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Zwickauer Zelle: Wie weit sind die Ermittlungen gegen Zschäpe & Co?

Zwickauer Zelle

Wie weit sind die Ermittlungen gegen Zschäpe & Co?

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    Eine Kombo aus Reproduktionen der Ostthüringer Zeitung aus dem Jahr 1998 zeigt Fahndungsbilder von Beate Zschäpe (v.l.) und Uwe Böhnhardt.
    Eine Kombo aus Reproduktionen der Ostthüringer Zeitung aus dem Jahr 1998 zeigt Fahndungsbilder von Beate Zschäpe (v.l.) und Uwe Böhnhardt. Foto: Frank Doebert/Ostthüringer Zeitung dpa

    Während Kanzlerin Angela Merkel bei der offiziellen Gedenkfeier die Angehörigen der Mordopfer um Verzeihung gebeten hat, sind die taten nach wie vor nicht restlos geklärt. Welche Konsequenzen wurden daraus gezogen, dass die Zwickauer Neonazis so lange unentdeckt blieben? Anlässlich der Gedenkveranstaltung für die Opfer hier Antworten auf wichtige Fragen:

    Wie groß war der Kreis der Unterstützer?

    Neben Beate Zschäpe, der einzigen Überlebenden des Zwickauer Terrortrios, wird gegen zwölf mutmaßliche Unterstützer ermittelt. Insgesamt sitzen sechs Verdächtige in Untersuchungshaft. Zuletzt wurde vor zwei Wochen in der Schweiz ein Mann festgenommen. Er soll die Pistole vom Typ Ceska besorgt haben, die für die Mordanschläge benutzt wurde. Weitere Festnahmen sind möglich: "Die Ermittlungen sind ein dynamischer Prozess", heißt es in der Bundesanwaltschaft.

    Wann stellt man Beate Zschäpe und ihre mutmaßlichen Helfer vor Gericht?

    Weil das Neonazi-Trio mehr als 13 Jahre lang sein Unwesen trieb, sind die Ermittlungen äußerst umfangreich. Deshalb dürften bis zu einem Prozessbeginn noch einige Monate ins Land gehen. Nach derzeitigem Stand will die Bundesanwaltschaft im Herbst Anklage erheben. Offen ist allerdings, vor welchem Gericht verhandelt werden könnte. Grundsätzlich sind zunächst einmal die Oberlandesgerichte zuständig. Dort würde dann letztlich auch über den Prozesstermin entschieden.

    Was gibt den Ermittlern die größten Rätsel auf?

    Das Neonazi-Trio und seine mutmaßlichen Helfer

    UWE MUNDLOS: Der Professorensohn gilt als intellektueller Kopf der Terrorzelle. Am 4. November tötete sich der 38-Jährige selbst in einem Wohnmobil.

    UWE BÖHNHARDT: Der 34-Jährige soll ein Waffennarr gewesen sein, der schnell und gerne zuschlug. Auch er wurde am 4. November tot in dem ausgebrannten Wohnmobil gefunden, wohl von Mundlos erschossen.

    BEATE ZSCHÄPE: Die 37-Jährige ist als Mittäterin wegen Mordes angeklagt. Sie stammt aus zerrütteten Verhältnissen. Aufgefallen ist die erstmal als 17-Jährige bei mehreren Ladendiebstählen. In einem Jugendclub im Jenaer Plattenbaugebiet Winzerla lernte sie Uwe Mundlos kennen. Mit Uwe Böhnhardt hatte sie später eine Beziehung. Nachdem sie am 4. November 2011 die konspirative Wohnung der Gruppe in die Luft gesprengt hatte, fuhr Zschäpe tagelang mit der Bahn tagelang kreuz und quer durch Deutschland, bevor sie sich der Polizei stellte.

    RALF WOHLLEBEN: Der ehemalige NPD-Funktionär sitzt seit dem 29. November 2011 in Untersuchungshaft. Er soll dem Terrortrio 1998 beim Untertauchen finanziell geholfen, ihnen Geld und auch die spätere Tatwaffe zukommen lassen haben. Der 37-jährige Fachinformatiker ist inzwischen zwar nicht mehr NPD-Mitglied. Dass er noch als NPD-Funktionär die NSU unterstützt hat, gilt aber als wichtiges Argument für ein mögliches neues NPD-Verbotsverfahren.

    HOLGER G.: Der am 14. Mai 1974 in Jena geborene G. war der erste mutmaßliche NSU-Helfer, den die Polizei festnahm. G. soll seit Ende der 90er Jahre Kontakt mit dem aus Thüringen stammenden Trio gehabt haben. Den Dreien soll er seinen Führerschein, eine Krankenversichertenkarte und noch im Jahr 2011 einen Reisepass überlassen haben. So soll er ihnen ermöglicht haben, weiterhin verborgen zu agieren und rechtsextreme Gewalttaten zu verüben.

    CARSTEN S.: Der 32-Jährige soll zusammen mit Ralf Wohlleben die Tatwaffe zu den Morden beschafft haben. Nachdem S. umfassend ausgepackt hatte, ließ ihn die Bundesanwaltschaft im Mai nach viermonatiger Untersuchungshaft wieder frei. S. sagte sich nach Auffassung der Ermittler glaubhaft vom Rechtsextremismus los. Außerdem war er zur Tatzeit erst 19 Jahre alt, ihm könnte nach dem milderen Jugendstrafrecht der Prozess gemacht werden.

    ANDRE E.: Dem aus Sachsen stammenden 33-Jährigen wirft die Bundesanwaltschaft Beihilfe zum Sprengstoffanschlag des NSU in der Kölner Altstadt vor. E. soll eine enge Bindung zu dem Trio unterhalten haben. Im Jahr 2006 gab er Zschäpe als seine Ehefrau aus. Er soll den Wohnort der Drei verschleiert haben und ihnen seit dem Jahr 2009 Bahncards beschafft haben. Diese waren auf ihn und seine Frau ausgestellt, jedoch mit den Fotos von Zschäpe und Uwe Böhnhardt versehen.

    Bislang wurde noch keine Erklärung genannt, warum das Trio nach dem Polizistenmord vom April 2007 anscheinend viereinhalb Jahre keine Verbrechen beging - bis zum Banküberfall in Arnstadt im September 2011. Unklar ist auch der Grund für den Angriff auf die beiden Polizisten in Heilbronn mit einer Toten. Mittlerweile vermuten die Ermittler auch hier eine rechtsterroristische, staatsfeindliche Motivation. Frühere Hypothesen waren Waffenbeschaffung oder eine Beziehungstat als Hintergrund des Verbrechens.

    Welche Konsequenzen haben die offensichtlichen Fahndungspannen für die künftige Arbeit von Polizei und Verfassungsschützern?

    Im Januar beschloss die Bundesregierung die Einrichtung einer zentralen Neonazi-Datei, um den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen Ermittlungsbehörden zu verbessern. Darüber hinaus hat sich bislang wenig getan, denn die genauen Ursachen für die Kommunikationspannen müssen noch erforscht werden. Eine eigens dafür gegründete Bund-Länder-Kommission hat gerade erst ihre Arbeit aufgenommen. Gleiches gilt für die Untersuchungsausschüsse von Bundestag und Thüringer Landtag. Ein weiterer Untersuchungsausschuss in Sachsen wird sogar voraussichtlich erst im März beschlossen.

    Wie weit sind die Bemühungen für ein Verbot der rechtsextremen NPD?

    Bis Ende Mai will die Innenministerkonferenz Beweise gegen die Partei sammeln - danach wird man die Aussichten eines NPD-Verbots wohl besser einschätzen können. Der erste Anlauf für ein Verbot scheiterte im Jahr 2003 an der unklaren Rolle der V-Leute innerhalb der NPD. Deshalb hat etwa Thüringen eigenen Angaben zufolge keine Informanten mehr in den Führungsgremien der Partei. Ein kompletter Abzug ist jedoch umstritten, weil man sich von den V-Leuten noch immer Informationen über die rechtsextremistische Szene verspricht. dpa

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