Vergangenheit nicht los.

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