Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe wird voraussichtlich nicht vor den Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags zu den Neonazi-Morden geladen. Die Vorsitzende Dorothea Marx (SPD) sagte am Montag der Nachrichtenagentur dpa, sie werde dem Gremium empfehlen, die für den 12. März beschlossene Vorladung auszusetzen.
Die Zwickauer Terrorzelle - Chronologie der Ereignisse
Freitag, 4. November: Am Vormittag überfallen zwei Männer eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Während der Fahndung stoßen Polizisten auf zwei Leichen in einem Wohnmobil. Beamte hatten Hinweise erhalten, dass ein Caravan bei dem Überfall eine Rolle gespielt haben könnte.
Samstag, 5. November: Ermittler untersuchen die Schusswaffen, die in dem Wohnmobil gefunden wurden.
Montag, 7. November: Unter den Pistolen im Wohnwagen sind die Dienstwaffen der im April 2007 in Heilbronn getöteten Polizistin Michele Kiesewetter und ihres schwer verletzten Kollegen. Die später identifizierten Männer Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, deren Leichen entdeckt wurden, sollen den Banküberfall begangen haben. Sie sollen zusammen mit einer Frau in einer Wohnung in Zwickau gelebt haben, die wenige Stunden nach dem Banküberfall explodiert war. Nach der Frau, Beate Zschäpe, wird gefahndet.
Dienstag, 8. November: Die bundesweit gesuchte Beate Zschäpe stellt sich der Polizei in Jena. Spekulationen kommen auf, dass die mutmaßlichen Bankräuber eine Verbindung in die Neonazi-Szene gehabt haben könnten. Sie und die verdächtige Frau sollen in Thüringen als rechtsextreme Bombenbauer in Erscheinung getreten sein.
Mittwoch, 9. November: Zschäpe sitzt in U-Haft und schweigt. Nach Aussage von Thüringens Innenminister Jörg Geibert hatten die Männer bis 1998 Verbindungen zum rechtsextremen Thüringer Heimatschutz - danach jedoch nicht mehr. Polizei und Staatsanwaltschaft in Sachsen machen die Frau zunächst nur für die Explosion des Wohnhauses in Zwickau verantwortlich.
Donnerstag, 10. November: In den Trümmern des abgebrannten Hauses in Zwickau werden weitere Schusswaffen gefunden.
Freitag, 11. November: Es ist die spektakuläre Wende in dem Fall: Unter den Waffen ist die Pistole, mit der zwischen 2000 und 2006 neun Kleinunternehmer erschossen wurden - Türken, ein Grieche und Deutsche mit Migrationshintergrund. Außerdem entdecken Fahnder rechtsextreme Propaganda-Videos. Diese beziehen sich auf eine Gruppierung mit dem Namen Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) und enthalten Bezüge zur Mordserie. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe übernimmt die Ermittlungen.
Sonntag, 13. November: Die Bundesanwaltschaft geht erstmals ausdrücklich von Rechtsterrorismus aus. Der Bundesgerichtshof erlässt Haftbefehl gegen Zschäpe wegen des dringenden Tatverdachts «der Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung». In Lauenau bei Hannover wird ein mutmaßlicher Komplize festgenommen. Holger G. soll dem Neonazi-Trio 2007 seinen Führerschein und vor etwa vier Monaten seinen Reisepass zur Verfügung gestellt haben. Die Rolle des Verfassungsschutzes in dem Fall ist unklar. Politiker fragen, warum die Rechtsextremen, die unter Beobachtung standen und schon 1998 in Jena als Bombenbauer auffielen, so lange unbehelligt blieben.
Montag, 14. November: Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagt, die Strukturen des Verfassungsschutzes sollten auf den Prüfstand gestellt werden. Ihre Frage: «Was mich wirklich umtreibt, ist: Gibt es ein fester gefügtes rechtsextremistisches Netzwerk in Deutschland als bisher angenommen wurde?».
Donnerstag, 17. November: Der hessische Verfassungsschutz dementiert einen Bericht, ein 2006 suspendierter Mitarbeiter habe einen V-Mann beim rechtsextremen Thüringer Heimatschutz geführt. Der Verfassungsschützer war 2006 in einem Internetcafé in Kassel gewesen, kurz bevor dort die tödlichen Schüsse auf den türkischstämmigen Betreiber fielen.
Freitag, 18. November: Die Terrorzelle ist möglicherweise größer als bisher bekannt. Ermittler haben zwei weitere Personen im Visier. Sie sollen Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe unterstützt haben. Nach mehreren Ermittlungspannen in der Vergangenheit wollen Bund und Länder mit besseren Strukturen auf den über Jahre unentdeckten rechtsextremistischen Terror reagieren.
Dienstag, 29. November: Fahnder nehmen den früheren NPD-Funktionär Ralf W. fest. Er soll ein weiterer mutmaßlicher Unterstützer der terroristischen Vereinigung «Nationalistischer Untergrund» (NSU) sein.
Grund sei ein Schreiben von Zschäpes Anwalt, in dem dieser angekündigt habe, dass sie weiter schweigen werden. Damit wäre eine Vernehmung angesichts des Aufwandes und der Kosten unverhältnismäßig, hieß es weiter. Der Ausschuss solle sich aber offenhalten, Zschäpe möglicherweise noch zu einem späteren Zeitpunkt zu hören.
Der Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags zum Neonazi-Trio hatte im Februar beschlossen, dass Zschäpe vernommen werden soll und dafür als Termin ursprünglich den 12. März ins Auge gefasst. Kurz darauf hatte die Landtagsverwaltung die Vorladung an die 37-Jährige verschickt, die in Köln in Untersuchungshaft sitzt.
Haftrichter des Bundesgerichtshofen müssen über Vorladung entscheiden
Der Untersuchungsausschuss sollte am Dienstag eigentlich zu einer Sondersitzung zusammentreten, um die Vorladung von Zschäpe auch beim Bundesgerichtshof (BGH) zu beantragen. Nach Angaben eines Landtagssprechers hatte der Ausschuss in der vergangenen Woche von Bundesjustizministerium und Generalbundesanwalt erfahren, dass der Haftrichter des BGH über diese Vorladung entscheiden müsse.
Die in Köln inhaftierte Zschäpe und die Anfang November tot aufgefundenen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt sollen nach ihrem Untertauchen 1998 die Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gegründet haben. Das Trio wird für neun Morde an Migranten und den Mord an einer Polizistin in Heilbronn in den Jahren 2000 bis 2007 verantwortlich gemacht. Außerdem werden der Gruppe zwei Sprengstoffanschläge in Köln 2001 und 2004 mit insgesamt 23 Verletzten sowie eine Serie von Banküberfällen zur Last gelegt. Mundlos tötete sich selbst und wohl auch seinen Komplizen Böhnhardt vor einem Zugriff der Polizei.
Ausschuss soll mögliches Fehlverhalten der Sicherheitsbehörden untersuchen
Der Untersuchungsausschuss in Thüringen befasst sich vor allem mit der Bildung und dem Untertauchen der Neonazi-Zelle in den 1990-er Jahren. Ein Bundestags-Ausschuss untersucht zunächst die eigentliche Mordserie ab dem Jahr 2000. Der Untersuchungsausschuss soll außerdem ein mögliches Fehlverhalten der Thüringer Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung der Neonazi-Zelle untersuchen. dpa/afp