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Äthiopien: Wenn Lehmhütten für einen Palast auf Pump weichen müssen

Äthiopien

Wenn Lehmhütten für einen Palast auf Pump weichen müssen

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    Scheint bei seinen Megaprojekten kaum einen Gedanken an seine verarmte Bevölkerung zu verschwenden: Abiy Ahmed, Ministerpräsident von Äthiopien, will sich auf Pump einen Palast bauen lassen.
    Scheint bei seinen Megaprojekten kaum einen Gedanken an seine verarmte Bevölkerung zu verschwenden: Abiy Ahmed, Ministerpräsident von Äthiopien, will sich auf Pump einen Palast bauen lassen. Foto: Saudi Press Agency, dpa (Archivbild)

    Umgeben von einem Waldstück am Stadtrand von Addis Ababa, sitzt der 77-jährige Yimer Tamene vor seiner Lehmhütte. Seit knapp vier Jahrzehnten lebt er auf dem Grundstück, das ihm einst von seinem Onkel überlassen wurde, als er vor einer Hungersnot in die äthiopische Hauptstadt geflüchtet war. Tamenes Frau verließ ihn, dann starb der Onkel. Die Hütte und Almosen der Nachbarn sind alles, was dem gebückten Mann geblieben sind. Doch nun steht Tamene kurz vor der Enteignung. 

    Die Regierung hat Hunderte Bewohner von ihrer bevorstehenden Enteignung informiert. „Wenn ich Glück habe, kann ich noch einige Monate bleiben“, sagt er, „dann stehe ich vor dem Nichts.“ In seinen Händen hält er eine verkürzte Ausgabe der Bibel. Er liest gerade besonders oft in ihr. Tamene, dieser gebückte Mann, muss einem absurden Prestigeprojekt von Premierminister Abiy Ahmed, 47, weichen. Auf einer Fläche, auf die 500 Fußballfelder passen würden, entsteht einer der teuersten Paläste der Welt. Bis zu zehn Milliarden Dollar werde der „Nationalpalast“ kosten, gab Abiy im Parlament zu Protokoll. Er werde von privaten und internationalen Spenden finanziert, sagte der von Regionalmachtambitionen getriebene Politiker lapidar.

    Palast in Äthiopien: Der 77-jährige Tamene muss dem absurden Prestigeobjekt weichen

    Äthiopiens engster verbündeter Golfstaat, die Vereinigten Arabischen Emirate, gilt als einer der möglichen Geldgeber. Der Wert des Palasts entspräche zwei Dritteln des jährlichen Staatsbudgets. Ganz stimme die Rechnung nicht, erzählen Bauarbeiter. Die absurd hohe Summe für das als „Chaka“ (Wald) bekannte Projekt beinhaltet auch die Entwicklung einer kleinen Satellitenstadt, zu der hochwertige Wohnkomplexe und Villen, ein Luxushotel, Konferenzsäle, Seen und ein Zoo gehören sollen. 

    Die Inflationsrate in Höhe von knapp 30 Prozent treibt die Kosten für das Mammutprojekt weiter nach oben. Die Regierung gibt an, dass sie etwa 20 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau nach dem Tigray-Krieg benötige, einschließlich zwei Milliarden US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds. Das hoch verschuldete Äthiopien hat es Mitte Dezember versäumt, einen 33-Millionen-Dollar-Anleihecoupon zu zahlen, und erklärte sich zahlungsunfähig. Zudem hat das Land in den vergangenen Jahren Milliarden an humanitärer Hilfe erhalten. 

    Der Tigray-Krieg ist beendet, aber eritreische Truppen prägen weiterhin das Bild im Norden der Region. Und in der angrenzenden Amhara-Region halten die Gefechte zwischen äthiopischer Armee und lokalen Milizen an. Doch unerschütterlich hielt Abiy am zügigen Befüllen des Gerd-Staudamms am Nil fest, der bald über 5000 Megawatt generieren soll – mehr als jeder andere auf dem Kontinent. Die Kosten betrugen über fünf Milliarden Dollar und wurden mit Zusatzsteuern finanziert. Abiy lässt sich nicht von der jüngst wieder aufkeimenden Kriegsrhetorik Ägyptens beirren. Äthiopien könnte Ägypten während der häufigen Dürren am Horn von Afrika förmlich die Lebensader abklemmen. 

    Der gigantische Staudamm ruft Ägypten auf den Plan

    Darüber hinaus irritierte der Premierminister die kleineren Nachbarländer an der Küste des Roten Meeres, als er zu Protokoll gab, einem Land wie Äthiopien stehe ein „natürliches Recht“ auf einen Meereszugang zu. Am Neujahrstag verkündete Äthiopien die Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit Somaliland, die einen Zugang zum Hafen von Berbera ebnen soll. Die abtrünnige Region hatte sich im Jahr 1991 einseitig für unabhängig von Somalia erklärt, gilt aber völkerrechtlich nach wie vor als Teil des Krisenstaates. Es gilt als wahrscheinlich, dass Äthiopien als erstes Land Somalilands Regierung anerkennen wird und sich nicht nur wirtschaftlichen, sondern auch militärischen Zugang zum Roten Meer erhofft. Entsprechend wütend reagierte Somalias Regierung. Man werde das Territorium mit „allen rechtmäßigen Mitteln“ verteidigen. 

    Kairo schlägt sich auf die Seite Somalias

    Wenig überraschend steht Äthiopiens großer regionaler Rivale Ägypten an der Seite Somalias. Ägyptens Präsident Abdul Fattah al-Sisi betonte in einem Telefonat mit Somalias Präsident Hassan Sheikh Mohamud die „feste Position“ seines Landes, Somalias Sicherheit und Stabilität zu unterstützen. Auch die EU, die nach der kritischen Begleitung des Tigray-Krieges zuletzt an der Verbesserung der Beziehungen mit Äthiopien gearbeitet hatte, forderte die Achtung der „Einheit, Souveränität und territorialen Integrität“ Somalias.

    Aufmerksamkeit für Abiys Prunkbau ist nicht erwünscht. Soldaten blockieren Autos gleich auf den ersten Metern der neu gebauten Straße. Nur wer sich als Besucher einer alten orthodoxen Kirche ausgibt, die auf der Hälfte des steilen Wegs zum Palast liegt, darf passieren. Pause in einem Zeltverschlag, der den Bauarbeitern als provisorisches Restaurant dient. Zwei von ihnen geraten ins Plaudern. Einigen der größeren Bauern der Gegend sei Kompensation angeboten worden, umgerechnet immerhin mehrere Zehntausend Euro, erzählt einer. Das mag nach viel klingen, „aber die haben viele Kinder zu versorgen und verlieren ihre Lebensgrundlage“. Andere würden im Ungewissen gelassen, besonders diejenigen, die wie Rentner Tamene keine Eigentumsurkunden vorweisen können. 

    „Die Regierung glaubt an Entwicklung um jeden Preis“, sagt der andere Ingenieur im Zelt, „aber ich finde, dass der angerichtete Schaden überwiegt.“ In einigen Gegenden sei seit über einem halben Jahr die Trinkwasserversorgung gekappt, um die Anwohner förmlich wegzuekeln. „Das ist doch nicht fair“, so der Straßenbauer. Das Projekt soll der künftige Stolz Äthiopiens sein. Der Mann schämt sich ein wenig, daran mitzuarbeiten.

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