In einem Altbau im von vielen Ausländern bewohnten Düsseldorfer Arbeiterstadtteil Oberbilk liegt die Wohnung von Carsten S. Vor wenigen Tagen noch hatten Ermittler in Karlsruhe eine Spur des rechten Terrors nach Düsseldorf bestritten – doch am Mittwoch schlug die Eliteeinheit GSG 9 genau dort zu. Carsten S. wurde als mutmaßlicher Mordhelfer der rechtsextremen Zwickauer Terrorzelle „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) festgenommen. Er sei dringend verdächtig, Beihilfe zu sechs Morden und einem versuchten Mord geleistet zu haben.
Der NSU wird für die Morde an neun Migranten und einer Polizistin in den Jahren 2000 bis 2007 verantwortlich gemacht. Außerdem werden der Terrorzelle zwei Sprengstoffanschläge in Köln 2001 und 2004 mit insgesamt 23 Verletzten sowie eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt.
Carsten S. studierte in Düsseldorf Sozialpädagogik an der Fachhochschule. Bis zu seiner Festnahme hat er nach Informationen der Frankfurter Rundschau als Koordinator für die Aids-Hilfe Düsseldorf gearbeitet. Zudem sei er im gemeinsamen Schwulenreferat an der Fachhochschule Düsseldorf und der Heinrich-Heine-Universität aktiv gewesen und zum Schwulenreferenten gewählt worden. Das Logo der Studentenvertretung der Fachhochschule ziert ein roter Stern. Das erstgenannte Referat heißt „Antifa“. Es scheint, als hätte Carsten S. die Welten gewechselt. Ob der Milieuwechsel mithilfe des Aussteigerprogramms für Rechtsextreme geschah, darüber halten sich die Behörden bedeckt.
Seine Herkunft aus Thüringen hatte Carsten S. in Düsseldorf nicht verschwiegen, seine Vergangenheit offensichtlich schon. Dass er Mitglied im berüchtigten Thüringer Heimatschutz war, löst nun ungläubiges Staunen aus. Ebenso dass er NPD-Jugendfunktionär und 1999 und 2000 zeitweise wichtigster Kontaktmann der Zwickauer Terrorzelle gewesen und ihr eine Schusswaffe samt Munition zugespielt haben soll. „Das ist ein toller Mensch, ein super Mitarbeiter“, sagt die Leiterin des Jugendzentrums, in dem er acht Stunden die Woche arbeitete. „Ich glaube das erst, wenn ein Richter das bestätigt hat.“ Auch bei seinem Hauptarbeitgeber hört man am Mittwoch nur Gutes über Carsten S.
Ein junger Mann im schwierigen Alter von 18, 19 Jahren sei Carsten S. damals gewesen, hatte sein Kölner Anwalt Jacob Hösl argumentiert. Dass S. auch in Nordrhein-Westfalen als logistischer Helfer für die Zwickauer Terroristen gedient haben soll, hielt der Anwalt in der vergangenen Woche für abwegig: „Als hätten die nicht auch allein mit dem Auto durch Deutschland fahren können“, sagte er.
„Ich bin im Jahre 2000 aus der rechten Szene ausgestiegen. Seitdem habe ich mich davon distanziert und verabscheue jegliche Art von rechtem, rassistischem und extremistischem Gedankengut“, hatte Carsten S. über seinen Anwalt mitgeteilt. Nach 2000 habe er keinen Kontakt mehr zur rechten Szene gehabt. Er habe von den Straftaten der Zwickauer Terrorzelle nichts gewusst und sei über deren Aktivitäten extrem erschrocken.
Zur Frage, ob er das Trio persönlich kannte, schwieg sich Carsten S. jedoch aus. „Mehr möchte ich dazu nicht sagen, da ich vor elf Jahren ein neues Leben begonnen habe.“ Ins Rheinland zog er einem Verfassungsschutzbericht zufolge allerdings erst im Jahr 2003.
Nicht nur über diese Lücke von immerhin drei Jahren wird er jetzt den Ermittlern Auskunft geben müssen. (dpa, afp)