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Debatte nach Solingen: Warum zehntausende Abschiebungen scheitern

Abschiebungen

Warum zehntausende Abschiebungen scheitern

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    Nach der tödlichen Messerattacke von Solingen hat die politische Diskussion über schnellere und mehr Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan an Fahrt gewonnen.
    Nach der tödlichen Messerattacke von Solingen hat die politische Diskussion über schnellere und mehr Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan an Fahrt gewonnen. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Nach Terroranschlägen wie dem in Solingen stellt sich oft die Frage: Warum war der Täter überhaupt noch im Land und wurde nicht schon längst abgeschoben? Eine einzige, eindeutige Antwort gibt es offenbar nicht. Allein deshalb schon, weil jeder Fall seine Besonderheiten aufweist.  Fest steht aber auch: Im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2023 scheiterten insgesamt 30.276 Abschiebungen vor Übergabe an die Bundespolizei.

    Darunter waren 15.798 Fälle, in denen der Vorgang wegen einer „Stornierung des Ersuchens“ abgebrochen wurde. Das kann beispielsweise dann vorkommen, wenn kein Platz im Flugzeug vorhanden ist. Eine „nicht erfolgte Zuführung“ wurde in 14.011 gemeldet. Das ist etwa dann der Fall, wenn die jeweilige Person nicht angetroffen wurde. Im ersten Quartal dieses Jahres konnten nach jüngsten verfügbaren Zahlen 6.891 Abschiebungen nicht vollzogen werden. Tatsächlich abgeschoben aus Deutschland wurden 2023 insgesamt 16.430 Menschen (davon 3.536 Frauen). Im ersten Quartal 2024 belief sich die Zahl auf 4.791 Abschiebungen (davon 1.110 Frauen). Diese Zahlen gehen aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Gruppe Die Linke im Bundestag hervor.

    Debatte nach Solingen: Abschiebungen sind oft unmöglich

    Die Behörden sprechen oft von „Rückführungen“, nicht Abschiebungen. Muss der oder die Betroffene das Land verlassen und tut das nicht freiwillig, erfolgen Zwangsmaßnahmen. Zuständig sind die Ausländerbehörden, sie nehmen die Hilfe von Landes- und Bundespolizei in Anspruch. Notfalls wird Gewalt angewendet. Bis es dazu kommt, muss die Person aber erst einmal gefunden werden, und das ist oft schwierig bis unmöglich.

    Die frühere Mitteilungspflicht von zwei bis drei Tagen vor Abschiebungsvollzug ist zwar entfallen. Gleichwohl haben selbstverständlich auch Asylsuchende das Recht auf juristischen Beistand und erfahren im laufenden Verfahren möglicherweise von dem bevorstehenden Termin. Selbst wenn die Polizei überraschend anrückt, ist das keine Garantie. Ein Insider der Berliner Polizei berichtete im Gespräch mit unserer Redaktion von den Schwierigkeiten, in großen Unterkünften mit mehreren hundert Männern, Frauen und Kindern die jeweilige Person ausfindig zu machen. Wenn der oder die Betreffende nicht gefunden werden will, ist es gerade in Ballungszentren kein großes Problem, sich vor der Polizei zu verstecken. Die geht der Sache zwar weiter nach, schließlich handelt es sich um eine staatliche Vollstreckungsmaßnahme, stößt aber irgendwann an ihre Grenzen. Das Personal ist begrenzt, die Aufgaben sind vielfältig.

    Anders ist das, wenn es sich um einen Terrorverdächtigen handelt. Dann gibt es einen viel höheren Fahndungsdruck, schon oft haben die Sicherheitsbehörden Menschen dingfest gemacht, bevor sie zur Tat schreiten konnten. Man erinnere sich: Zwischen dem 1. Januar 2022 und dem 20. Januar 2024 wurden so mindestens vier Terroranschläge verhindert: Im Jahr 2022 zwei in Nordrhein-Westfalen, im Jahr danach einer in Nordrhein-Westfalen und einer in Hamburg.

    Kosten für Abschiebungen gehen in die Millionen

    Wenn eine Abschiebung vollzogen wird, ist der Aufwand beträchtlich. Im letzten Jahr wurden beispielsweise knapp 12.000 Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei sowie der Länderpolizeien zur Begleitung eingesetzt. Für die Sicherheitsbegleitung bei Rückführungen entstanden dem Bund 2023 Kosten in Höhe von 6,5 Millionen Euro. Im ersten Quartal 2024 waren es 3.275 Beamtinnen und Beamte, die Kosten beliefen sich auf knapp zwei Millionen Euro.

    Der Bundestag ist im Januar mehrheitlich einem Vorschlag der Bundesregierung gefolgt und hat Maßnahmen beschlossen, die zu schnelleren Abschiebungen führen sollen. Unter anderem wurde die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams von zehn auf 28 Tage verlängert. Die Behörden haben damit mehr Zeit, um eine Abschiebung vorzubereiten. Wohnungen dürfen nach Datenträgern und Unterlagen durchsucht werden, um die Identitätsklärung zu ermöglichen. Die Polizei darf in einer Gemeinschaftsunterkunft auch andere Räume durchsuchen als nur den, in dem der Betroffene wohnt. Solche Aktionen sollen vermehrt auch nachts erlaubt werden, bislang waren sie vor allem in den frühen Morgenstunden üblich.

    Die Bundesregierung erwartet, dass mit der Neuregelung einige hundert Menschen zusätzlich abgeschoben werden. Union und AfD stimmten gegen die Pläne, weil sie ihnen nicht weit genug gehen. Der CDU-Abgeordnete Christoph de Vries etwa nannte das Gesetz einen „Rohrkrepierer“. Damit werde die Migrationskrise nicht gelöst, erklärte er und forderte mehr Befugnisse der Bundespolizei und schärfere Folgen für Verstöße bei der Identitätsfeststellung.

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    2 Kommentare
    Rainer Kraus

    Andere Länder scheinen offensichtlich eine kontrollierte Einwanderung und Abschiebung besser im Griff zu haben. Die Vorschlage seitens der deutschen Politiker Messer zu verbieten und schwerere Strafen zu verhängen zeigen wieder einmal eine gewisse Inkompetenz bzw. versuchte Ablenkung, wenn wieder einmal was passiert ist. Vielleicht muss Deutschland Politiker importieren, wenn die zur Verfügung stehenden mit den Problemen nicht zurechtkommen bzw. nicht in der Lage sind diese zu lösen?

    Rainer Kraus

    Unwahrscheinlich sind die hilflosen Erklärungen und das typische Prozedere: • Verbrechen passiert • Empörung, Bestürzung • Ruf nach harten Maßnahmen • Warnung vor Überreaktion • Gar nichts • Übergang zur Tagesordnung

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