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Zwischen Leben und Tod: Sterbehilfe-Urteil: Fragen und Antworten

Zwischen Leben und Tod

Sterbehilfe-Urteil: Fragen und Antworten

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    Eine Intensivstation.
    Eine Intensivstation.

    Das Sterbehilfe-Urteil des Bundesgerichtshofs löst kontroverse Diskussionen über den menschenwürdigen Umgang mit dem Tod aus.

    Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger nannte die Entscheidung wegweisend, wonach der Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen nicht strafbar ist, wenn dies dem Patientenwillen entspreche. "Die Achtung der Menschenwürde gebietet es, einen Menschen so sterben zu lassen, wie es seinem frei verantwortlich gefassten Willen entspricht - unabhängig von Art und Stadium seiner Erkrankung", betonte die FDP-Politikerin.

    Kritiker etwa von der Deutschen Hospiz Stiftung warnen vor Missbrauch: Todkranke dürften nicht "zum Spielball der Interessen und Meinungen Dritter" werden, sagt Verbandschef Eugen Brysch: "Falsch verstandenes Mitleid kann schnell tödlich sein", warnte er.

    Einig sind sich jedoch alle Seiten, dass nun Patientenverfügungen eine noch wichtigere Bedeutung zukommt. Hier einige wichtige Fragen und Antworten zum Thema:

    Was hat der Bundesgerichtshof entschieden?

    Der BGH hatte am Freitag entschieden, dass die Behandlung eines unheilbaren Patienten abgebrochen werden dürfe, wenn er sich zuvor in diesem Sinne geäußert habe. Auch bei bewusstlosen Patienten sei allein deren mutmaßlicher Wille entscheidend (Az. 2 StR 454/09). Das Gericht sprach in dem vorliegenden Fall einen Anwalt vom Vorwurf des versuchten Totschlags frei, der seiner Mandantin geraten hatte, den Ernährungsschlauch ihrer seit Jahren im Wachkoma liegenden Mutter zu durchtrennen.

    Welche Bedeutung hat eine Patientenverfügung?

    Der dem Urteil zugrunde liegende Fall war besonders heikel, weil im Falle der verstorbenen Mutter keine schriftliche Patientenverfügung vorlag: Die Tochter berief sich darauf, dass ihre Mutter kurz bevor sie wegen einer Hirnblutung ins Koma fiel ihr gesagt hatte, dass sie in einem solchen Fall weder künstlich beatmet noch künstlich ernährt werden solle. Für derartige Fälle hat der Bundestag nach jahrelangen fraktionsübergreifenden Diskussionen wesentlich mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten geschaffen und die Regeln für Patientenverfügungen gesetzlich geregelt. Damit kann jeder Bürger verbindliche Regeln festlegen, wie er als Patient behandelt werden will für den Fall, dass er seinen Willen nicht mehr selbst äußern kann, etwa bei Wachkoma oder Demenz. Ärzte müssen bei lebensverlängernden Maßnahmen dann den Willen eines Patienten berücksichtigen - auch wenn dieser den Tod der Hoffnung auf Genesung vorzieht. Mit der Regelung soll dem Verfassungsrecht auf Selbstbestimmung entsprochen werden.

    Was kann in der Verfügung geregelt werden?

    Patientenverfügungen sollen Ärzten und Betreuern Hinweise für die medizinische Behandlung geben: Beispielsweise können Menschen im Voraus erklären, ob sie nach einem Unfall auch in Bewusstlosigkeit möglichst lange leben wollen oder wann gegebenenfalls die medizinischen Geräte abgestellt werden sollen. So können sie etwa Rettungsmaßnahmen nach einem Unfall untersagen, wenn schwere Hirnschäden oder dauerhafte Pflegebedürftigkeit drohen. Auch ein Nein oder Einschränkungen zu künstlicher Ernährung, Beatmung oder Wiederbelebung kann festgehalten werden.

    Welche Form sollte eine Patientenverfügung haben?

    Alle Experten raten zu einer schriftlichen Form. Laut einer Expertenkommission existieren von Verbänden und Organisatoren über 180 Entwürfe und Formulierungshilfen. Experten raten jedoch bei der Abfassung der Verfügung, sich beraten zu lassen - etwa von Ärzten des Vertrauens. Die abgelehnten Behandlungen und das Verfahren sollten bei möglichen Krankheiten sehr genau beschrieben werden. Beachtet werden muss jedoch unbedingt, dass eine Patientenverfügung mit einer sogenannten Vorsorgevollmacht verbunden ist: Darin wird festgelegt, welcher Angehörige oder welche Person des Vertrauens als Bevollmächtigter dafür sorgen soll, dass dem Willen der Verfügung gefolgt wird. Ehepartner oder andere Angehörige dürfen laut Gesetz ohne eine solche Vollmacht für den Betroffenen nicht einfach entscheiden.

    Welche Rolle hat der Arzt?

    Stimmen Bevollmächtigter und Arzt in der Auslegung der Verfügung überein, kann im Extremfall eine Behandlung abgebrochen werden, selbst wenn dies den Tod zur Folge hat. Der Mediziner gilt aber auch als Kontrollinstanz. Sieht er den Fall anders als der Betreuer, muss das Gericht entscheiden, falls Todesgefahr besteht. Der Arzt kann aber in der Regel auf die Angaben des Betreuers vertrauen. Die Auffassung von Angehörigen hat nach dem Gesetz keine rechtliche Bedeutung.

    Wie lange gilt eine Verfügung?

    Nach dem Gesetz haben die Verfügungen kein Verfallsdatum. Es empfiehlt sich, die Verfügung besonders im Fall von Krankheiten zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. Auch alte, vor 2009 gemachte Verfügungen sollten daraufhin überprüft werden, ob sie dem neuen Gesetz entsprechen. (Michael Pohl mit dpa, afp)

    Weitere Informationen Ratgeber gibt es bei den Verbraucherzentralen und im Internet unter: www.bmj.de/patientenverfuegung

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