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Zwickauer Terrorzelle: Neonazi-Trio: Hat das BKA Ermittlungsdaten löschen lassen?

Zwickauer Terrorzelle

Neonazi-Trio: Hat das BKA Ermittlungsdaten löschen lassen?

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    Das Bundeskriminalamt (BKA) hat laut einem Zeitungsbericht sensible Ermittlungsdaten im Zusammenhang mit der Zwickauer Neonazi-Zelle bei der Bundespolizei löschen lassen.
    Das Bundeskriminalamt (BKA) hat laut einem Zeitungsbericht sensible Ermittlungsdaten im Zusammenhang mit der Zwickauer Neonazi-Zelle bei der Bundespolizei löschen lassen. Foto: dpa

    BKA löscht Ermittlungsdaten: Das Bundeskriminalamt (BKA) hat nach einem Bericht von "Bild am Sonntag" sensible Ermittlungsdaten im Zusammenhang mit der Zwickauer Neonazi-Zelle bei der Bundespolizei löschen lassen.

    Nach Angaben der Zeitung handelt es sich unter anderem um Daten, die Spezialisten der Bundespolizei auf dem Handy des mutmaßlichen Terror-Unterstützers André E. entschlüsselt hatten. E. gilt als wichtigster Helfer der Zelle, der zehn Morde zur Last gelegt werden. Sein Mobiltelefon war den Fahndern bei seiner Festnahme am 24. November in die Hände gefallen.

    BKA: "Prüfen die Vorwürfe"

    "Wir prüfen die Vorwürfe", sagte eine BKA-Sprecherin am Sonntag auf dpa-Anfrage. Im Moment wolle sie die Angaben nicht weiter kommentieren. Der "Bild am Sonntag" hatte ein Sprecher der Behörde die Löschaktion bestätigt. Um eine Verteilung der Daten auf verschiedene Behörden zu vermeiden, habe das BKA die Bundespolizei gebeten, als Kopie vorhandene Handy-Daten zu vernichten, sagte er.

    Dass die Daten auf Betreiben des BKA vernichtet wurden, geht aus dem Mail-Verkehr zwischen den beiden Polizeibehörden hervor, der "Bild am Sonntag" nach eigenen Angaben vorliegt. Ein BKA-Sprecher bestätigte dem Blatt die Löschaktion und erklärte: "Um in diesem sensiblen Verfahren eine Dislozierung der vorhandenen Asservate in verschiedenen Behörden zu vermeiden, wurde seitens BKA die Bundespolizei gebeten, als Kopie vorhandene Handy-Daten zu vernichten."

    BKA: Beweise unterdrückt?

    Ein Sicherheitsexperte sagte dagegen dem Blatt, der dubiose Vorgang "riecht nach Beweisunterdrückung durch das BKA". Polizeiexperten halten es demnach für möglich, dass das BKA Informanten im Umfeld der Neonazi-Zelle schützen wollte.

    Laut dem Blatt muss die Bundespolizei ihre Ermittlungsergebnisse üblicherweise mindestens bis zum Abschluss des jeweiligen Gerichtsverfahren aufbewahren, weil die Beamten wichtige Zeugen werden können. Dann müssten sie genau belegen, woher die von ihnen beschafften Beweismittel stammen.

    Friedrich alarmiert

    Der Vorgang alarmierte der Zeitung zufolge auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Sein Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche habe von der BKA-Leitung eine "umfassende Erklärung" angefordert, teilte ein Ministeriumssprecher "Bild am Sonntag" mit. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), sprach von einem "gravierenden Vorgang, der unverzüglich aufgeklärt werden muss". Es dürfe nicht einmal der Verdacht entstehen, "dass es etwas verheimlicht werden sollte," sagte er dem Blatt. (afp, AZ)

    Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse

    Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.

    Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.

    Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.

    Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.

    Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.

    Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.

    Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.

    Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt  Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.

    Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».

    Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.

    Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.

    Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.

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