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Zwickauer Zelle: Neonazi-Helfer Carsten S. gesteht: Ich habe die Waffe geliefert

Zwickauer Zelle

Neonazi-Helfer Carsten S. gesteht: Ich habe die Waffe geliefert

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    Die Keupstraße in Köln war einer der Tatorte der Zwickauer Neonazis. Die Feierstunde für die Opfer wird dort kaum zur Kenntnis genommen.
    Die Keupstraße in Köln war einer der Tatorte der Zwickauer Neonazis. Die Feierstunde für die Opfer wird dort kaum zur Kenntnis genommen. Foto: Uwe Zucchi/Symbolbild dpa

    Geständnis im Fall der Neonazi-Mordserie der Zwickauer Zelle: Bei den Ermittlungen zur Neonazi-Mordserie könnte sich geklärt haben, woher die wichtigste Tatwaffe kam. Der Anfang Februar in Düsseldorf festgenommenen Carsten S. hat nach Angaben seines Verteidigers gestanden, dass er den Untergetauchten eine Handfeuerwaffe samt Schalldämpfer geliefert habe. Hierbei habe es sich "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" um die Ceska 83 gehandelt, welche bei neun Morden an Geschäftsleuten ausländischer Herkunft verwendet wurde, teilte der Anwalt am Donnerstag in einer Presseerklärung mit.

    Carsten S. war Kontaktperson zu den Mitgliedern der Zwickauer Terrorzelle

    Der Erklärung zufolge war Carsten S. von Herbst 1998 bis Sommer 2000 Kontaktperson zwischen den untergetauchten Mitgliedern der Zwickauer Terrorzelle und dem ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben - der ebenfalls als mutmaßlicher Helfer der Gruppe in Untersuchungshaft sitzt. Zwischen Herbst 1999 und Sommer 2000 habe er den Untergetauchten die Waffe geliefert.

    Wie Generalbundesanwalt Harald Range sagte, hat der 31-Jährige in den Vernehmungen umfangreiche Angaben gemacht. "Er hat sich zu seinem eigenen Tatbeitrag geäußert. Und er hat - nach unseren Erkenntnissen auch glaubhaft - gesagt, dass er sich schon vor Jahren aus der rechtsextremistischen Szene gelöst hat", sagte Range. Carsten S. hatte zuletzt in Düsseldorf gelebt, wo er an der Fachhochschule Sozialpädagogik studierte und als Berater der Aids-Hilfe arbeitete. Mit seinem Lebensgefährten wohnte er in einer Gegend mit hohem Ausländeranteil.

    Staatsanwaltschaft wirft Beihilfe zu zehn Morden und einem Mordversuch vor

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    Die Bundesanwaltschaft wirft ihm mittlerweile Beihilfe zu zehn Morden und einem Mordversuch vor - also sämtlichen Mordtaten, die dem NSU zugerechnet werden, wie ein Sprecher der Behörde am Donnerstag sagte.

    Für den Tatbestand Beihilfe kommt es nicht darauf an, ob die Waffe bei den einzelnen Taten konkret eingesetzt wurde, sondern es kann ausreichen, wenn eine Waffe grundsätzlich zur Verfügung stand. Deshalb könnte sich Carsten S. auch der Beihilfe zum Mord und Mordversuch an den Polizisten in Heilbronn strafbar gemacht haben, obwohl die Ceska dabei nicht verwendet wurde.

    Carsten S. will nichts von Straftaten der Zwickauer Zelle gewusst haben

    Nach Angaben seines Anwalts soll Carsten S. bei der Lieferung der Waffe nicht gewusst haben, dass das Trio Straftaten geplant oder durchgeführt hatte. Davon habe er erst im November vergangenen Jahres erfahren, sagte der Anwalt.

    Währenddessen herrschte in Deutschland eine Schweigeminute: Viele Institutionen folgten einem Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände und ließen die Arbeit am Donnerstag um 12.00 Uhr kurz ruhen. In Berlin stoppten Busse und Straßenbahnen an Haltestellen, U- und S-Bahnen verharrten an Bahnsteigen. Auch der Rundfunk Berlin-Brandenburg unterbrach seine Programme für eine Minute. dpa

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