So etwas gab es auch im italienischen Fernsehen bisher nicht. Ein Minister, der nicht nur eine Liebesaffäre mit einer ominösen Influencerin gesteht, sondern auch noch unter Tränen seine Ehefrau und die Regierungschefin Giorgia Meloni um Verzeihung bittet. Es war mittelgroßes Kino in den Abendnachrichten des Senders Raiuno. Kulturminister Gennaro Sangiuliano hatte die Flucht nach vorne angetreten, um seinen Job und womöglich auch die Ehe zu retten.
Seit Tagen ist die italienische Öffentlichkeit Zeugin einer Seifenoper, die längst auch die Regierung Meloni von wichtigen Projekten ablenkt. Eine Rentenreform steht zur Verabschiedung an, ebenso soll die Teilautonomie der Regionen im Parlament vorangebracht werden. Seit Tagen beherrscht allerdings eine 41-jährige Unternehmerin aus Pompeji die Schlagzeilen. Am 26. August bedankte sich Maria Rosaria Boccia auf Instagram für ihre Nominierung als Sonderberaterin des italienischen Kulturministers. Das Ministerium dementierte und entfachte so den Zorn der Enttäuschten.
Die Geliebte droht mit der Veröffentlichung privater Chats
Im Fernsehen gestand jetzt der in die Enge getriebene Minister, was die Spatzen in Rom längst von den Dächern pfiffen. Er habe eine inzwischen beendete sentimentale Beziehung mit Boccia geführt, die offenbar in deren Nominierung zur Sonderberaterin für „große Events“ wie den von Italien ausgerichteten G7-Kulturgipfel im September in Pompeji bei Neapel münden sollte. Offenbar hat Sangiulianos Ehefrau den Stopp der Ernennung gefordert – und erreicht. Im TV-Interview bat der Minister zunächst unter Tränen um Entschuldigung bei seiner Frau („sie ist eine außerordentliche Person“), bei der Ministerpräsidentin („für die Peinlichkeit, die ich ihr und der Regierung verursacht habe“) und bei seinen Mitarbeitern.
Doch die Affäre ist damit nicht zu Ende. Die ehrgeizige Geliebte ist in einen Rachefeldzug gegen den Minister gezogen und droht mit der Veröffentlichung privater Chats. „Erpressung im Schlafzimmer“ titelte die Zeitung La Repubblica daraufhin. Sangiuliano beteuerte im TV, Boccia habe keine sensiblen Dokumente bekommen, etwa über die Fahrtwege der G7-Minister in Pompeji. Als „Lügen“ brandmarkte Boccia diese Darstellungen fast zeitgleich auf Instagram. Die Opposition hat den Minister angezeigt wegen „Amtsunterschlagung“, die Staatsanwaltschaft muss dem nun nachgehen.
Seinen Rücktritt will Sangiuliano der Regierungschefin bereits angeboten haben. Meloni habe abgelehnt und den 62-Jährigen nach dessen Darstellung aufgefordert, weiterzumachen und „die Wahrheit“ zu sagen. Diesem Aufruf war Sangiuliano gefolgt. Am Freitag wurde nun aber bekannt: Der angeschlagene Minister ist zurückgetreten.
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