Es war praktisch die einzige brenzlige Szene bei den Demonstrationen gegen den AfD-Parteitag in Augsburg: Auf dem Rathausplatz betritt Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) am Samstag die Bühne. Seine Rede wird niedergebuht und -gepfiffen. Aus einer kleinen Gruppe mutmaßlich antifaschistischer Aktivisten fliegen Tomaten, Eier und eine leere Plastikflasche auf den OB. Andere Demonstranten drängen die Krawallmacher ab. Die überwältigende Mehrheit der Besucher ist sich einig, dass diese Form des Protests zu weit geht. Die Reiberei ist rasch beendet.
Doch der Vorfall löst im Nachhinein erheblichen Ärger aus. Bundestags-Vizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU) schreibt bei Twitter zu einer Meldung über die Eierwürfe auf seinen Parteikollegen Gribl: „Wie konnte er glauben, dass die #Linksfaschisten Demokraten sind?“ Nicht nur im Internet bekommt Friedrich kräftigen Gegenwind für diese Äußerung.
Volker Ullrich kritisiert Hans-Peter Friedrich ebenfalls
Seine Amtskollegin, die aus Augsburg stammende Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne), ist sauer: „Friedrich diskreditiert damit nicht nur den Augsburger Oberbürgermeister, sondern die ganze Stadt.“ Sie zollt Kurt Gribl „hohen Respekt“ für seinen mutigen Auftritt. Roth hat am Samstag selbst eine Rede auf derselben Bühne gehalten. Sie hat die Demonstrationen gegen die AfD als „bunt und friedlich“ erlebt. Nur etwa 15 Leute hätten sich „inakzeptabel und bescheuert“ verhalten. Das rechtfertige keineswegs Friedrichs Pauschalurteil. „Der Kollege sollte sich lieber mit dem auseinandersetzen, was die AfD zeitgleich an Hetze gegen Angela Merkel losgelassen hat, und dafür sorgen, dass sein Landesgruppenchef Dobrindt rhetorisch abrüstet“, fordert Roth.
Sogar Friedrichs Bundestagskollege Volker Ullrich kritisiert den CSU-Parteifreund scharf: „Die Äußerung von Hans-Peter Friedrich auf Twitter ist deutlich zu undifferenziert und zu pauschal.“ Ullrich hielt ebenfalls eine Rede. Er sagt, er habe die große Masse der bis zu 6000 Teilnehmer als friedlich erlebt. Viele Augsburger seien zu der Kundgebung gekommen. Er habe wahrgenommen, dass die Würfe auf den Oberbürgermeister von einer Gruppe von wenigen Linksautonomen ausgegangen seien. Auch von anderen Demonstranten habe es während seiner Rede Pfiffe gegeben. Das habe ihn aber auch nicht überrascht. „Solche Unmutsbekundungen muss man aushalten“, sagt Volker Ullrich. „Das gehört zu einer Demokratie.“ Er habe auf dem Rathausplatz aber auch viele Kundgebungsteilnehmer aus dem bürgerlichen Lager gesehen. Von ihnen habe er auch immer wieder Zwischenapplaus bekommen.
Polizei reagiert gelassen
Augsburgs OB Kurt Gribl steht voll und ganz zu seinem Auftritt. „Es geht mir gut, ich bin froh, dass ich nicht zurückgewichen bin“, sagt er unserer Redaktion. Gribl kritisiert die Randalierer: „Die Antifa liefert doch genau die Szenen, die die AfD herbeisehnt.“ Es sei nicht schön, wenn ein kleiner Block, der auf Krawall gebürstet war, Tomaten und Plastikflaschen wirft. „Aber wenn man da das Feld räumt, dann braucht man keine Veranstaltung mehr durchzuführen und keinen gemeinsamen Nenner mehr zu suchen.“ Genau das sei aber die permanente Aufgabe in der Friedensstadt Augsburg.
Bei der Polizei gibt man sich gelassen. Pressesprecher Thomas Rieger sagt, selbstverständlich ermittle man nach den Würfen auf den Oberbürgermeister wegen versuchter Körperverletzung. Weil auch ein Böller in Richtung von Polizeibeamten flog, laufe auch ein Verfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung. Der Polizeisprecher lobt aber das Verhalten vieler umstehender Demonstranten. Sie hätten die Werfer schnell isoliert und daran gehindert, weiterzumachen.
Linktipp: Unsere Reporter und Fotografen haben am Wochenende im Liveticker über den AfD-Bundesparteitag und den Protest dagegen informiert. Hier können Sie unseren Liveticker nachlesen.