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AfD: Auf Tiktok rechtsextrem erfolgreich: Wie die AfD die Videoplattform dominiert

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Auf Tiktok rechtsextrem erfolgreich: Wie die AfD die Videoplattform dominiert

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    Keine Partei ist so erfolgreich auf TikTok wie die AfD. Einerseits spielt die Plattform den Populisten in die Hände. Doch die wissen die Mechaniken des Netzwerks auch für sich zu nutzen.
    Keine Partei ist so erfolgreich auf TikTok wie die AfD. Einerseits spielt die Plattform den Populisten in die Hände. Doch die wissen die Mechaniken des Netzwerks auch für sich zu nutzen. Foto: Stock.adobe.com

    Der FDP-Bundestagsabgeordnete Muhanad al-Halak sitzt alleine in einem kleinen gelben Ruderboot auf dem offenen Meer, er trägt Anzug, die schwarzen Haare hat er zur Seite gekämmt, den Daumen streckt er in die Höhe. Über seinem Kopf ein dunkler Schriftzug: "Point of view: Die AfD ist in Deutschland an der Macht."

    Es ist eine Videomontage, die al-Halak vor Kurzem auf der Plattform Tiktok geteilt hat. Er grinst schuljungenhaft, als er sich das Video noch einmal ansieht. "Ich habe versucht, mit Humor auf die Deportationspläne der AfD zu reagieren", sagt er. Dann wird er ernst. "Aber es stimmt. Ich bin im Irak geboren. Wenn die AfD hier regiert, wäre ich wahrscheinlich der Erste, der gehen muss."

    Keine andere Partei erreicht auf Tiktok so viele Menschen wie die AfD

    Seit 2021 sitzt der 34-jährige al-Halak für die FDP im Bundestag. Er gehört nicht zur Gruppe jener Abgeordneten, die Woche für Woche durch die Talkshows tingeln. Sein Medium ist Tiktok. In einer Ecke seines Büros hat er ein Stativ mit Ringlicht aufgestellt – sein persönliches kleines Studio. Hier zeichnet al-Halak seine Videos auf und erreicht damit Tausende junger Menschen. Manche seiner Beiträge haben mehr als eine Million Aufrufe.

    Al-Halak zeigt darin den Alltag als Abgeordneter, teilt Ausschnitte seiner Reden, blödelt vor der Kamera – und er schießt gegen die AfD. Nicht nur, weil er in der Partei einen politischen Gegner sieht. Sondern auch, weil die AfD gerade auf Tiktok besonders erfolgreich ist. "Auf der Plattform gibt es inzwischen einen richtigen AfD-Hype", sagt al-Halak. "Die jungen Menschen bekommen dadurch ständig rechten Content angezeigt. Das besorgt mich, da möchte ich dagegenhalten."

    In seinem Büro zeichnet Muhanad al-Halak seine Videos auf.
    In seinem Büro zeichnet Muhanad al-Halak seine Videos auf. Foto: Jonathan Lindenmaier

    Bisher gelingt dieses Dagegenhalten den demokratischen Parteien kaum. Al-Halak ist einer der wenigen Abgeordneten mit großer Reichweite. Der Medienwissenschaftler Martin Fuchs hat im Oktober des vergangenen Jahres ausgewertet, wie viele Nutzerinnen und Nutzer die Parteien auf Tiktok erreichen. Das Ergebnis: Unter den fünf Accounts mit den meisten Followern gehören vier der AfD. Auf dem ersten Platz liegt Ulrich Siegmund, Abgeordneter der AfD in Sachsen-Anhalt. Am Mittwoch musste er seinen Posten als Vorsitzender des Sozialausschusses räumen, weil er am Geheimtreffen der AfD in Potsdam teilnahm. Alice Weidel liegt mit über 200.000 Followern auf Platz drei.

    Gleichzeitig erhält keine andere Partei so viel Zuspruch auf Tiktok wie die Rechtspopulisten. Zählt man, wie häufig die Videos der Abgeordneten mit "Gefällt mir" markiert wurden, kommt die AfD auf fast 18 Millionen Likes. Die Linke – immerhin zweitplatziert – gerade einmal auf sechs Millionen. "Die demokratischen Parteien waren zu zögerlich, was Tiktok angeht. Das war ein Fehler", sagt al-Halak. "Die AfD dagegen hat die Plattform von Anfang an ernst genommen."

    Das scheint zu fruchten. Vor allem bei jungen Wählern verbuchte die Partei zuletzt Erfolge. Beispiel: die Landtagswahl in Bayern. Etwa 18 Prozent der Wählerinnen und Wähler unter 30 votierten für die AfD. Damit schnitt die Partei bei den Jungwählern gut drei Prozent besser ab als im Gesamtergebnis und holte deutlich mehr Stimmen als fünf Jahre zuvor. Damals hatte die AfD bei den unter 30-Jährigen noch ein Ergebnis von etwa zehn Prozent erreicht.

    Tiktok macht es Politikerinnen und Politikern besonders leicht, neue Zielgruppen zu erreichen. Zum einen, weil das Durchschnittsalter niedrig ist. Etwa 60 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer sind unter 30, die Hälfte davon minderjährig. Zum anderen, weil Tiktok viel stärker durch einen Algorithmus getrieben ist als vergleichbare Apps. Die Plattform wählt für jeden Nutzer und für jede Nutzerin personalisierte Videos aus – basierend auf den bisherigen Daten. Wer sich also in der Vergangenheit Beiträge zur AfD angesehen hat, dem werden mit großer Wahrscheinlichkeit weitere solcher Videos auf die Startseite gespült. Gezielt nach Inhalten zu suchen – wie beispielsweise auf Youtube – ist zwar möglich, wird aber kaum genutzt.

    Warum die AfD auf Tiktok so viele Menschen erreicht

    Keine Partei spielt mit diesen Mechanismen so geschickt wie die AfD. Gleichzeitig mache es die Plattform besonders jenen Politikerinnen und Politikern leicht, die populistische Narrative bedienen, warnen Expertinnen und Experten. "Man hat nur wenige Sekunden Zeit, um das Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer zu wecken. Das ist natürlich schwierig, wenn man ein komplexes Thema differenziert angehen möchte", sagt Eva Berendsen von der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main. Sie beobachtet den Rechtsruck auf Tiktok mit Sorge. "Die Plattform belohnt Hass, Überspitzung und Populismus. Das spielt der AfD in die Hände."

    Sicherlich ist Tiktok nicht der einzige Grund für den Erfolg der AfD bei jungen Wählerinnen und Wählern. Klar ist aber: Die Plattform ist ein wichtiger Teil ihrer Strategie. Das sagen die Verantwortlichen selbst und sparen dabei nicht mit historischen Vergleichen. "So wie man sich 1923 gefühlt haben muss, als man das Radio für sich entdeckt hat, so fühle ich mich, wenn ich meine Tiktok-Accounts anschaue", sagt der rechte Medienberater Erik Ahrens in einem Vortrag für das Institut für Staatspolitik, das unter anderem der AfD und der Identitären Bewegung nahesteht. Ein Video der Veranstaltung ist im Netz zu finden.

    Das müssen Sie zu TikTok wissen

    TikTok ist eine Videoplattform, auf der Menschen vertikale Kurzvideos hochladen, bearbeiten und mit Hilfe von Musik kreativ verarbeiten können.

    Hinter der App steht Bytedance. Das Unternehmen wurde 2012 von Zhang Yiming gegründet. Der Technologiekonzern hat Musical.ly Ende 2017 übernommen und dafür 800 Millionen US-Dollar (rund 700 Millionen Euro) bezahlt.

    Im September 2021 hat die Videoplattform, nach eigenen Angaben, die Schwelle von mehr als einer Milliarde monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzern überschritten.

    Kritik erfährt TikTok aufgrund des Daten- und Jugendschutzes. Da die App vermehrt von Minderjährigen genutzt wird, ist sie auch anfällig für Meinungsmanipulation dieser jungen Zielgruppe. Auch für die Zensur politischer und religiöser Themen wird TikTok kritisiert.

    Begeistert erklärt Ahrens, dass junge Menschen die Plattform am Tag durchschnittlich 90 Minuten nutzten. "Das heißt, man hat eigentlich 90 Minuten ein Fenster in deren Gehirn, wo man da reinsenden kann." Er spricht davon, dass man mit den Videos einen "hypnotischen Effekt" erzeugen könne, dass der "Schuldkult" auf der Plattform noch nicht so verbreitet sei und dass man auf Tiktok nicht ständig "gefactchecked" oder "debunked" – zu Deutsch: entlarvt – werde. Aus dem Publikum erntet er dafür mehrfach Applaus.

    Ahrens half unter anderem, den Tiktok-Account für Maximilian Krah, AfD-Spitzenkandidat bei der Europawahl, aufzubauen – und das mit einigem Erfolg. "Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher" heißt eines seiner Videos. Aufrufe: über 200.000. In einem anderen gibt Krah jungen Männern vermeintliche Dating-Tipps: "Echte Männer sind rechts. Echte Männer haben Ideale. Echte Männer sind Patrioten. Dann klappt's auch mit der Freundin", spricht er mantrahaft in die Kamera. Aufrufe: über 1,4 Millionen. Auch das ist eine Strategie der AfD. "Sie greift Themen aus dem Alltag junger Menschen auf", sagt Politikwissenschaftlerin Eva Berendsen. "Und verbindet die dann mit rechter Ideologie." 

    Abgeordnete auf Tiktok: "Du darfst da nicht auftreten wie ein Politiker"

    Muhanad al-Halak sitzt in seinem Büro und scrollt an seinem Handy durch die App. So sehr er die AfD ablehnt, demokratische Politikerinnen und Politiker könnten doch einiges lernen, sagt er. "Du musst die gleiche Sprache sprechen wie die Nutzerinnen und Nutzer", sagt er. "Du darfst da nicht auftreten wie ein Politiker." Dieselbe Sprache sprechen, das kann al-Halak. Er duzt sein Gegenüber sofort, versteckt sich nicht hinter typischen Politikerphrasen, sagt "ey, voll krass" statt "bemerkenswert". Das liegt auch daran, dass er keine typische Berufspolitiker-Karriere hinter sich hat. Nach dem qualifizierenden Hauptschulabschluss im niederbayerischen Grafenau machte er später eine Ausbildung zum Abwassermeister in Lauingen (Kreis Dillingen). Er hat nicht – wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen – Jura oder Volkswirtschaft studiert. "Und das merken die Leute. Es kam schon häufiger vor, dass jemand kommentiert hat: ‚Ey, bist du wirklich Politiker?‘"

    "Du musst die gleiche Sprache sprechen wie die Nutzerinnen und Nutzer", sagt Muhanad al-Halak.
    "Du musst die gleiche Sprache sprechen wie die Nutzerinnen und Nutzer", sagt Muhanad al-Halak. Foto: Jonathan Lindenmaier

    Viele andere Abgeordnete tun sich deutlich schwerer, den Politikersprech abzulegen. Beispiel: Kevin Kühnert. In einem seiner Videos sitzt er mit überkreuzten Beinen vor einem SPD-Banner und erklärt in einem fast neunminütigen Vortrag die Vorzüge des EU-Lieferkettengesetzes. Er verstößt damit gegen fast jede Regel, die Social-Media-Expertinnen und -Experten ihren Klienten raten – angefangen bei der Wahlwerbung. "Das sieht man häufig, dass da ein Parteilogo an der Wand prangt, vor der die Politikerin oder der Politiker steht. So was schreckt viele ab", sagt Nina Scavello. Als Medienberaterin coacht sie Politikerinnen und Politiker im Umgang mit Tiktok, darunter einige Abgeordnete aus dem Bayerischen Landtag. "Die Nutzerinnen und Nutzer wollen keine Hochglanzvideos", sagt sie. "Sie wollen nahbar am Geschehen dran sein, einen Blick über die Schulter der Politikerinnen und Politiker bekommen."

    Einer der größten Fehler, die viele der demokratischen Parteien auf Tiktok machen: "Die Videos gehen durch zu viele Hände. Da schaut dann noch die PR-Beraterin oder die Pressestelle drauf und am Ende bleibt ein langweiliger politischer Vortrag", sagt sie. "Oder sie versuchen, auf Trends aufzuspringen, die sie nicht wirklich verstehen. Dann tanzen da Politikerinnen und Politiker durchs Bild und es wirkt einfach nur, als wollten sie sich bei der Jugend anbiedern."

    Muhanad al-Halak dreht seine Videos selbst. Nur in besonders heiklen Fällen lässt er noch seinen Büroleiter drüberschauen, bevor er es postet. "Vor Kurzem hat er mich mal ein Video nicht hochladen lassen, weil ein unpassender Witz drin war", sagt er lachend. "Ich fand's nicht so schlimm. Das kommt aber selten vor." Weil er alles selbst macht, fehlt ihm aber häufig die Zeit, Videos zu produzieren. Seit er im Bundestag sitzt, kommt er nur noch sonntags dazu. "Dann geht da schon mal ein Teil meines Wochenendes dafür drauf." Die Arbeit aber ist ihm wichtig. "Wir Demokraten dürfen den Populisten nicht das Feld überlassen." 

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