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Zwickauer Terrorzelle: Socke überführt Zschäpe als Brandstifterin

Zwickauer Terrorzelle

Socke überführt Zschäpe als Brandstifterin

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    Ist Beate Zschäpe eine Brandstifterin? Die Beweise deuten darauf hin.
    Ist Beate Zschäpe eine Brandstifterin? Die Beweise deuten darauf hin. Foto: dpa

    Ein kriminaltechnisches Gutachten hat die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe offenbar als Brandstifterin von Zwickau überführt. Chemiker des Landeskriminalamts Sachsen hätten in Zschäpes Socken Rückstände nachgewiesen, die wahrscheinlich von Benzin stammten, berichtete das Magazin Focus vorab. Das Bundeskriminalamt (BKA) will das  Personal zur Aufklärung der Mordserie aufstocken, wie der Spiegel schrieb.

    Wohnung angezündet, um Beweise zu vernichten

    "Focus" zufolge wurde auch in Resten der ausgebrannten Wohnung, etwa in Teppichen, Sitzpolstern und im Holzfußboden, Spuren von Kraftstoff gefunden. Die 37-jährige Zschäpe soll nach dem Tod ihrer Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt im November 2011 die Wohnung des Trios angezündet haben, um Beweise zu vernichten. Die drei sollen die Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) gebildet haben, die für den Mord an neun Migranten und einer Polizistin verantwortlich gemacht wird.

    Ein vom BKA rekonstruiertes Adressbuch, das als "Feindesliste" angelegt worden war, enthält dem Bericht zufolge die Namen von NPD-Gegnern und ranghohen Ermittlern. Aufgeführt sind demnach auch der Berliner Filmemacher Caspar-Jan Hogerzeil sowie der jüdische Schauspieler Mark Aizikovitch. Hogerzeil war auch durch seinen Anti-Nazi-Spot "Handicap" bekannt geworden.

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

    Außerdem notierten die mutmaßlichen Terroristen demnach in ihrem Buch auch den Namen des Oberstaatsanwalts Lothar Liebig. Er sei als Leiter der Staatsanwaltschaft Frankenthal 2008 für die Ermittlungen zur Brandkatastrophe in Ludwigshafen zuständig gewesen, bei der neun türkischstämmige Frauen und Kinder starben. Bis heute sei die Ursache nicht geklärt, einen Anschlag hätten die Ermittler ausgeschlossen. Es gebe weiter "keine Hinweise" darauf, dass die Zwickauer Zelle hinter dem Brand stecken könne, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft zu "Focus".

    Terrorzelle nutzte 64 Leihwagen und Wohnmobile

    Fahnder des BKA konnten laut "Spiegel" Unterlagen von insgesamt 64 Anmietungen von Leihwagen und Wohnmobilen sicherstellen, die die Neonazi-Zelle nutzte. 17 der Anmietungen stünden in zeitlichem Zusammenhang zu mutmaßlichen Straftaten. Gemietet worden seien die Fahrzeuge jeweils kurz vor den Morden unter dem Namen "Holger G.". Diesen habe der verstorbene Böhnhardt zur Tarnung benutzt.

    Erst ein Viertel der Beweisstücke ausgewertet

    Die bislang 360 Beamten für die NSU wolle BKA-Chef Jörg Ziercke durch 50 zusätzliche Kollegen von der Bundespolizei und aus den Ländern verstärken, schrieb der "Spiegel". Kommende Woche wolle Ziercke seine Bitte in einer Telefonschaltkonferenz bei den Länder-Innenministern vorbringen. Nach Angaben von Generalbundesanwalt Harald Range müssen mehr als 5.000 Beweisstücke aufgearbeitet werden. Trotz der intensiven Arbeit der vergangenen Monate sei erst gut ein Viertel der Beweisstücke ausgewertet worden, sagte er dem SWR.

    Auch Christian M. in Vergessenheit geraten

    Dem "Spiegel" zufolge fahnden Thüringer Behörden derzeit nach einem weiteren untergetauchten Rechtsextremisten, der in der Schweiz wegen Waffendelikten aufgefallen sein soll. Der 28-jährige Christian M. werde seit August per Haftbefehl von der Staatsanwaltschaft Gera gesucht, weil er sechs Monate Haft wegen Volksverhetzung absitzen muss.

    Auch Böhnhardt war bereits vor der Mordserie 1997 wegen unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt worden, wie dem MDR zufolge aus einer Mitteilung des Thüringer Justizministeriums an den Erfurter Landtag hervorgeht. Das Ministerium sei erst kürzlich auf das in Vergessenheit geratene Ermittlungsverfahren gestoßen. (afp)

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