Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Zwickauer Terrorzelle: Wohlleben und Verteidiger haben gemeinsame braune Vergangenheit

Zwickauer Terrorzelle

Wohlleben und Verteidiger haben gemeinsame braune Vergangenheit

    • |
    Der 36 Jahre alte Ralf Wohlleben (l.) bei einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe.
    Der 36 Jahre alte Ralf Wohlleben (l.) bei einem Haftprüfungstermin beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Foto: Uli Deck dpa

    (Zusammenfassung 22:45 Uhr)  - Anwalt seiner Kanzlei sang auf Bekennervideo der Neonazi-Zelle - Verteidigerin war Mitglied im NPD-Kreisvorstand (Neu: Wohlleben schweigt) -- Von Markus Huth -- Berlin (dapd).

    Im Zusammenhang mit den Neonazi-Morden gibt es offenbar eine bisher unbekannte Verbindung zwischen dem inhaftierten EX-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben  und dessen juristischer Verteidigung. Nach Recherchen der "Stuttgarter Nachrichten" (Freitagausgabe) war eine frühere Version des Bekennervideos der rechtsextremistischen Terror-Zelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) mit Musik der rechtsextremen Rockband "Noie Werte" unterlegt.

    In der Band habe der heutige Rechtsanwalt Steffen Hammer gesungen, der in jener Kanzlei arbeite, der auch Wohllebens Verteidigerin Nicole Schneiders angehöre. Schneiders wiederum war 2002/2003 Mitglied im Vorstand des NPD-Kreisverbands Jena gewesen, dessen Vorsitzender Wohlleben war, wie die "Ostthüringer Zeitung" berichtet. Wohlleben wird Beihilfe zu sechs NSU-Morden vorgeworfen.

    Wohlleben will weiter schweigen

    Derweil kündigte Schneiders auf der Internetseite der Anwaltskanzlei "Harsch & Kollegen" an, dass ihr Mandant "aufgrund der bislang sehr beschränkt gewährten Akteneinsicht" weiter zu den Vorwürfen schweigen werde.

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    Hammer bezeichnet sich den "Stuttgarter Nachrichten" zufolge als Scheidungsanwalt, habe aber auch schon Neonazis verteidigt. Ein weiteres Bandmitglied von "Noie Werte" sei in der Justiz tätig gewesen. Der Bassist und Gitarrist Oliver Hilburger habe früher als ehrenamtlicher Richter am Amtsgericht Stuttgart gearbeitet. 2008 sei er aber vom Landesarbeitsgericht von diesem Amt enthoben worden. "Harsch & Kollegen" unterhält nach eigenen Angaben eine Zweigstelle in Stuttgart.

    Auch ein dritter Anwalt der Kanzlei, Alexander Heinig, sei als Sänger und Bassist einer rechtsextremen Rechtsrockband, "Ultima Ratio", zu hören. dapd

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden